Schwarze Pädagogik in der Primärtherapie

Schwarze Pädagogik in der Primärtherapie
Wednesday 18 April 2007

Übersetzt aus dem Englischen

Liebe Frau Miller,
Ich habe alle Ihre Bücher und alle Emails auf Ihrer Webseite gelesen. Ich ringe zurzeit mit meinem Ärger/Hass, die ich in einigen sozialen Situationen (mit Freunden etc.) fühle. Ich weiß, dass diese Situationen symbolisch sind für meine Jugend mit meiner sadistischen Mutter.
Ich habe eine Frage zur PRI Therapie von Ingeborg Bosch (pastrealityintegration.com). Denken Sie, dass ihre Therapie frei von schwarzer Pädagogik ist? Ich habe die Therapie von ihr für einige Zeit gemacht, und es hat mir geholfen, und es hilft mir immer noch, meine Emotionen zu identifizieren – als der gegenwärtigen Situation angemessen oder als eine symbolische Situation aus meiner Jugend.
Doch ich habe eine Frage bezüglich des PRI Konzeptes der “falschen Macht”; PRI sagt, dass Ärger/Hass eine “falsche Macht” sind und eine Abwehr gegen die Schmerzen des Kindes während die Eltern das Kind missbrauchten. PRI zufolge hilft es nicht, “den Hass zu fühlen”— es bringt nur Gesundheit zu fühlen, wie es war, als machtloses Kind von den mächtigen Eltern missbraucht zu werden.
Ich bin sehr an Ihrer Meinung zu diesem Thema interessiert.
Danke für Ihre großartigen Bücher und Webseite!
H.I., Holland

AM: Ich stimme dieser Theorie überhaupt nicht zu und denke, dass sie in der Tat Spuren der “Schwarzen Pädagogik” zeigt, wie ja die Wut und der Ärger von allen Religionen verdammt werden. Diese Emotionen sind jedoch die natürlichsten, gesündesten und logischsten Reaktionen auf erlittene Schmerzen. Da diese Gefühle Kindern verboten sind, müssen sie unterdrückt werden (im Gegensatz zur Traurigkeit, die erlaubt ist). Weder in der Familie noch in der Schule dürfen diese WICHTIGEN und lebens-beschützenden Emotionen gefühlt und mit Worten ausgedrückt werden. Daher müssen sie blockiert in unseren Körpern stecken bleiben und produzieren körperliche Symptome, um gehört zu werden. Wenn sie im erwachsenen Leben ernst genommen werden, können diese Emotionen in der Therapie gefühlt werden, und dann können die Symptome verschwinden. Denn ihr einziges Anliegen war, GEGEN UNGERECHTIGKEIT, Grausamkeit, Perversion, Verlogenheit, Lügen und Lieblosigkeit zu REBELLIEREN. All diese Bitterkeit war im Körper eingeschlossen, ohne einen Ausgang. Nun, in der Therapie, müssen sie von einem Therapeuten geachtet werden, der vor ihnen keine Angst hat. Wenn jedoch die Klienten statt dessen glauben sollen, dass ihre Wut nur eine Abwehr gegen Traurigkeit und die Illusion “falscher Macht” ist, dann werden sie – wieder – daran gehindert, genau diese Emotion, die das Funktionieren ihrer Körper blockiert und deren Befreiung für den Erwachsenen gesund wäre, zuzulassen.
Offensichtlich ist es die ANGST des kleinen Kindes vor dem nächsten Schlag, die immer noch in uns lebt und so viele Therapiekonzepte durchdringt, die Primärtherapie nicht ausgeschlossen. Wir bevorzugen es, die guten, gehorsamen Kinder des Kindergartens zu bleiben, die es eher wagen, endlos zu weinen, als dass wir Erwachsene werden, die die endlose Ungerechtigkeit, die wir in unserer Kindheit ertragen mussten, fühlen und dagegen rebellieren können. Meines Erachtens muss der Erwachsene genau das wagen.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet