Ihr Buch sprach mir ins Herz
Friday 03 February 2006
Sehr verehrte Frau Miller,
Gerade habe ich das Buch “Die Revolte des Körpers” zu Ende gelesen und mich spontan entschlossen zu schreiben.”Das Drama des begabten Kindes” las ich vor 23 Jahren, mit 17, meine Erzieherin in einem katholischen Mädcheninternat hatte es mir geschenkt. Diesem Buch ist es zu verdanken, daß ich mit beiden Beinen fest auf humanistisch-existenzieller Grundlage stehe und ich nicht krepiert bin ….
Ich bin 1965 in Würzburg geboren, nachdem ich 4 Abtreibungsversuche überstanden hatte. Meine Mutter war Richterin, mein Vater war Pharmazeutikareferent. Wir sind häufig umgezogen, für meine Klassenkameraden war ich immer “anders”. Ich hatte keine Strategien, mich gegen Schikanen zu wehren, und wurde von den Eltern dafür kritisiert. Mit 15 hatte ich die ersten echten Gespräche, mit “Alternativen”. Ich war auf den Ostermärschen, den Großengstinger-Blockaden, im Stadtjugenringvorstand und in Wackersdorf. Ich hatte Freunde in Berlin, Kiel und Hamburg, die ich regelmäßig besuchte. Ich trampte in Spanien, Frankreich, Griechenland und verbrauchte nicht mehr als 1,5 DM/Tag. Ich zog mit 17 bei meinen Eltern aus und finanzierte mich selbst. Ich machte Abi und reiste nach Kamerun und Südostasien. In Marburg studierte ich Ethnologie und Archäologie und lebte von Ausgrabungen. Ich war “Filzerin” auf Mittelalterlichen Märkten, fuhr einen “Opel-Blitz” Feuerwehr, Baujahr 56 und besaß die Hälfte eines Fachwerkhauses, versorgte Hund und Katz und fühlte mich artgerecht untergebracht.
Ich war verheiratet, und, bei genauerer Betrachtung, mit meiner Mutter: Ständiger Zigarettenqualm, bei Ansprache starrer Blick in Bildschirm oder Buch, Bierkonsum und Logorrhoe (schreibt man das so? Soll heißen “Viellaberei”) und abfällige Kommentare über alles, was bedeutsam war. Bei Depression Vorwürfe über fehlende Lebensfreude.
Nach der Scheidung 2002 mußte ich mich ganz neu orientieren: Ich hatte ja noch nie in der “Normalen Gesellschaft” gelebt, und fürchtete deren Institutionen und Gewalttätigkeit.
Ich hatte keinen Kontakt zu “Normalen Leuten” sondern als “Hippietante” ab und zu Besuch von jugendlichen Mädchen (singenbastelnspielengeschichtenerzählen), ich lernte Kampfsport und Trancetanzen, ansonsten habe ich mich völlig zurückgezogen. In dieser Zeit hatte ich sehr viele Flashbacks aus meiner Kindheit, und durch die Erzählungen der Mädchen über Schule, Eltern und was sie so bewegt, lernte ich, das Eltern – Kind -Beziehung auch von Liebe und Wertschätzung bestimmt sein kann, außerdem erkannte ich das Verhalten meiner Eltern und beschloß, etwas gegen meine Schuldgefühle und mein fehlendes Selbstwertgefühl zu unternehmen. Es war eine schwere Geburt und es gibt sicherlich noch viele Nachwehen, doch ich mache jetzt eine Therapie und eine Ausbildung zur Ergotherapeutin und lerne, was mich tatsächlich interessiert;die Kreise schließen sich. Ihr Buch stärkte mein Selbstbewußtsein und sprach mir direkt ins Herz. Ich werde es in jedem Falle meinen lieben Mitschülerinnen und auch sonstigen Therapeuten und Pädagogen wärmstens empfehlen.
Liebe Grüße, A. W.
AM: Ihre Kraft ist erstaunlich, Sie haben 4 Abtreibungsversuche überlebt und ließen sich nicht zerstören. Auch später nicht, wo sich vieles von den ersten Gefahren wiederholte. Wenn Sie nun jetzt all Ihre Kraft zu Ihrem Wohl einsetzen können und nicht mehr, um ihr nacktes Leben zu retten, werden Sie vermutlich einen bisher unbekannten Reichtum in sich entdecken. Sie brauchen keine Depression, weil Sie offenbar jetzt den Mut haben, sich Ihrer Wahrheit zu stellen. Viel Glück!