Hypnotherapie

Hypnotherapie
Tuesday 01 September 2009

Sehr geehrte Frau Miller,

ich wende mich an Sie, weil ich vor kurzem Ihr Buch „Die Revolte des Koerpers“ gelesen und im Anschluss Ihre Webpage besucht habe. Auf Ihr Buch bin ich im Anschluss an 2 Sitzungen Hypnotherapie bei einer Heilpraktikerin gestossen, die mir erstmalig zum Bewusstwerden verholfen haben, dass ich zu einer sehr gewalttaetigen Kindheit, die mir noch vage bewusst war, sehr wahrscheinlich auch sexuell belaestigt/ missbraucht wurde. Diese Aussage stuetzt sich auf den sog. Muskeltest, der vor der eigentlichen Hyptotherapiesitzung durchgefuehrt wurde, der „aussagte“, dass ich im Alter von 2 und/ oder 5 Jahren von meinem despotischen trinkenden Vater sexuell missbraucht bzw. belaestigt wurde. Meine Mutter, die selbst gepruegelt hat, hatte spaeter oeftter bedauert, uns nicht vor den vaeterlichen Schlaegen bewahrt zu haben, was fuer eine Farce.
Die Neurodermitis hatte sich in den letzten 2 Jahren verschlimmert, ungefaehr in dem Zeitraum, seitdem ich mit meinem Vater wieder Kontakt habe, nachdem ich davor in einer Verhaltenstharapie den Mut gefasst hatte, fuer 1,5 J. den Kontakt abzubrechen, was eine unglaubliche Befreiung war. Dennoch habe ich mich schuldig gefuehlt und mein Vater blieb dabei, dass es berechtigt war, uns zu pruegeln, es haette immer einen Grund gegeben, und ihm haetten Schlaege auch nicht geschadet. Mit meiner Mutter habe ich vor 1,5 Jahren den Kontakt abgebrochen.

Auch meine Schwester erinnert sich nach und nach an die Unerhoertheiten, die wir erleiden mussten, seitdem ich ihr von den Ergebnissen der Hypnoptherapie berichtet hatte.
Ploetzlich habe ich mich nicht mehr als falsch empfunden und wir sind uns gegenseitig eine Stuetze, wo wir vorher einen unausgesprochenen Pakt geschlossen hatten, die „alten Geschichten endlich ruhen zu lassen“, wie auch oft von unserer Familie gefordert wurde, wenn wir versuchten, alte Wunden anzusprechen. Alles sprudelt nur so aus ihr heraus, was immer unausgespochen bleiben sollte.

Nun beunruhigt mich sehr, dass Sie sich eindeutig gegen Hypnose aussprechen oder zumindest Hypnose als nicht ungefaehrlich einschaetzen.
Was mich so sicher gemacht hatte, dass ich dort auf die lang verdraengte Wahrheit gestossen bin, war mein stimmiges Gefuehl im Nachhinein und das Leiden an meinen koerperlichen Symptome wie Neurodermitis seit dem Babyalter (die nun fast verschwunden ist), extreme Mentruationsbeschwerden, Myome, Schilddruesenunterfunktion, Schmerzen in den Beinen, Nasennebenhoehlenentzuendungen, Erythema Nodosum etc. Darueber hinaus litt ich an andauernden Panikattacken seit fruehester Kindkeit, generalisierter Angst vor Maennern jeden Alters und Angst und Misstrauen bei Fremden.

Ich koennte mir vorstellen, dass der sexuelle Missbrauch in einer sehr subtilen Art stattgefunden hat und ich koerperlich „nur“ auf die Pruegel, psychische Erpressung und seelische Vernachlaessigung beider Eltern reagiert habe. Mittels der Hypnotherapie hatte ich mir versprochen, mehr Gewissheit zu bekommen.

Ich waere Ihnen sehr dankbar , wenn Sie kurz ihre Zweifel an der Hypnotherapie erklaeren koennten.

Vielen Dank, L, 32 Jahre

AM: Ich bin grundsätzlich dagegen, dass man eine Person, die ihre Geschichte und ihre Gefühle sehr stark verleugnet, plötzlich mit ihrer Wahrheit konfrontiert, weil dies starke Ängste und Schuldgefühle mobilisieren kann, mit denen man allein überfordert wird. Denn die Verleugnung hat ihre Gründe, diese muss man beachten und respektieren. Doch wenn auf die Aufdeckung eine empathische, sorgfältige Begleitung folgt, wie das bei Ihnen vielleicht der Fall war, dann lassen sich die Ängste und Schuldgefühle in der Therapie verarbeiten. Wollen Sie uns berichten, ob Sie dieses Glück hatten?

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet