Abbruch der Schweigemauer
Auszug
Adolf Hitler – Von Seelenmorden an Kindern zur Vernichtung
ganzer Völker
„Was für ein Glück für die Regierenden, daß die Menschen nicht denken.“
(Adolf Hitler, zitiert nach Joachim Fest, Hitler, 1973)
Kann man sich im heutigen Deutschland immer noch der Einsicht entziehen,
daß es ohne Kindesmißhandlungen, ohne Erziehung zum blinden
Gehorsam mit Hilfe von Gewalt keinen Hitler und keine Hitler-Anhänger
gegeben hätte? Also auch keine Millionen von Ermordeten? Vermutlich
hat sich jeder denkende Mensch der Nachkriegszeit einmal die Frage gestellt:
Wie konnte es dazu kommen, daß sich ein Mensch eine gigantische
Todesmaschinerie ausgedacht hat und Millionen Helfer fand, um sie in Gang
zu setzen?
Das Monster Adolf Hitler, der millionenfache Mörder, der Meister
der Zerstörung und des organisierten Irrsinns, ist nämlich nicht
als Monster auf die Welt gekommen. Er wurde weder vom Teufel auf die Erde
geschickt, wie die meisten meinen, noch wurde er vom Himmel gesandt, um
in Deutschland „Ordnung zu schaffen“, dem Land Autobahnen zu
schenken und es von der Wirtschaftskrise zu erlösen, wie mancher
heute noch denkt. Er wurde auch nicht mit „destruktiven Trieben“
geboren, weil es die gar nicht gibt. Unser biologischer Auftrag heißt,
Leben zu erhalten und nicht zu zerstören. Die Destruktivität
eines Menschen ist ihm niemals angeboren, die vererbten Anlagen sind weder
gut noch böse. Wie sie eingesetzt werden, hängt vom Charakter
ab, der sich im Leben bildet und dessen Art durch individuelle Erfahrungen,
vor allem in Kindheit und Jugend, und die späteren Entscheidungen
des Erwachsenen bestimmt wird.
Hitler kam, wie jedes Kind, unschuldig zur Welt, wurde von seinen Eltern,
wie viele Kinder damals, destruktiv erzogen, und später hat er sich
selbst zum Monster gemacht. Er war Überlebender einer Vernichtungsmaschinerie,
die im Deutschland der Jahrhundertwende „Erziehung“ genannt
wurde und die ich als das verborgene KZ der Kindheit bezeichne, das nie
erkannt werden darf.
Wie dieses verborgene Grauen in seinem Reich zum manifesten Grauen wurde,
habe ich sehr genau in meinem Buch Am Anfang
war Erziehung und in meinen anderen Büchern, zum Beispiel
in Das verbannte Wissen und Der
gemiedene Schlüssel, beschrieben. Dort findet sich auch die
genaue Beweisführung für all das, was ich auf den folgenden
Seiten lediglich skizzieren will.
Jedes mißhandelte Kind muß erlittene Mißhandlungen,
Verwahrlosungen und Verwirrungen total verdrängen, um nicht zu sterben,
weil der kindliche Organismus das Ausmaß dieser Schmerzen nicht
verkraften könnte. Erst dem Erwachsenen eröffnen sich andere
Möglichkeiten, mit seinen Gefühlen umzugehen. Wenn er diese
Möglichkeiten nicht nutzt, kann sich die einst lebensrettende Funktion
der Verdrängung in eine gefährliche, zerstörerische und
selbstzerstörerische Macht verwandeln. In Karrieren von Despoten,
wie denen Hitlers und Stalins, können die einst unterdrückten
Rachephantasien zu destruktiven Aktionen von unbeschreiblichem Ausmaß
führen. Dieses Phänomen kommt im gesamten Tierreich nicht vor,
weil kein Tier als Junges von seinen Eltern zur perfekten Verleugnung
seines Wesens dressiert wird, um ein „anständiges Tier“
zu werden. So zerstörerisch agieren nur Menschen. Kindheitsbeschreibungen
von NS-Verbrechern, aber auch von Freiwilligen des Vietnamkrieges haben
bestätigt, daß die ahnungslose Programmierung zur Destruktivität
immer mit einer brutalen Erziehung zu
unbedingtem Gehorsam und der totalen Mißachtung des Kindes begann.
Der Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß zum Beispiel hat seine
Kindheit selber treffend charakterisiert, allerdings, ohne in ihr die
Wurzeln seiner Unmenschlichkeit zu sehen (vgl. R. Höß, Kommandant
in Auschwitz, München 1963):
„Ganz besonders wurde ich immer darauf hingewiesen,
daß ich Wünsche oder Anordnungen der Eltern, der Lehrer, Pfarrer
usw., ja aller Erwachsenen bis zum Dienstpersonal unverzüglich durchzuführen
bzw. zu befolgen hätte und mich durch nichts davon abhalten lassen
dürfe. Was diese sagten, sei immer richtig. Diese Erziehungsgrundsätze
sind mir in Fleisch und Blut übergegangen.“
Kindliche Regungen, Empfindungen und Gefühle zu unterdrücken,
ist Mord an der Seele des Kindes. Das Töten hat Höß als
Junge früh an sich selber erfahren und gründlich gelernt. Er
wartete nur etwa dreißig Jahre lang, bis das Regime ihm Gelegenheit
bot, das Erlernte nun seinerseits anzuwenden.
Genauso funktionierten Tausende seiner Zeitgenossen. Anstatt das verbrecherische
Tun der Eltern aufzuzeigen und zu verurteilen, hatte man es durchwegs
gelobt und verteidigt. Wenn das Bewußtsein über die Absurdität
und Gefährlichkeit brutaler Erziehung schon bestanden hätte,
wären keine Monster wie Höß möglich gewesen. Die
Bereitschaft zum blinden Gehorsam und die Nachfrage nach einem Mann wie
Hitler wären dann in Deutschland einfach nicht vorhanden gewesen.
Die jungen Menschen in Mittel- und Osteuropa, die Ende der achtziger Jahre
auf die Straße gingen, um gegen die Lügen ihrer Regierungen
zu protestieren und mehr Freiheit zu verlangen, haben in ihrer Kindheit
zweifellos Alternativen zum blinden Gehorsam und zur Heuchelei kennengelernt.
Das bewiesen sie bereits durch die Tatsache, daß sie fähig
waren, für ihre Rechte einzustehen, ohne ihrer Sache durch blinde,
unkontrollierte Destruktivität zu schaden, wie es die Terroristen
der sechziger Jahre taten, deren Erziehung vollständig vom Geist
der „Schwarzen Pädagogik“ durchdrungen gewesen war. Für
ihre angeblich menschenfreundlichen Ziele hatten diese, wie einst ihre
Eltern, brutale Gewalt als Mittel gewählt. Die demonstrierenden Jugendlichen
der achtziger Jahre waren in der Lage, den Terror des Stalinismus, dessen
Lebensfeindlichkeit, Verlogenheit und Hohlheit zu entlarven – all das,
mit dem sich ihre Eltern und Großeltern noch so gut arrangierten
-, weil sie als Kinder etwas mehr Freiheit und Ehrlichkeit kennenlernen
durften als die ältere Generation. Um unter Unfreiheit bewußt
zu leiden, muß man einen Begriff davon haben, was Freiheit und Achtung
des Lebens eigentlich sind.
Wer dies niemals erfahren hat, wer als Kind nur extreme Gewalt, Brutalität
und Heuchelei kannte und ihr ausgeliefert war, ohne je einem einzigen
„helfenden Zeugen“ begegnet zu sein, demonstriert nicht für
die Freiheit. Der fordert Ordnung mit Hilfe von Gewalt, genauso wie er
als Kind gelernt hat: Ordnung und Sauberkeit müssen sein, um jeden
Preis, vor allem um den Preis des Lebens. Die Opfer einer solchen Erziehung
brennen darauf, mit anderen zu tun, was ihnen einst selbst widerfahren
ist. Und wenn sie keine Kinder haben oder wenn sich diese ihrer Rache
entziehen, marschieren sie für neue Formen des Faschismus. Der Faschismus
hat im Grunde immer dasselbe Ziel: Wahrheit und Freiheit zu vernichten.
Die als Kinder Mißhandelten, die diese Qualen durchweg verleugnen,
benutzen jeweils zeitgemäße Etiketten und Parolen und stoßen
damit bei ihresgleichen auf Zustimmung, weil sie dazu beitragen, auch
die Wahrheit der anderen zuzudecken. Die perverse Lust an der Vernichtung
von Leben, die sie als junge Menschen an ihren Eltern beobachtet haben,
brennt in ihnen. Sie sehnen sich seit langem danach, auf der anderen Seite
zu stehen, Macht zu besitzen und dies – wie Stalin, Hitler, Ceausescu
und andere es getan haben – als Erlösung für andere auszugeben.
Diese alte Sehnsucht aus der Kindheit bestimmt ihre politischen „Meinungen“
und Reden, die deshalb politischen Gegenargumenten kaum zugänglich
sind. Vernunft muß gegen solchen Verfolgungswahn machtlos bleiben,
solange sie dessen Wurzeln, die in realen Bedrohungen aus der Kinderzeit
liegen, verkennt oder sie ignoriert. Der unbewußte
Zwang, verdrängte Verletzungen zu rächen, ist stärker als
jede Vernunft. Einsicht in Argumente ist von einem Verirrten, der
aus permanenter Panik handelt, nicht zu erwarten. Aber man muß sich
vor ihm schützen.
Es ist der Zugang zur Wahrheit, der uns ermöglichen wird, diese Menschen,
die sich nach der „Ordnung“ durch Gewalt sehnen, daran zu hindern,
ihre zerstörerischen Pläne auszuführen. Sobald die Gesellschaft
das bereits bestehende und nachgewiesene Wissen über die Produktion
von Brutalität, Gewalt und Menschenmißachtung in der Kindheit
nicht mehr leugnet und deren Gefahren nicht mehr bagatellisiert, hat der
Faschismus ausgespielt, dann hat er in dieser Gesellschaft keine Chancen
mehr.
Es genügt nicht, den Stalinismus oder den Nationalsozialismus als
Lügen zu entlarven. Solange nicht erkannt wird, welchen Umständen
sie ihre Erfolge verdankten, können diese oder ähnliche Lügen
mit dem jeweiligen Zeitgeist angepaßten Verbrämungen weiterleben
oder neu aufleben, weil der Faschismus eine Haltung ist, die die verborgene
Geschichte der Zerstörung an die Oberfläche schwemmt.
In seinem Wesen wird er weder von ökonomischen noch von politischen
Verhältnissen bestimmt. Lange wurde der Erfolg Hitlers mit der katastrophalen
Wirtschaftslage der Weimarer Republik „erklärt“. Träfe
dies zu, wäre es ganz unverständlich, daß so viele Sowjetbürger
trotz größter ökonomischer Not Gorbatschows Politik begrüßten
und sagten: „Endlich, endlich dürfen wir die Wahrheit sagen
und sehen. Das läßt sich mit keinem Geld bezahlen, das kann
man nicht kaufen, aber ohne die Wahrheit kann man auf Dauer nicht leben.
Sie ist wie Luft, die man zum Atmen braucht.“
Es genügt nicht, die Oberfläche zu sehen und sie zu beschreiben.
Die Produktion der paranoiden Verwirrungen
in der Kindheit muß erkannt und unmöglich gemacht werden. Eine
klare Gesetzgebung, die die Kindesmißhandlungen eindeutig als Verbrechen
verurteilt, wäre ein entschiedener Schritt zur Prophylaxe (vgl. unten,
Kapitel III,2.).
Der Zugang zur Wahrheit unserer eigenen Geschichte läßt uns
auch klar erkennen, daß das, was einige destruktive und verwirrte
Menschen verwirklichen wollen – mag es für viele mit ähnlichem
Schicksal noch so verführerisch klingen -, im Grunde nichts anderes
ist als die Hölle, der sie einst selbst entkommen sind: die Hölle
des Zynismus, der Arroganz, Brutalität, Zerstörungswut und Dummheit.
Sie sind dieser Hölle dank ihrer Verleugnung entkommen, mit dem brennenden
Wunsch, endlich Rache dafür zu üben.
Kann man nicht mit diesen Menschen sprechen? Ich meine, daß man
es auf jeden Fall immer wieder versuchen muß, weil es möglich,
ja sogar wahrscheinlich ist, daß man ihnen mit diesem Versuch zum
erstenmal die Chance gibt, einem „wissenden Zeugen“ zu begegnen.
Wie sie mit dieser Begegnung umgehen, entzieht sich unserem Einfluß,
aber zumindest diese Chance sollten wir nutzen. Das Leben ist sie ihnen
schuldig geblieben, und das gilt vermutlich auch für alle Insassen
von Gefängnissen. Man müßte versuchen, ihnen zu zeigen,
daß sie das Recht auf Achtung, Liebe und Entfaltung in der Kindheit
gehabt hätten und daß man ihnen dieses Recht verweigerte; daß
ihnen dies aber trotzdem nicht das Recht gibt, das Leben anderer zu zerstören,
und daß dieses Zerstören eine Sackgasse ist. Auch der Haß
Adolf Hitlers, sein Hunger nach Rache, ist an den Millionen von Leichen
nicht satt geworden. Man muß zeigen, daß das, was man ihnen
in der Kindheit als Erziehung verkaufte, eine verlogene und schwachsinnige
Ideologie war, an die sie glauben mußten, um zu überleben,
und die sie nun auf der politischen Ebene weiterverkaufen wollen. Und
man muß ihnen zeigen, daß die, die sie betrogen haben, die
ihr Elend, ihren Hunger nach Macht und Zerstörung verursacht haben,
keine Türken, keine Juden, keine Araber und keine Zigeuner waren,
sondern die eigenen Eltern, saubere, ordentliche Bürger, fromme,
angesehene, brave Kirchgänger.
Wir wissen nicht, wie viele dieser Söhne und Töchter, wie viele
der jungen Neo-Faschisten oder kriminellen Gewalttäter für ein
Gespräch noch offen sind. Aber wenn wir uns vorstellen, daß
sie in unserer Gesellschaft gewöhnlich kaum jemals einem Menschen
begegnen, der sie über diese schreckliche Wahrheit aufklärt,
dann ist es denkbar, daß der eine oder andere innehält und
aufhorcht. Es kann sein, daß ihm die Evidenz der Fakten, die er
ja aus seiner Kindheit kennt, aber nie im Zusammenhang sehen durfte, unmittelbar
einleuchtet. Besonders wenn er nicht jahrelang an Universitäten gelernt
hat, sie zu leugnen oder zu verschleiern.
Die Gefahr geht nicht von einzelnen Menschen aus, auch wenn sie kriminell
sind; die Gefahr liegt vielmehr in der Ignoranz der ganzen Gesellschaft,
die diese Menschen in den Lügen,
an die sie in der Kindheit glauben mußten, bestätigt.
Die angesehenen Vertreter der Gesellschaft, Lehrer, Juristen, Ärzte,
Sozialarbeiter, Priester, schützen die Eltern vor jedem Vorwurf des
mißhandelten Kindes und halten die Wahrheit über Kindesmißhandlungen
im verborgenen.
Doch gerade mit Hilfe der uneingeschränkten Wahrheit über Kindesmißhandlungen,
die neue Mißhandlungen bewirken, könnte man drohende Gefahren
abwenden. Man könnte unter anderem sicherstellen, daß schwer
mißhandelte Kinder, die sich aus diesem Grund zu paranoiden Schwerverbrechern
entwickelten, niemals zu Führern ganzer Nationen werden und niemals
die Macht bekommen, Millionen zu beherrschen und sie zu zerstören.
Zur Zeit Neros war es noch ein unabwendbares Schicksal, unter der Tyrannei
des einzelnen leben zu müssen, aber in Zeiten der Demokratie, wie
unvollkommen sie auch sein mag, liegt dieses Schicksal in den Händen
der Wähler. Sie können sich für die Blindheit oder für
die Wahrheit der Fakten entscheiden. Wer für die Wahrheit optiert,
wird sich nicht Menschen ausliefern, die ihm durch Zerstörung anderer
das Heil versprechen. Denn er wird wissen, daß dieser Hunger nach
Zerstörung kein primäres menschliches Bedürfnis ist, das
einmal befriedigt werden kann, sondern eine permanente und pervertierte
Suche nach Rache, die letztlich auch die Wähler eines solchen Tyrannen
selber treffen würde, wenn sie den Mut zur Wahrheit nicht rechtzeitig
finden.
Ich kenne kein Beispiel, das ähnlich gut dokumentiert wäre und
uns die Konsequenzen der Seelenmorde an Kindern – eine davon ist die daraus
entstandene kollektive Blindheit – deutlicher vor Augen führen würde
wie der verhängnisvolle Erfolg Hitlers.
Hitler erzählte seiner Sekretärin bei einer Gelegenheit, wie
er es geschafft hatte, während einer der üblichen Auspeitschungen
durch seinen Vater nicht mehr zu weinen, nichts dabei zu empfinden und
die zweiunddreißig Schläge sogar zu zählen (vgl. John
Toland, Adolf Hitler, Bergisch-Gladbach
1977, S. 30). Auf diese Weise, durch die vollständige Verleugnung
der Schmerzen, der Ohnmachtgefühle und der Verzweiflung – und das
heißt: durch die Leugnung der Wahrheit -, hat sich Hitler zum Meister
der Gewalt und Menschenverachtung stilisiert. Das Ergebnis war ein Mensch,
der unfähig zur empathischen Differenzierung gegenüber anderen
Menschen war. Er war erbarmungslos und ständig zur Destruktion getrieben.
Die latent gebliebenen Gefühle von Haß und Rachsucht trieben
ihn zu immer neuen Aktionen. Nachdem Millionen durch diese Aktionen hatten
sterben müssen, verfolgten ihn seine Gefühle im Schlaf. Hermann
Rauschning berichtet über nächtliche Schreikrämpfe des
Führers, verbunden mit „unverständlichem Zählen“,
dessen Ursprünge ich in Bestrafungsritualen seiner Kindheit sehe
(vgl. Am Anfang war Erziehung, S. 204
f.).
Hitler hat den Faschismus nicht erfunden, er hat ihn, wie so viele seiner
Zeitgenossen, im totalitären Regime seiner Familie vorgefunden. Die
nationalsozialistische Ausprägung des Faschismus trägt zweifellos
deutliche Spuren der Hitlerschen Kindheit. Doch mit dieser Kindheit bildete
er keineswegs eine Ausnahme. Daher konnten weder Gerhart Hauptmann noch
Martin Heidegger, noch so viele andere berühmte Intellektuelle Hitlers
Irrsinn durchschauen. Um dazu in der Lage zu sein, hätten sie den
Irrsinn ihrer eigenen Erziehung durchschauen müssen.
Adolf Hitler bekam die Möglichkeit, Europa und die Welt zum Schlachtfeld
seiner Kindheit zu machen, weil es im damaligen Deutschland Millionen
Menschen gab, die in der Kindheit ähnliches erfahren hatten. Die
folgenden Prinzipien waren für sie, wenn auch nicht unbedingt bewußt,
so doch selbstverständlich:
- Nicht das Leben, sondern Ordnung und Gehorsam sind die höchsten
Werte. - Nur mit Gewalt läßt sich Ordnung schaffen und aufrechterhalten.
- Kreativität (verkörpert im Kind) ist eine Gefahr für
den Erwachsenen und muß zerstört werden. - Dem Vater absolut zu gehorchen ist das höchste Gesetz.
- Ungehorsam und Kritik sind undenkbar, weil sie mit Züchtigung
oder Todesdrohung bestraft werden. - Das lebendige, vitale Kind muß so früh wie möglich
zum gehorsamen Roboter, zum Sklaven kultiviert werden. - Die unerwünschten Gefühle und wahren Bedürfnisse müssen
daher aufs entschiedenste unterdrückt werden. - Die Mutter nimmt das Kind vor den Strafaktionen des Vaters nie in Schutz,
sondern predigt ihm nach der jeweils geschehenen Folter Ehrerbietung und
Liebe zu den Eltern.
Glücklicherweise gab es hie und da Menschen, bei denen das Kind
vor diesem totalitären Regime Zuflucht fand, vielleicht sogar Liebe,
Achtung und Schutz erleben durfte. Aufgrund dieser guten Erfahrung – schon
durch den bloßen Vergleich – konnte es die erlittene Grausamkeit
zumindest innerlich verurteilen und gar nicht den Wunsch entwickeln, später
selber andere zu quälen. Aber wenn diese rettenden Zeugen gänzlich
fehlten, blieb dem Kind nichts anderes übrig, als jeden natürlichen
Reflex, wie Zorn oder gar Lachen, in diesem bizarren Szenario zu unterbinden
und täglich absoluten Gehorsam zu üben. Nur so konnte es die
Bedrohlichkeit des Vaters in erträglichen Grenzen halten. Diese frühe
Charakterschulung hat Hitler später ausgebeutet. In fast deckungsgleicher
Anlehnung an das Erziehungssystem, das er am eigenen Leib erlebt hatte,
entwickelte er nun seine NS-Ideologie, die in der Praxis folgende Konsequenzen
hatte:
- Der Wille des Führers ist das höchste Gesetz.
- Der Führer wird mit Gewalt Ordnung schaffen und Deutschland zum
Paradies der Arier, der Herrenrasse, machen. - Wer sich seinen Befehlen wie ein Roboter unterordnet, wird belohnt.
- Wer Kritik wagt, muß ins KZ.
- Juden und Zigeuner müssen vernichtet werden, Männer, Frauen
und Kinder. - Polen und Russen sollten zu brauchbaren Sklaven werden.
- Behinderte und Geisteskranke sollten ebenfalls umgebracht werden.
- Die freie Kunst ist gefährlich, „entartet“, und muß,
wie auch sonst jede Form von freier Kreativität, verfolgt werden.
Ohne die zahlreichen Dokumentarfilme, die den Jubel der Massen bezeugen,
würde heute niemand glauben, daß ein Verirrter mit dieser menschenverachtenden
Ideologie soviel Begeisterung auslösen konnte. Wie war es nur möglich,
daß Hitler eine derartig große Gefolgschaft fand? Indem er
dem Volk die Lösung aller Probleme versprach und ihm den Sündenbock
anbot? Gewiß. Aber das alleine hätte nicht genügt, damit
sich unzählige Menschen als Marionetten gebrauchen ließen.
Diese Versprechen mußten im Stil des herrschsüchtigen, gewalttätigen
Vaters gegeben werden, den die meisten kannten, den sie fürchteten
und bewunderten. Bei solchen Vätern haben die Diktatoren als Kinder
gelernt: Ich schlage dich fast tot – zu deinem besten. Viele trieben ihre
Völker in ein Kriegselend und hielten sich für ihre Erlöser.
Aus der Geschichte der Menschenopfer und des Kannibalismus bis zurück
zu den Azteken kann man lernen, wie verschiedene Religionen Menschenopfer
geheiligt haben, um die Verbrechen der Eltern an ihren Kindern zu beschönigen.
Wer diese Geschichte mit wachen Augen liest, stößt immer wieder
auf das gleiche Muster: „Wenn ich anderen antue, was mir einst widerfuhr,
brauche ich nicht zu spüren, wie sehr mich die Erinnerung schmerzen
müßte. Wenn ich alles gut ideologisch oder religiös verpacke
und all die Lügen erzähle, an die meine Umgebung zu glauben
gelernt hat, werden mir viele folgen. Wenn ich auch noch – wie Hitler
– schauspielerische Begabung dafür einsetze und die Allüren
des bedrohlichen Vaters angenommen habe, dem fast jeder in den Tagen der
Kindheit blind alles glaubte und den jeder fürchtete, dann kann ich
unzählige Helfer für jedes erdenkliche Verbrechen finden, und
je absurder es ist, desto leichter.“ Das hat das Milgram-Experiment
zur Genüge bewiesen. Denn viele Erwachsene, einst gehorsame Kinder,
warten auf eine legalisierte Abfuhr ihrer vor Jahrzehnten unterdrückten
Wut. In der Mißhandlung eigener Kinder, die „Erziehung“
genannt wird, oder in Kriegen und Völkermorden bietet ihnen die Gesellschaft
diese Abfuhr und die entsprechende kulturspezifische Rechtfertigung.
Nicht zuletzt anhand der neuesten Geschichte sind mir die Gefahren
unserer herkömmlichen Moral bewußt geworden. Wir werden
angehalten, unsere Eltern zu ehren und sie nie in Frage zu stellen, was
auch immer sie getan haben. Wenn ich aber realisiere, daß Millionen
von Menschen sterben mußten, damit Adolf Hitler seine Verdrängung
aufrechterhalten konnte, daß Millionen in Lagern gedemütigt
und ermordet wurden, damit er nie hat spüren müssen, wie er
einst gedemütigt wurde, dann meine ich, daß man diese Zusammenhänge
nicht deutlich und nicht häufig genug aufzeigen kann, um diese ahnungslose
Produktion des Bösen sichtbar zu machen. Wie sollten junge Menschen
Unmenschlichkeit und Verbrechen erkennen und verurteilen, wenn diese,
wie zum Beispiel die medizinischen Experimente mit Menschen, weiter verschleiert
werden, anstatt daß sie so klar wie nur irgendwie möglich gezeigt
werden?
Wenn die Taten der großen und kleinen Mengeles nicht fünfzig
Jahre lang hinter dicken Schweigemauern geschützt worden wären,
wären ähnliche Phänomene heute viel schneller erkennbar.
Leider profitieren nur wenige von diesen Erkenntnissen. Daher ist es heute
immer noch möglich, sich auf die Freiheit der Forschung zu berufen
und, ohne Empörung in der Öffentlichkeit hervorzurufen, grausame
Versuche an wehrlosen Menschen angeblich zum „Wohle der Menschheit“
durchzuführen.
Nur wenn die Jugend genau wissen darf, was geschah und warum es geschehen
konnte, wenn sie sich von dieser Neugier durch nichts mehr abhalten läßt
und die Wahrheit nicht fürchtet, kann sie sich von der Last befreien,
die ihr die Blindheit der Vorfahren aufgebürdet hat.
Tausende von Historikern haben bereits die Frage gewälzt (und werden
vermutlich nicht aufhören, sie weiterzuwälzen), wie der erwachsene
Adolf Hitler in der Weimarer Republik zum Reichskanzler werden konnte.
Doch nur ein Mann, der schwedische Dichter Niklas Radström hat in
seinem Stück Hitler’s Childhood etwas
getan, was meines Wissens bisher kein anderer Dichter gewagt hat: Er hat
sich entschlossen, sich ganz konsequent und bewußt auf die Seite
eines schwer mißhandelten Kindes zu stellen, von dorther sein Visier
auf unsere erwachsene Gesellschaft zu richten und zu sehen, was dabei
zum Vorschein kommt. Und es kommt tatsächlich vieles zum Vorschein.
Auch wenn er sich auf meine Untersuchung gestützt hat – ohne die
eigene Einfühlung in das Kind wäre ihm niemals dieser starke
Text gelungen. Es ist leider so: Die Beschäftigung mit der Kindheit
macht uns angst. Sie ist gewiß nicht jedermanns Sache, und wir können
froh sein, wenn andere diese emotionale und geistige Arbeit für uns
tun. Denn die Kenntnis der Kindheit ist unumgänglich, wenn man den
erwachsenen Menschen und das Leben wirklich verstehen will. Daß
Radström diesen entscheidenden Schritt zur Realität machen konnte
und auf unbrauchbare Theorien bewußt verzichtete, halte ich für
ein wichtige Ereignis, nicht nur in der Theatergeschichte. Die Perspektive
des Kindes, die auf der Bühne gezeigt wird, kann nämlich zur
Vertiefung unseres Wissens und Denkens, auch auf politischem Gebiet, beitragen.
Hätte Adolf Hitler auch nur annähernd, nur in wenigen Augenblicken
die Erfahrung von freundlichen und netten Eltern gemacht, wäre er
nicht zum größten Verbrecher der Geschichte geworden. Er hätte
dann Gelegenheit gehabt, neben der Brutalität auch anderes, zum Beispiel
ein Mitgefühl für Mitmenschen, zu speichern. Aber diese Erfahrung
hat er nie gemacht. Das lese ich an der Ungebrochenheit seiner Haltung
ab – einer Haltung, die in der Vernichtungswut keine Ausnahmen und kein
Erbarmen kannte und die in der Ungeheuerlichkeit der „Endlösung“
und des „Euthanasiegesetzes“ zum Ausdruck kam. Er hatte nur
Gewalt, Erbarmungslosigkeit und Haß gespeichert. Diese totale, ungebrochene,
sehr früh gespeicherte Erfahrung, die Erfahrung des getretenen Hundes
bei den eigenen Eltern, hat das aus ihm gemacht, was er später schließlich
war: die totale Verkörperung des Bösen.
Was Radström durch seine Einfühlung in ein fremdes Schicksal
darzustellen versuchte, ergibt sich bei Manfred Bieler (Still
wie die Nacht, Memoiren eines Kindes, Hamburg 1989) aus der erlittenen
Wahrheit seines eigenen Schicksals. Er hat dem Kind, das er einst war,
die Hand gegeben und es durch die vergessenen Höllen begleitet. Er
hat die Konventionen der Erwachsenen abgeschüttelt, die dem Kind
das Recht auf seine Empfindungen und Gefühle absprechen, indem sie
sie verspotten, und er wurde dessen „wissender Zeuge“. Er konnte
dies tun, weil er eine Großmutter hatte, die ihn manchmal vor den
Eltern in Schutz nahm, also ein „helfender Zeuge“ war. Als der
kleine Manfred Bieler von seinem Vater mißhandelt wurde, hat die
Großmutter einmal ihrerseits den Vater geschlagen. Damit zeigte
sie dem Kind, daß ihm ein Unrecht geschah, daß dies von einem
anderen Erwachsenen verurteilt wurde, daß es nicht vollkommen rechtlos
war und Hoffnung auf Hilfe haben könne. Viele mißhandelte Kinder
haben dies nie erfahren und wissen daher nicht, daß sie Hilfe verdient
und auch bekommen hätten, wenn jemand in ihrer Umgebung weniger herzlos
und ignorant gewesen wäre. Die Großmutter Bielers zeigte ihm
durch ihre Zuneigung auch, daß er liebenswert war. All das hat Manfred
Bieler ermöglicht, sich mit den Schmerzen seiner Kindheit zu konfrontieren,
diese nicht vollständig zu leugnen und darüber zu berichten.
Menschen, die keine „helfenden Zeugen“ in der Kindheit hatten,
könnten das nicht. Sie benötigten einen „wissenden Zeugen“
in der Therapie, der ihnen den Zugang zu ihrer Geschichte erleichtern
würde. Leider bringen einige Therapien die Geschichte des Kindes
endgültig zum Verstummen.
Manche Reaktionen auf Bielers Buch spiegeln den Zynismus wider, mit dem
Seelenmorde an Kindern begangen werden. Kritiker, die sich für „zuständig“
halten, begegnen diesem Buch mit dem gleichen Spott, mit dem manche Eltern
den Worten des Kindes seit jeher begegnen. Wenn diese Kritiker eine lebendige
Erinnerung daran hätten, daß ihnen ähnliches widerfahren
ist, hätten sie auch die nötige Sensibilität für die
Not anderer Kinder. Ihre Art, diese Not zu verleugnen, zu verspotten oder
zu bagatellisieren, ist die Folge ihrer eigenen Verdrängung.
Wir werden zweifellos noch viel Zeit brauchen, um die Sensibilität
für lebensfeindliche und lebenszerstörende Tendenzen zu entwickeln.
Doch ohne diese Sensibilität sind wir den blinden, zerstörerischen
Aktionen ausgeliefert, deren Gefahren man leicht unterschätzt, weil
sie als harmloses intellektuelles Spiel imponieren. Die Unterdrückung
der Wahrheit in verschiedenen Formen muß aufgezeigt werden, auch
damit die einst mißhandelten Menschen diese Unterdrückung,
die sie für normal halten, überhaupt als Unterdrückung
wahrnehmen.
Gerade aus der Kenntnis der Hitler-Geschichte ergibt sich eine Warnung
vor der Blindheit und die Aufforderung, diese endlich aufzugeben und gegen
die kollektive Verdrängung anzukämpfen. Das tue ich konsequent
in all meinen Büchern, um die Psychodynamik der Kindesmißhandlungen
und deren unermeßliche Gefahren für die Gesellschaft, wie Hitler
sie offenbarte, begreiflich zu machen. Auf keinen Fall bedeutet dieses
Begreifen ein Mitleid für einen Menschen, der so erbarmungslos wie
Hitler war.
Ich bin überzeugt, daß, sobald Hitlers Name kein Tabu mehr
ist, die Kenntnis seiner Kindheits- und Lebensgeschichte viel Wesentliches
zum Verständnis und zur Verhinderung ähnlicher „Katastrophen“
in Gegenwart und Zukunft beitragen kann.
Das größte Hindernis auf diesem langen Weg ist die Leugnung
der eigenen, einst erlittenen Kindesmißhandlungen und deren Abwehr
auf Kosten anderer: der Kinder, Untergebenen, Partner oder der Wähler.
Noch im Jahre 1987 hat sich mehr als die Hälfte der Eltern in der
Bundesrepublik für Schläge als geeignetes Erziehungsmittel ausgesprochen.
Dies trotz langjähriger Aufklärungsarbeit des Kinderschutzbundes.
Woher stammt diese hartnäckige Ahnungslosigkeit? Warum wissen diese
Eltern nicht, daß körperliche Gewalt und auch psychische „Schläge“
eine Erniedrigung und Mißhandlung der Kinder bedeuten, die sich,
früher oder später, offen oder verborgen in destruktiver Weise
Bahn brechen? Warum wissen sie nicht, daß sie mit ihrer nachweisbar
falschen Behauptung, das Schlagen von Kindern sei absolut notwendig und
vollkommen unschädlich, eine destruktive Tradition bejahen, erhalten
und fortsetzen? Sie wissen es nicht, weil sie aus eigener Erfahrung nur
diese Art von Erziehung kennen und früh lernen mußten, sie
als normal und unschädlich anzusehen. Gewalt ist in den Augen solcher
Eltern das einzig wirksame Korrektiv des kindlichen Verhaltens. Deshalb
konstruiert diese Elterngeneration komplizierte Theorien, um den Massenmord
im Dritten Reich und ihre eigene Passivität bzw. Mittäterschaft
zu erklären. Das scheint ihnen einfacher, als den Schmerz der eigenen
frühen Erniedrigungen als geschlagene Kinder zu spüren, der
ihnen den Schlüssel zum Merken geben könnte, zum Merken, das
ihre Kinder vor Mißhandlungen und sie selber vor der Blindheit als
Eltern und Wähler schützen würde. Wenn sie Politiker sind,
dann würde dieses Merken vielleicht ganze Nationen vor sinnlosen
Opfern und Kriegen bewahren.
Unzählige Menschen sind in konventionellen Kriegen gestorben, deren
Verantwortliche nicht wahrhaben wollten, daß sie destruktive Kräfte
in sich haben. Von diesen versuchten sie sich dauernd auf Kosten anderer
zu befreien, sie taten dies, um sich für alte, sehr persönliche
Verwundungen zu rächen. Im Angesicht der bloßen Möglichkeit
eines Nuklearkrieges können wir es uns eigentlich nicht leisten,
dieses Wissen noch länger zu ignorieren. Aber genau das tun wir immer
noch: Viele Fachleute und Beamte befassen sich täglich mit den Folgen
von Kindesmißhandlungen, ohne deren Ursachen sehen zu dürfen.
Auch die traurigste Kindheit spricht einen Verbrecher nicht von der Schuld
frei, die die Zerstörung von Leben bedeutet. Als Erwachsener hat
er die Möglichkeit, sich mit seiner Kindheit zu konfrontieren, das
damalige Grauen nicht zu leugnen, den einst verdrängten Haß
zu erleben und dessen Berechtigung zu verstehen. Der bewußt erlebte
Haß ist nur ein Gefühl, und Gefühle töten nicht.
Aber zerstörerische, blind gegen Ersatzpersonen gerichtete Aktionen
sind Taten, die Menschenleben kosten können und dem Täter anzulasten
sind.
Doch vielleicht werden schon unsere Enkel von sich sagen können:
Was für ein Glück, daß wir nicht geschlagen wurden wie
einst unsere Großeltern und heute deshalb viel klarer sehen können
als diese. Wären Schläge in der Kindheit wirklich harmlos, dann
wären die Menschen nicht blind für Hitlers Menschenverachtung
geworden, sie hätten sie gleich durchschaut und abgelehnt, wie unsere
Kinder es heute angesichts von Grausamkeiten sofort tun. Kinder, die sich
wehren dürfen, werden nicht destruktiv. Destruktivität – dieses
die Welt beherrschende Phänomen – ist also kein unabwendbares Schicksal.
Durch liebevolle Behandlung der Kinder könnte sie von der Welt verschwinden.
Der „Destruktionstrieb“ schlummert in den Opfern der Kindesmißhandlung,
die als Erwachsene nicht wissen wollen, was ihnen früher geschehen
ist. Wir haben doch kein Bedürfnis danach, unser wehrloses Kind zu
schlagen. Wir können uns das nicht einmal vorstellen, selbst dann
nicht, wenn wir einmal nervös und überreizt sind und deshalb
mit Ungeduld auf seine Fragen reagieren. Es gibt ja so viele andere Möglichkeiten,
mit Kindern produktiv, respektvoll und nicht zerstörerisch umzugehen.
Noch viel weniger als diese Rachebedürfnisse unseren Kindern gegenüber
können wir uns vorstellen, daß uns ein Monster wie Hitler hätte
faszinieren können. Menschen, die in ihrer Kindheit respektiert,
die nicht durch Mißhandlungen zu Robotern gedrillt worden sind,
werden niemals aus „Treue zum Führer“ sterben wollen oder
gegen jede Vernunft Tausende nach Stalingrad beordern, nur weil ein Verirrter
sich das ausgedacht hat.
Hitlers Generäle aber standen in seinem Hauptquartier vor ihm stramm,
und alle naheliegenden Einwände lösten sich in Angst und geistige
Lähmung oder gar in Begeisterung auf, wenn sie IHN (den Vater) reden
hörten. Diese politische Blindheit, die Millionen das Leben kostete,
beweist exakt, was unsere Großeltern noch so heftig bestritten:
daß nämlich in jedem Fall physische wie auch psychische Schläge
dem Kind nicht nur schaden, sondern es später aufs höchste gefährden,
das heißt für Destruktivität anfällig machen. Und
das gilt nicht nur für einzelne, sondern unter Umständen für
ganze Völker.
- Dein gerettetes Leben
- Bilder Meines Lebens
- Die Revolte des Körpers
- Evas Erwachen
- Wege des Lebens – Sieben Geschichten
- Das Drama des begabten Kindes, eine Um- und Fortschreibung
- Abbruch der Schweigemauer
- Der gemiedene Schlüssel
- Das verbannte Wissen
- Bilder einer Kindheit
- Du sollst nicht merken
- Am Anfang war Erziehung
- Das Drama des begabten Kindes