Alle Zweifel wie weggeblasen

Alle Zweifel wie weggeblasen
Thursday 06 August 2009

Liebe Alice Miller,

ich glaube ohne ihre Bücher hätte ich es nicht geschafft . Sie sind für mich, dank ihrer Bücher, seit Jahren der treue Begleiter, der immer und konsequent auf der Seite des Kindes steht und ihm Mut und Verständnis zuflüstert.

Als Kind und Jugendliche wurde ich gequält, geschlagen, gedemütigt….vor allem von meiner Mutter, aber auch mein Vater reagierte seinen Frauenhass mit sarkastischen Bemerkungen an mir ab.
Ich musste immer alles stillschweigend runterschlucken, meine Wut, meine Tränen, meine Schmerzen , meine Riesenangst….. und nett lächeln. Gefühle haben und zeigen war in unserer Familie unerwünscht . Nur meine Mutter hatte das Recht zu kritisieren, wütend zu sein, auszurasten und total hysterisch alle anderen ( meinen Vater, meine Schwester und mich ) anzubrüllen und zu verprügeln. Fünf Minuten später war es ihr dann doch peinlich und unangenehm so auszurasten und dann musste ich sie umarmen , ihre Entschuldigung annehmen und alles vergessen . ” Schwamm d’rüber ” war ihr Lieblingsspruch und so kaufte sie mein Schweigen.

Ich fühlte nur Ekel bei dieser Umarmung, verachtete ihr Tun, ihre Art …. traute mich aber nicht sie zu hassen und meine Wut und körperlichen Schmerzen fühlte ich schon seit langem nicht mehr.

Ein Leben lang haben meine eltern auf mir herumgehackt : ” Ich wäre ja so blöd, dickköpfig, sturr, egoistisch, undankbar, faul, frech, eingebildet, assozial, böse, hirnrissig, übergeschnappt, verrückt, ungeschickt….eine Versagerin, völlig durchgedreht, eine Zumutung, ein Miststück…..Und sie wären ja so aufopfernde, liebevolle, grosszügige eltern .”
Als Jugendliche wurde ich abweisend, unnahbar, stumm …… Das war meine einzige Chance nicht verrückt zu werden .

Der Kontaktabbruch mit diesen verlogenen, brutalen, grausamen Menschen vor 1 1/2 Jahren war für mich eine schwierige aber sehr notwendige Entscheidung. Mein Körper half mir sehr dabei. Nach dem letzten Besuch bei meinen Eltern im Sommer 2007 wurde ich wieder schwer krank : Polyarthritis. Meine gesamten Gelenke waren geschwollen, entzündet. Ich konnte mich kaum mehr bewegen. Die Schmerzen und Lämungen zwangen mich zu einer Pause.
Ich wollte wieder gesund werden, mich frei bewegen können, mich lebendig fühlen…….

Ich las nochmals all ihre Bücher . Es kam dann viel Wut hoch, Tränen….aber auch das seither mich nie mehr verlassende Gefühl: Ich bin auf dem richtigen Weg ! Genau so möchte ich mein Leben führen, mich frei fühlen, lebendig, wahrhaftig…. auf meinen Körper hören, seine Sprache ernst nehmen, meinen Wahrnehmungen trauen .

Nun bin ich wieder gesund, selbst wenn noch eine leichte Restentzündung am rechten Handgelenk mich daran erinnert, dass noch Einiges aufzudecken ist. Aber ich möchte wissen, immer mehr fühlen ….auch wenn mich manchmal noch die Angst überkommt, dass ich eventuell die ganze grausame Wahrheit nicht aushalten könnte.
Angst, immer wieder Angst vor Menschen, die kommt von meiner Angst vor dieser hysterischen, brutalen , grausamen Mutter , die mir böse Bicke zuwarf, mich anbrüllte und mich mit Gegenständen verprügelte……Angst sie würde würde wieder kommen und mich bestrafen und mich irgendwann , völlig ausser sich doch noch totschlagen .
Diese Angst ist immer noch da, auch wenn sie mittlerweilen geringer wurde.

Dank ihrer Bücher, die ich seit 10 Jahren immer wieder lese, habe ich es geshafft …. denn immer wieder kamen Zweifel hoch, immer wieder verlor ich den Mut mir zu trauen, meinen Wahrnehmungen und Gefühlen. Immer wieder entzog ich mir das Recht meine eltern zu hassen .
Diese Leute haben meine gesamte Gefülswelt verbogen, zerstört. Ich lebte ständig unter Stress. Gewalt und Psychoterror waren für mich normal.

Heutzutage bin ich froh ….endlich spüre ich meine Wut und fange auch an Schmerzen , Angst und Traurigkeit besser zu fühlen.
Und alle Zweifel sind wie weggeblasen. Mittlerweile kann mir keiner mehr weissmachen , dass ich meine eltern lieben muss.
Ich hasse sie und weiss auch genau warum .
Meine eltern haben mir meine Kindheit gestohlen … aber den Rest meines Lebens werden sie nicht bekommen . Ich möchte mein Lebe leben und meine neu gewonnene Freiheit geniessen !
Vielen Dank für Alles !
S.W.

AM: Ich gratuliere Ihnen von Herzen, Es ist wahr, was man sich selber erobert hat, kann niemand uns wegnehmen. Es braucht manchmal sehr viel Mut, die Erfahrungen zu wagen, aber wenn man sie gemacht hat, wenn man die Sprache des Körpers ernst genommen und verstanden hat, braucht es keine neuen Beweise mehr.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet