Die Revolte des Körpers

Die Revolte des Körpers
Rezensionen

  1. AVIVA-BERLIN.de
  2. St. Galler Tagblatt
  3. ReviewCentre.de
  4. Badische Zeitung
  5. Thomas Gruner

AVIVA-BERLIN.de im Januar 2005
von Tatjana Zilg

Therapie zwischen Moralvorstellungen und Heilung: Die vielgelesene und umstrittene Psychoanalytikerin zeigt, wie das Vierte Gebot der Elternliebe zur Tabuisierung von Kindesmisshandlung beiträgt.

Der russische Schriftsteller Dostojewski litt an chronischer Schlaflosigkeit, an Alpträumen, Existenzängsten, epileptischen Anfällen und Spielsucht. Sein Vater war ein erbarmungsloser, brutaler Mensch, der von seinen Leibeigenen umgebracht wurde. In den Briefen des Sohnes an die Eltern findet sich aber kein Hinweis auf Vorwürfe, obwohl die Qualen der Kindheit Auswirkungen auf sein ganzes Leben hatten. Stattdessen bittet er den Vater wiederholt um Geld, indem er seine finanzielle Misere beschreibt und dadurch in der Rolle des abhängigen Kindes verbleibt. Auch die Biographen thematisieren die mutmaßliche Kindesmisshandlung nicht. Alice Miller zeigt mit diesem Beispiel, wie sehr es in der damaligen Zeit verpönt war, die eigenen Eltern anzuklagen.

Mit weiteren Beispielen aus den Biographien berühmter SchriftstellerInnen belegt sie, dass dieses Tabu bis heute besteht:
Anton Tschechow beschreibt in der Erzählung “Der Vater” einen ehemaligen Leibeigenen und Alkoholiker. Vermutlich hat der Dichter seinen Protagonisten dem eigenen Vater entsprechend beschrieben. Dieser Mann trinkt und lebt auf Kosten seiner Kinder, aber versucht nie zu sehen, wer seine Söhne wirklich sind. Ähnlich wie in dieser Erzählung hat Tschechow seine Eltern lange Zeit finanziell unterhalten, obwohl er zeitweilig nur wenig Geld zur Verfügung hatte.
Virginia Woolf wurde als Kind von ihren Halbbrüdern missbraucht, weshalb sie ihr Leben lang an Depressionen litt. 1941 beging sie Suizid, indem sie in einen Fluss ging, um sich zu ertränken. Es ist erwiesen, dass sie nach der Lektüre von Sigmund Freuds Schriften an den Wahrheitsgehalt ihrer Erinnerungen zu zweifeln begann.

Freud veröffentlichte Anfang des letzten Jahrhunderts die Theorie, dass Erinnerungen aus der Kindheit oft stark verzerrt sind. Triebe, Phantasien und Wunschvorstellungen würden das Gedächtnis zu Verfremdungen und belastenden Bildern verführen. Alice Miller belegt, dass Virginia Woolf ihren Erinnerungen in den Jahren vor ihrem Tod nicht mehr vertraute. Doch die Annahme, dass das Schreckliche nicht wirklich passiert ist, war nur eine temporäre Erleichterung. Denn nun idealisierte sie ihre Familie und stellte sie sehr positiv dar, aber ihr Körper musste weiter mit den verdrängten Missbrauchserfahrungen leben: Der Suizid kann so als Versuch gedeutet werden, die Körperwahrnehmung abzuwehren.

Das Vierte Gebot der christlichen Religion hat die gesellschaftlichen Moralvorstellungen nach Einschätzung von Alice Miller entscheidend geprägt. Es besagt, dass das Kind die Eltern ein Leben lang ehren und lieben soll, und zwar unabhängig davon, wie sie sich dem Kind gegenüber verhalten. Es ist gleichgültig, ob sie fürsorglich sind oder tyrannisch – die Nachkommen sind zu Achtung und Dankbarkeit verpflichtet.

Dies führt zu einem Zwiespalt auch in den gegenwärtigen Therapien: Wird zuerst die Aufarbeitung der traumatischen Kindheitserlebnisse empathisch begleitet, so fordern dennoch viele TherapeutInnen von ihren KlientInnen, dass sie sich in der Endphase der Therapie mit den Eltern versöhnen, indem sie ihnen verzeihen. Oft wird angenommen, dass dies unabdingbar sei, um sich von den Eltern innerlich zu lösen und erwachsen zu werden.

Wichtiger Bestandteil von Alice Miller’s neuen Werk sind die Tagebuch-Aufzeichnungen von Anita Fink. Hier wird besonders deutlich, wie sehr konservative Moralvorstellungen in einen Therapieverlauf hineindrängen können. Anita Fink ist eine junge Frau, die an Magersucht erkrankt ist. Nach einem Aufenthalt in der Psychiatrie sucht sie sich eine Therapeutin, die sie in der ambulanten Behandlung zunächst als sehr wohltuend und empathisch erlebt. Es gelingt ihr, ihre Symptome auf die schädlichen Verhaltensmuster mit ihren Eltern und in ihrem Umfeld zurückzuführen. Sie löst sich von der Ursprungsfamilie und findet Menschen, die sie so annehmen wie sie ist. Aber als sie nach einer weiteren Krise zur Therapeutin zurückkehrt, verlangt diese von ihr, sich mit ihren Eltern zu versöhnen, was die junge Frau nicht kann, da diese ihr erhebliches Leid zugefügt haben.

Anita Fink ist eine von Alice Miller erfundene Patientin, denn die Analytikerin wollte nicht die Privatsphäre einer real lebenden Person publizieren. In dem Beispiel wird erkennbar, wie der Körper gegen die verlogenen Moralvorstellungen der Gesellschaft ankämpft.

“Wir müssen die Verwirrung des kleinen Kindes aufgeben, die aus unserer einstigen Bemühung stammt, Misshandlungen nachzusehen und einen Sinn daraus abzuleiten. Als Erwachsene können wir damit aufhören und auch verstehen lernen, auf welche Weise die Moral in den Therapien das Ausheilen der Verletzungen erschwert.”

Zur Autorin:
Alice Miller studierte in Basel Philosophie, Psychologie und Soziologie. Nach der Promotion machte sie in Zürich ihre Ausbildung zur Psychoanalytikerin und übte 20 Jahre lang diesen Beruf aus. 1980 gab sie ihre Praxis und Lehrtätigkeit auf, um zu schreiben. Seitdem veröffentlichte sie elf Bücher, in denen sie die breite Öffentlichkeit mit den Ergebnissen ihrer Kindheitsforschung bekannt machte – darunter den Welterfolg “Das Drama des begabten Kindes” (1983)

Aviva-Tipp:
Alice Miller stellt sich mutig gegen gängige Praktiken in der Therapieszene. Sie führt diese auf die Eingebundenheit der TherapeutInnen in teils eher konservative Schulen zurück, die sich vor dem wahren Leid des Kindes oftmals verschließen. Dagegen setzt sie die Forderung, gemeinsam mit der Klientin/dem Klient radikal nach der Wahrheit zu suchen, wodurch die Therapeutin/der Therapeut die wichtige Funktion eines wissenden Zeugens einnimmt. Als solcheR akzeptiert sie/er parteilich das Leid des verletzten Kindes. – Ein aufrüttelndes und tiefgehendes Buch, das die Augen öffnet für die Auswirkungen einer starren Moralstruktur auf jedeN EinzelneN.

St. Galler Tagblatt, 31.12.2004

Die wahre Geschichte des Körpers
Alice Millers neues Buch redet kühn über die Leiden der Kinder
“Du sollst deine Eltern lieben und ehren”: Das Gebot kann tödlich sein, sagt Alice Miller. Die unerschrockene Kritikerin der Psychoanalyse wendet sich in “Die Revolte des Körpers” den Verletzungen aus der Kindheit zu.
von Bernadette Conrad

Was ist das – erwachsen werden? Heisst Reife, Abstand zu gewinnen? Distanz zu erwerben auch zu all jenen Verletzungen, die man als Kind und heranwachsender Mensch erlitt; fähig zu werden zu grosszügigem Verzeihen und “normalem” Umgang mit den alten Eltern?
Alice Miller, die bedeutende Forscherin und Kritikerin der Psychonanalyse, sagt: Nein. Erwachsenwerden müsse vielmehr bedeuten, “die Wahrheit nicht mehr zu leugnen, das verdrängte Leiden in sich zu fühlen, die Geschichte, die der Körper emotional kennt, auch mental zur Kenntnis zu nehmen, sie zu integrieren und nicht mehr verdrängen zu müssen.” Warum, mag man sich fragen. Ist es denn nicht besser, mal abzuschliessen? Frieden zu machen, alte Geschichten ruhen zu lassen? Alice Millers Antwort ist einfach: Alte Geschichten werden nie ruhen, solange sie nicht gehört werden, denn der Körper ist der “Hüter unserer Erfahrungen” und damit unserer “wahren Geschichte”. Was früher war, ist nicht hinter uns, es ist in uns.

An berühmten Lebensläufen
In ihrem neuen Buch “Die Revolte des Körpers” nutzt Alice Miller bekannte und unbekannte Informationen aus dem Leben berühmter Menschen wie Friedrich Schiller, Marcel Proust, James Joyce, Virginia Woolf, Dostojewskij, Rimbaud, um den direkten Weg von “schwarzer Pädagogik”, die sich manipulativer und gewalttätiger Methoden bedient, hin zu lebenszerstörenden Folgeschäden aufzuzeigen. Diese Schäden heissen Sucht, Depression, tödliche Krankheit, Selbstmord. Diese Künstlerinnen und Künstler schafften es laut Miller, zwar, ihrem Leid in Kunst Laut zu geben, aber haben es nie als eigenes Leid erkannt, benannt, und die Konsequenz der offenen Revolte gezogen. Mit der Tatsache, dass Miller ihre These diesmal an schöpferischen Menschen nachweist, geht sie ein weiteres Mal in die direkte Konfrontation mit den Lehren Freuds. Dessen Gedanke, erlittenes Leid könne in Kunst “sublimiert” werden und so gleichsam einen gereinigten und bereinigenden Ausdruck finden, wird von Miller radikal zurückgewiesen. Das Gegenteil sei wahr, sagt sie, und geht hart mit jenen Therapeuten ins Gericht, die ihren Klienten das Vergeben und Friedenmachen und Besänftigen alter Schmerzen nahe legen. Sie erzählt in mehreren Beispielen von der Qual jener erwachsenen Kinder, deren psychosomatische Krankheiten sich verstärken oder die gar sterben, weil sie bereit sind, eher mit dem Leben zu bezahlen als die Nähe zu den Eltern aufzugeben und damit die Hoffnung, jene würden sie irgendwann doch “wirklich” lieben. Therapeutische Begleiter haben nach Miller einen einzigen Auftrag: “wissende Zeugen” zu sein, die vorbehaltlos und unbedingt parteilich die in einer Therapie zutage tretende Leidensgeschichte wahrnehmen und es ermöglichen, dass diese Geschichte Teil auch des erwachsenen Menschen werden darf.

Kette von Schuld und Leid
Einmal mehr haben Alice Millers Gedanken in ihrer Klarheit und Kühnheit vor allem befreiende Qualität. Schade ist, dass sie die Problematik über ihr überzeugendes Plädoyer hinaus wenig vertieft. Fragen tun sich auf wie: Wie wird denn der erkannte, als Kind erlittene Mangel später gestillt? Wie geht die Arbeit der Integration alten Leidens vor sich? Was genau bedeutet die Unterbrechung der Generationen-Kette von Schuld und Leid, wie geht sie vor sich? Und was schliesslich taugt für Generationen, die die Liebe und Ehre hinter sich gelassen haben und doch die Eltern nicht loswerden? Hier hätte man sich mehr gewünscht. “Die Revolte des Körpers” ist keine Vertiefung von Millers Grundgedanken, sondern eher eine Anwendung: Sie richtet ihren Suchscheinwerfer auf allgemein bekannte Lebensläufe und kann an diesen zeigen, wie buchstäblich tödlich die Einhaltung des Vierten Gebotes “Du sollst deine Eltern lieben und ehren” sein kann, und wie fest verankert dies Gebot in der allgemeinen Moral sogar der säkularen Gesellschaft ist. Einmal mehr positioniert sich Alice Miller als Anwältin des verletzten Kindes, und es ist weiterhin ihre Kompromisslosigkeit, die ihre Botschaft unverzichtbar macht.

Online-Rezension publiziert bei ReviewCentre.de

In ihren Büchern hat sich Alice Miller auf unterschiedliche Weise mit dem Thema Gewalt in der Erziehung und deren individuellen und gesellschaftlichen Folgen auseinandergesetzt.

Auch in “Die Revolte des Körpers” greift sie diese Schwerpunkte wieder auf, erweitert um die Diskussion der Frage: Wie ist das Verhältnis nun erwachsener, früh misshandelter Kinder zu ihren Eltern beschaffen? In diesem Zusammenhang zeigt die Autorin, wie sehr dieses Verhältnis immer noch von den Forderungen der Religion, die Eltern achten zu müssen, geprägt ist und verdeutlicht, welchen Schaden diese moralische Forderung im Leben des Erwachsenen anrichten kann. Wenn ein Mensch sich bemühe, die Eltern zu lieben, obwohl er eigentlich so nicht fühle, weil er in der Kindheit von ihnen misshandelt wurde, habe dies Folgen für den Körper. Das Unterdrücken echter Gefühle könne zu schweren physischen Erkrankungen führen. Das ist der rote Faden ihres neuen Buches.

Zu Beginn illustriert sie ihre These anhand des Lebens verschiedener Schriftsteller, die jeweils auf ihre Weise versuchten, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, aber scheiterten, weil sie keinen Zugang fanden zu ihrer Kindheitsgeschichte.

Im Hauptteil führt Miller aus, dass die unterschiedlichen heutigen Psychotherapien von moralischen Forderungen an den Patienten beherrscht sind. Mehrheitlich würden die Hilfesuchenden in den Therapien dazu gedrängt, ihren Eltern zu vergeben, was auch immer in der Kindheit geschehen sei. Dies führt sie darauf zurück, dass sich die Therapeuten von der aus der Kindheit stammenden Angst vor den eigenen Eltern ihrerseits nicht befreien konnten. Patienten würden auf unterschiedlicher Weise daran gehindert, wahrzunehmen, was sie wirklich gegenüber den Eltern empfinden und was sie wirklich wollen. So entwickelten sie Symptome, die sich dann zurück bildeten, sobald es den Patienten ermöglicht werde, ihre wahren Gefühle auszudrücken.
Abschließend erläutert sie Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten der Anorexie anhand des “fiktiven Tagebuches” einer magersüchtigen Frau. Hier erscheint die Magersucht nicht als unverständliche Krankheit, sondern als Ausdruck eines Mangels an Kommunikation in der Kindheit wie in der Gegenwart, der nicht allein dadurch behoben werden könne, dass Ärzte und Therapeuten den Patienten dazu bringen, das Essverhalten wieder in den Griff zu bekommen, weil dadurch die Ursache der Krankheit unentdeckt bleibe.

Das neue Buch von Alice Miller bietet in einer gut lesbaren Sprache sowohl einen Einstieg in ihr Werk für diejenigen, die es nicht kennen, als auch wichtige Ergänzungen für ihre langjährigen Leserinnen und Leser.

Menschen, die eine problematische Kindheit hatten und Erfahrungen mit der Psychotherapie, werden in diesem Buch wesentliche Gedanken finden. Wahrscheinlich steht jeder von Misshandlungen in der Kindheit Betroffene einmal vor der Frage: Wie gehe ich heute, als Erwachsener mit meinen Eltern um? Dass Alice Miller in diesem Zusammenhang ausführlich darlegt, warum das Gefühl des ehemals misshandelten Kindes für die Eltern keine Liebe sein kann, sondern eher “eine mit Erwartungen, Illusionen und Verleugnungen belastete Bindung”, gibt viel Stoff zum Nachdenken. In zahlreichen Veröffentlichungen beispielsweise von Frauen, die als Kinder von ihren Vätern missbraucht wurden, ist zu lesen, dass diese Frauen ihre Väter weiterhin liebten. Vor diesem Hintergrund ist es wertvoll, wenn die Autorin zeigt, wie die Unterdrückung der echten Gefühle zu Drogenabhängigkeit, Magersucht oder körperlichen Krankheiten führt. Man kann eine seelische Not nicht mit moralischen oder religiösen Forderungen abschaffen. Sie muss von ihrer Ursache her verstanden werden. Dies ist besonders mit Blick auf die vielen aktuellen Medienberichte über Kindesmissbrauch oder Gewalt von Jugendlichen ein notwendiges Thema.

Badische Zeitung 14.09.2004

Der Hüter unserer Wahrheit
“Die Revolte des Körpers”: Alice Miller beschreibt die erschreckenden Konsequenzen von Misshandlung in der Kindheit
von Mechthild Blum

Warum springen Engel in den Tod? Was ist Auto-Aggression? Wie krank war Jennifers
Seele? Mitte Juni dieses Jahres stellte Bild mit bekannt großen Schlagzeilen diese Fragen. Das Rätsel um den Tod der Filmschauspielerin Jennifer Nitsch, 37 Jahre alt, die aus dem Fenster ihres Appartements im vierten Stock eines Wohnhauses in München stürzte, beschäftigte Boulevardzeitungen tagelang. Die Obduktion der Leiche ergab eine hohe Dosis Alkohol und Schmerzmittel. Jennifer Nitsch habe, so hieß es, zwei Abtreibungen hinter sich gebracht, sei als Kind missbraucht worden, leide zudem unter Essstörungen und Selbstverletzungsanfallen.
“Aber ein Grund, sich das Leben zu nehmen, war das nicht”, urteilt die Zeitung.

Alice Miller, Psychoanalytikerin aus der Schweiz, wäre da sicher anderer Meinung. In ihrem neuen Buch “Die Revolte des Körpers” beschreibt sie die Folgen seelischen, körperlichen und sexuellen Missbrauchs von Kindern, die den Weg in ein glückliches Erwachsenenleben versperren. Denn das Vertrackte an der Sache ist, dass Kinder, existenziell abhängig von ihren Eltern, Wut, Zorn und Trauer über die Misshandlung aus ihrem Bewusstsein verbannen müssen, um zu überleben. Das vierte Gebot des Neuen Testaments “Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lange lebest und es dir wohl ergehe auf Erden” ist in unserer Kultur auch da verankert, wo Menschen sich nicht zu gläubigen Christen zählen. Die Misshandlung von Kindern setzt es nicht außer Kraft – weder bei den Eltern noch den
Kindern.

Und, wie Miller glaubhaft darstellt, auch bei vielen Therapeutinnen und Therapeuten nicht, die selbst dann, wenn sie Missbrauch und Misshandlung erkennen, auf Verzeihen und Vergebung hinarbeiten. Miller kritisiert die Auffassung, dass erst die Vergebung der Taten der Eltern einen Menschen erwachsen werden lasse. Miller, die in Basel Philosophie, Psychologie und Soziologie studierte, hat nach der Promotion in Zürich ihre Ausbildung zur Psychoanalytikerin gemacht und 20 Jahre lang diesen Beruf ausgeübt. 1980 gab sie ihre
Praxis auf, um zu schreiben. Seitdem veröffentlichte sie in zahlreichen Büchern die
Ergebnisse ihrer Kindheitsforschungen.

An beispielhaften Schicksalen macht sie deutlich, dass nur ein “wissender Zeuge”, etwa auch ein Therapeut, der den Missbrauch des (ehemaligen) Kindes bestätigt, zur Erlösung von Schuldgefühlen und Ängsten, nicht bewusster Wut und Scham über das Erlebte beitragen kann. Denn diese Gefühle sind häufig die Ursache für körperliche Erkrankungen, für Suchtkrankheiten – Esssucht, Magersucht, Alkohol-, Drogen oder Medikamentenabhängigkeit – und für seelische Krankheiten wie Depressionen. “Der Körper ist der Hüter unserer Wahrheit” – das ist die These Alice Millers, ganz auf der Höhe neurophysiologischer und neurobiologischer Forschung. Sie selbst hat Jahrzehnte gebraucht – trotz Lehranalyse -, um sich darüber klar zu werden, dass sie in ihrer Kindheit lernen musste, “alles was ich fühlte, mit den Augen meiner Mutter zu sehen und zu beurteilen und meine Gefühle und Bedürfnisse sozusagen umzubringen”. Diesen Prozess schildert sie unter anderem auch am Beispiel der “Ehr-Furcht vor den Eltern und ihren tragischen Folgen” für die Schriftsteller Dostojewski, Tschechow, Kafka und Nietzsche. Oder am Beispiel Marcel Prousts, der an seiner Mutterliebe erstickte, an Virginia Woolf und ihrem Verrat an den eigenen Erinnerungen.

Immer wieder hat sich Alice Miller in ihren Büchern mit der Verleugnung des Leidens in der Kindheit auseinander gesetzt. Immer wieder macht sie eindringlich deutlich, welche Konsequenzen es hat, wenn der Konflikt zwischen dem, was wir eigentlich fühlen und was unser Körper registriert hat, und dem Anspruch, gedanklich wie emotional moralischen Normen zu gehorchen, unaufgelöst bleibt. Ihr großes Anliegen ist es – wie vor allem in
“Abbruch der Schweigemauer” (1990) geschildert -, dass die Öffentlichkeit endlich davon Kenntnis nimmt, dass die Wurzeln von Gewalt und Grausamkeit in der Kindheit liegen. Auf ihrer Homepage hat sie zu diesem Zweck Artikel zugänglich gemacht, die sie in jüngster Zeit darüber schrieb. Dort sind auch die Internetadressen der Foren zu finden, in denen sich Betroffene austauschen.

Thomas Gruner: Geborgenheit in der Moral oder Die Wahrheit der Erfahrungen 03.2004

Ein Buch erscheint nicht nur auf “dem Markt”, es erscheint in einer bestimmten Zeit und in einem konkreten gesellschaftlichen Klima.
Man könnte den Eindruck bekommen, dass sich heute die Menschen von sämtlichen Tabus befreit haben, die uns bis vor kurzem als moralische und sittliche Gebote unserer Vorfahren noch so streng regierten. Es scheint so, als ob wir nicht mehr den Forderungen der Religion oder der Konvention genügen müssten, um nicht von anderen sanktioniert und ausgegrenzt zu werden. Auf öffentlichen Massenveranstaltungen zur Schau gestellte Sexualität ist beispielsweise eine Mode geworden; in Sendungen des Fernsehens erscheinen Menschen und enthüllen die verblüffendsten sexuellen Praktiken, an denen sie Vergnügen finden. Wagt es hingegen jemand, an die unverblümte Korruptheit zahlreicher politischer und ökonomischer Entscheidungsträger nur zu erinnern, wird er als “Gut-Mensch” verspottet. Wir sind frei, sagen die Leute und freuen sich, wir können machen, was wir wollen, nur keine Hemmungen; wir sind frei, verkünden die Medien im Chor.
Konservativere Zeitgenossen beklagen hin und wieder den Verfall der guten Sitten und etwas intelligentere Menschen äußern sich besorgt über den “fröhlichen Nihilismus”, der das gesellschaftliche Klima beherrsche. Gibt es also in der Tat kein eisernes Korsett mehr, in dem Menschen sich eingeschnürt fühlen und keine Luft mehr bekommen, eben weil die sogenannte postmoderne Gesellschaft die Tabulosigkeit gerade zur Norm erklärt hat?

Das neue Buch von Alice Miller Die Revolte des Körpers zeigt sehr klar, mit welchen Tabus wir es immer noch zu tun haben. Wir dürfen alles machen und alles aussprechen, nur eines dürfen wir nicht: traurig sein, sagen, was uns als Kind geschehen ist, ausdrücken, was uns das ausmachte und was wir fühlen. Vor allem dürfen wir nicht eindeutig artikulieren: Es waren meine Eltern, die mir das angetan haben und deshalb kann und will ich sie nicht lieben, wenn ich mich mit dieser Liebe nicht selbst zugrunde richten will. Jeder Mensch kann ausprobieren, ob dieses Tabu noch gültig ist oder nicht.
Trotz aller Freizügigkeit diktiert das Vierte Gebot teils ausdrücklich, aber auch eher verhüllt in den Ansprüchen der herkömmlichen, in Wahrheit eben nicht bewusst hinterfragten Moral bis heute, was wir fühlen sollen und was wir keinesfalls fühlen dürfen. Das Vierte Gebot sagt: Du bist deinen Eltern Achtung und Dankbarkeit schuldig, dein Leben lang, was auch immer sie getan haben. Und wenn du dich dagegen auflehnst, verlierst du dein Leben.
Der erste Teil des Buches widmet sich den Biographien berühmter Schriftsteller aus unterschiedlichen Epochen. Sie alle haben gemeinsam, dass sie unter anderem die Unfreiheit der unterdrückten Menschen ihrer Zeit darstellten (Schiller, Dostojewski, Tschechow) oder aber wie Marcel Proust, Arthur Rimbaud, Virginia Woolf und Yukio Mishima gegen die Konventionen und Tabus ihrer Gesellschaft rebellierten. Sie lehnten sich auf gegen die Moral und gehorchten ihr, ahnungslos, doch. Mishima etwa bekennt mit einer schonungslosen Offenheit seine sexuellen Phantasien, nur die eigene Not als Kind kann er nicht sehen. Virginia Woolf verachtet die Enge der viktorianischen Zeit, doch für die Stiefbrüder, die sie in der Kindheit missbrauchten und vergewaltigten, findet sie kaum ein Wort der Verurteilung oder Anklage. Rimbaud reist bis in die entlegensten Orte Afrikas, auf der Suche nach Freiheit und auf der Flucht vor der Mutter und kehrt zu ihr zurück, um zu sterben. Marcel Proust darf sein großes Werk A la Recherche du Temps perdu erst nach dem Tode der Mutter schreiben; auch er stirbt, wie zur Strafe, als er es beendet hat.
Weder die sexuelle Freizügigkeit noch der Aufbruch in eine ferne, andere Welt, noch die scharfsinnige Kritik an der Gesellschaft kann einen Menschen wirklich befreien, solange das Kind, das wir waren, nicht (anstelle etwa der Libertinage oder des Selbstbetrugs) die echte Freiheit erhält, die es braucht: angehört und verstanden zu werden. Der Körper versucht immer wieder, auf diese Not aufmerksam zu machen, er gibt Signale in Form von Depressionen, schweren seelischen Schmerzen oder einer Fülle physischer Symptome; der Körper rebelliert gegen die Fassade, die Existenz hinter der Maske. Werden diese Signale nicht verstanden, kann sich ein Mensch unter Umständen selbst zerstören. Die Künstler, von denen Alice Miller berichtet, nehmen sich das Leben oder sterben langsam in einem frühen Alter an schweren Erkrankungen.

Alle diese Schriftsteller wussten nicht, dass sie sich letztlich doch der Moral unterwarfen und die Hoffnung auf die Liebe der Eltern niemals aufgeben konnten. Sie blieben, obwohl außergewöhnlich begabt, schöpferisch und hellsichtig in vielen Dingen, blind für ihr eigenes Schicksal als Kind. Das macht die Tragik ihres Lebens aus.
Warum fällt es uns auch heute noch so schwer, uns von der Forderung zu lösen, den Eltern Liebe zu schulden? Die Aussage des Vierten Gebotes ist tief in unserer Kultur verankert; das Alte und das Neue Testament erzählen immer wieder, als sei es eine Selbstverständlichkeit, von der Opferung des Kindes, bis hin zu Jesus von Nazareth, der sich freiwillig ans Kreuz schlagen lässt, weil dies “der Vater im Himmel” ausdrücklich wünscht. Dann, so suggeriert die Bibel, kann “das Reich Gottes auf Erden” kommen, nicht heute, nicht morgen, irgendwann aber doch. Darin ist allerdings auch die Botschaft verborgen, erst, wenn du deine Existenz den Eltern opferst, darfst du leben, wirst du das Paradies erlangen. Schon den Anfängen unserer Kultur liegt somit eine zutiefst lebensfeindliche und widersinnige Aussage zugrunde, die nicht durchschaut werden darf.
Aber nicht nur die Drohung “wehe dir, wenn du die Eltern nicht lieben kannst” ist nach wie vor gültig, vielmehr wird ganz selbstverständlich vorausgesetzt und nicht in Frage gestellt, dass der Erwachsene die einst misshandelnden und missbrauchenden Eltern liebt, weil jedes Kind tatsächlich so fühlt.
Alice Miller stellt im zweiten Teil ihres Buches eine im Grunde einfache Frage: Ist es wirklich Liebe, was der Erwachsene für die Eltern, die ihm Schaden zugefügt haben, empfindet? Was ist es, das wir so oft Liebe für die Eltern nennen? Sie beschreibt unter anderem, wie Menschen mit schweren Symptomen Therapien aufsuchen; manche haben einige gescheiterte Versuche hinter sich und brauchen dringend Hilfe. Nun haben sie endlich jemanden gefunden, der ihnen wenigstens für eine Stunde in der Woche ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt und ihnen erlaubt, ihre Gefühle und Erlebnisse zu artikulieren. Allein dadurch erfahren sie zunächst eine Erleichterung und sind den Therapeuten dankbar. In den verschiedenen Situationen der Begegnung mit den inzwischen alten, teils hilfsbedürftigen Eltern mögen viele Leserinnen und Leser Erfahrungen aus ihrem eigenen Leben wiedererkennen. Erneut brauchen die Eltern ihre erwachsenen Kinder auf vielfältige Art und Weise, deren Symptome sich verschlimmern, weil sie in der Therapie nicht danach gefragt werden, was sie wirklich den Eltern gegenüber fühlen, was sie tatsächlich brauchen und wollen. Kaum ein Therapeut sagt ihnen, dass sie den Eltern weder Mitleid noch Dankbarkeit schulden, von denen sie immerhin schwer misshandelt oder vernachlässigt wurden.
Ich musste daran denken, wie es mir selbst erging, als mein Vater, schwer krank, im Sterben lag. Immer dann, wenn meine Mutter sich an mir vergriffen hatte, saß er als schweigender Zeuge dabei und sah mich, nicht etwa meine Mutter mit verächtlichen Blicken an. Dann zog er es vor, den Raum zu verlassen. Entweder setzte er sich vor das Fernsehgerät oder er spazierte, besonders gerne im Frühjahr, durch den Garten, um das Gedeihen der Fliederbäume und Forsythien zu beobachten: Heil war die Welt im eigenen Haus nebst großem Garten, was interessierte ihn, dass ich in der Zwischenzeit beinahe vor die Hunde ging. Ich war ja bloß sein Sohn. Jetzt stand das Telefon in meiner Berliner Wohnung nicht mehr still, mein Bruder, meine Mutter, Verwandte forderten mich auf, zu meinem Vater zu kommen. Dies sei meine Pflicht als Sohn. In der Analyse sprach ich dann von meiner Zerrissenheit, dass ich nicht fahren wollte, weil dieser Mann mich immer im Stich gelassen hatte, dass ich aber auch starke Schuldgefühle empfand, ihm nicht zu helfen. Zugleich tauchte auch die Sehnsucht des kleinen Jungen nach dem Schutz und der Anerkennung des Vaters wieder auf. Dem sterbenden Vater, fand meine Therapeutin, kann man nichts mehr vorwerfen. Das macht man einfach nicht. Warum hat die Analytikerin mir nicht gesagt, dass ich meinen Vater nicht aufsuchen muss, wenn es mir unmöglich ist, ihm beizustehen, weil er mir nur Hass und Verachtung entgegengebracht und mich meiner Mutter buchstäblich zum Fraß vorgeworfen hat? Wäre es nicht eigentlich pervers, einem solchen Menschen zu helfen? Soll das Liebe sein? Was bin ich einem Vater schuldig, der mich ganz offenbar niemals geliebt hat?
Das Buch zeigt, wie sehr die gegenwärtigen Therapien von der Moral, dem Vierten Gebot vergiftet und durchseucht sind. Nahezu ausnahmslos wird vorausgesetzt, dass die Patienten den Eltern vergeben müssen, um, so wird ihnen versprochen, “inneren Frieden” zu finden, frei zu werden von den Folgen der Vergangenheit und unbelastet von erschreckenden starken Gefühlen der Wut oder der Verzweiflung. So versuchen Menschen unter Umständen lange, ihre Authentizität zugunsten der Ideologie der Vergebung zu unterdrücken, doch genau das macht sie krank. Auch die in modernen Therapien inzwischen häufig angebotenen Übungen, wie das Imaginieren positiver innerer Bilder, werden die Realität der Kindheit nicht verändern, sondern allenfalls für einige Zeit “erwünschte” Gefühle produzieren. Alice Miller macht darauf aufmerksam, wie gefährlich gerade solche Manipulationen sein können. Denn solange die Patienten diese Falle nicht durchschauen, wehrt sich ihr Körper mit Hilfe der Symptome. Wenn ein Mensch aber erkennt, was er heute wirklich braucht, zu den authentischen Bedürfnissen des Erwachsenen findet und zu seinen echten Gefühlen steht, kann der Körper die Sprache der Symptome langsam aufgeben, weil der Betreffende sich nun selbst versteht.
Ich hatte damals auf eine Art Glück, ich bin nicht zu meinem Vater gefahren und konnte die innere Zerrissenheit zwischen Sehsucht, Schuldgefühlen und Aufbegehren alleine tragen. Doch wie viele Umwege und Sackgassen hätte ich mir womöglich ersparen können, wenn in der Analyse die Frage gestellt worden wäre: Was fühlst und willst du wirklich? Sind Mitleid und Erwartungen Liebe? Wofür bist du dankbar? Für die Lieblosigkeit und die Gewalt? Warum empfindest du Mitleid mit dem Vater, der dich hasste, und nicht mit dem Kind, das du gewesen bist? Doch die Analytikerin fügte sich gehorsam in die Moral, im übrigen auf meine Kosten.
Im Gegensatz zu fast allen mir bekannten Autoren, die sich mit den Schicksalen einst misshandelter Menschen beschäftigen, verspricht Alice Miller nichts, schon gar kein Paradies, und erteilt keine guten Ratschläge, sie vermittelt die Botschaft: Wir müssen überhaupt nichts, wir dürfen aber alle unsere Gefühle wahrnehmen und artikulieren, nach unseren echten Bedürfnissen fragen und diesen gemäss leben.

Das in einem fiktiven Tagebuch dargestellte Hungern der jungen Frau Anita Fink macht schließlich deutlich, wie ein Mensch leidet, wenn er die Nahrung, die Angebote der Eltern, der Gesellschaft, der Ärzte und Therapeuten nicht gebrauchen kann, weil sie ihm nicht entsprechen. Ich habe mich gefragt, wie viele Menschen davon betroffen sind, dass ihre echten Bedürfnisse von Beginn ihres Lebens an niemals beantwortet wurden. Vielleicht wurden sie weder geschlagen noch sexuell ausgebeutet, womöglich leiden sie auch nicht unter Anorexie wie Anita Fink, aber sie spüren, dass ihnen etwas fehlt und können doch nicht wissen, was sie brauchen, weil sie es niemals kennen gelernt haben. So verlieren sie die Lust auf das Leben. Wenn sie erkennen dürfen, wonach sie hungern, was ihnen so sehr fehlt, wenn sie erleben, dass sie ihre Bedürfnisse vor allem nach echter Kommunikation nicht verleugnen müssen, gewinnen sie in sich selbst einen Halt, der es ihnen immer wieder ermöglichen wird, verlogene Ideologien und Heilslehren auch in der Psychotherapie, destruktive Strukturen und Botschaften zu durchschauen und sich von Menschen zu trennen, die ihnen Schaden zufügen. So wird auch das Symptom der Depression überflüssig, die nur dann wieder auftaucht, wenn die authentischen Bedürfnisse ignoriert werden.
Dieser Halt, den ein Mensch an sich und in sich selbst hat, ist etwas ganz anderes als die scheinbare Geborgenheit in der Moral, die jede authentische Unruhe und Auflehnung befrieden will. Im Gegensatz zum Kind braucht der Erwachsene die Liebe der einst misshandelnden Eltern nicht mehr, um überleben zu können. Ihm wird nichts genommen, er verliert allerdings in einem durchaus schmerzhaften Prozess seine Illusionen. Mit der Zeit kann er dadurch lernen, für sich zu sorgen, indem er sich immer wieder von den Signalen des Körpers leiten lässt. Er kann versuchen, Menschen zu finden, die seine Liebe, seine Zuneigung viel mehr verdienen, oder wird die Erfahrung machen, dass er über die Fähigkeit verfügt, Zeiten der Einsamkeit zu tragen. Dann muss sich ein Mensch weder in das Hungern flüchten noch in dessen Kehrseite: die Esssucht oder den Konsum von Drogen. Dies ist keine Anleitung zum Glücklich-Sein, es geht vielmehr darum, mit dem Bewusstsein der eigenen Geschichte, in engem Kontakt mit dem Kind, das wir einmal waren, zu leben.

Wer sich heute gegen die Moral ausspricht, läuft in Gefahr mit den Anhängern der Spaßgesellschaft verwechselt zu werden, die sich damit brüstet, an keinerlei Werte gebunden zu sein.
Doch stellt sich heraus, dass auch einer Gesellschaft, die ganz offenbar bankrott ist, die vielleicht deshalb den Spott über echtes Leiden und das ewige hysterische Gelächter zur Pflicht erhoben hat, sehr wohl lebensbejahende, nicht destruktive Werte entgegengesetzt werden können: Authentizität, echte Kommunikation und das Vermögen, zu sich selbst, zur eigenen Geschichte und den eigenen Bedürfnissen zu stehen.
Die Revolte des Körpers ist deshalb auch ein Buch gegen den “Zeitgeist”, die herrschenden “Trends” und erscheint am 10. März im Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main.