Der Kampf um die eigene Lebendigkeit

Der Kampf um die eigene Lebendigkeit
Saturday 27 February 2010

Liebe Frau Miller,

ich wollte ihnen berichten, wie es mir in den letzten Monaten ergangen ist. Ich habe endlich endgültig durchschaut, was für ein Monster meine Mutter ist. Ich habe es endlich geschafft mich dazu durchzuringen auszuziehen, ich werde endlich zu studieren aufhören, weil ich sehe, wie nutzlos die philosophischen Thesen und Begriffe sind. Ich habe endlich verstanden, wie lebensverneinend meine Mutter ist. Bisher habe ich es nur teilweise zulassen können, aber jetzt sehe ich es bis ins Detail, was für ein böser Mensch meine Mutter immer war. Ich kann mich jetzt endlich als das hilflose Kind wahrnehmen, das ich früher war und als das sie mich immer noch gerne sehen würde. Ich kann jetzt das erste Mal über meine Gefühle sprechen, ich habe Menschen gefunden, die mich verstehen, was vorher durch den Wiederholungszwang einfach nicht möglich gewesen wäre, wo ich immer nur an Menschen, wie meine Mutter geraten bin, die mich ganz genauso emotional missbrauchen und nach getaner Zerstörungsarbeit sagen, ich wäre ihnen offensichtlich nicht gut genug. Sie haben mir beigebracht, das Leben zu schätzen, Lebensfreude zu entwickeln, im Gegensatz zu meiner Mutter, die immer nur alles Lebendige und jede Lebensfreude in mir zerstört hat. Sie haben mir die Welt erklärt, Sie haben mir endlich die Möglichkeit gegeben zu verstehen, warum ich mich so einsam fühle, im Gegensatz zu meiner Mutter, die alles getan hat um mich noch verwirrter und hilfloser zu machen. Sie haben mir die Möglichkeit gegeben zu leben, während meine Mutter alles getan hat um mein Leben zu vernichten und beinahe wäre es ihr auch gelungen, wenn Sie mir nicht geholfen hätten zu sehen, dass der Kampf um meine Lebendigkeit doch nicht sinnlos ist. Ohne Sie würde ich wahrscheinlich nicht mehr leben, oder zumindest hätte meine Selbstbefreiung unendlich viel länger gedauert. Ich bin so froh, dass es Sie gibt, dass Sie das genaue Gegenteil dessen sind, was meine Mutter immer für mich war.

DANKE

AM: Der Kampf um Ihre Lebendigkeit ist niemals sinnlos, alles andere als das.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet