Über AA
Saturday 26 December 2009
Sehr geehrte Frau Miller,
ich moechte mich den zahlreichen Danksagungen anschliessen, denn Sie haben mir mit Ihren Buechern das Leben geschenkt, nachdem ich so lange gesucht habe.
Meine Biographie gleicht denen der vielen SchreiberInnen hier und in Ihren Buechern: Eltern aus der Kriegsgeneration,hilflos, ueberfordert mit sich selbst und miteinander, Sexsucht des Vaters mit zahllosen ausserehelichen Beziehungen, Suchterkrankung der Mutter (Tabletten und Alkohol), Scheidung, emotionale Verwahrlosung und emotionaler Missbrauch, Abschiebung ins Internat, zunaechst recht erfolgreicher Start ins eigene Leben mit Medizinstudium und Facharztausbildung.
Dazu kamen noch Erkennen- und Akzeptierenmuessen der eigenen Homosexualitaet, Umgang mit einer Hoerbehinderung seit dem 19. Lebensjahr und schliesslich die eigene Suchterkrankung ab dem 30. Lebensjahr (Alkohol).
Mein eigentliches Leben begann mit dem 44. Lebensjahr, als ich es schaffte, trocken zu werden und zu bleiben. Dabei waren und sind die AA ein wichtiger Bestandteil meiner Therapie, weil sie die ersten “wissenden Zeugen” in meinem Leben waren. Das ist ein Aspekt, den ich in Ihren Buechern noch nicht gefunden habe. Mit meinen Therapeuten habe ich unterschiedliche, aber ueberwiegend gute Erfahrungen gemacht. Ich war aber sehr lange Zeit nicht in der Lage, deren Hinweise und Hilfestellungen zu verstehen oder umzusetzen.
Jetzt, 5 Jahre spaeter, sind mir durch die “Revolte des Koerpers” waehrend eines weiteren Konflikts mit meiner noch lebenden Mutter endlich die Augen fuer ihre wahre Natur und meine eigene Wahrheit und Geschichte geoeffnet worden. Endlich habe ich mir das Mitgefuehl fuer mich selbst erlaubt, dass ich als kleiner Junge und auch heute noch verdiene. Ich konnte endlich den Kontakt zu meiner Mutter auf rein finanzielle Unterstuetzung reduzieren und fuehle, wie sich ein mir voellig unbekannter Frieden in mir ausbreitet. Natuerlich ging (und geht) es nicht ohne gelegentliche Aengste und Zweifel – dafuer habe ich zu lange dem 4. Gebot gehorcht, aber es geht und ich moechte allen Betroffenen Mut machen, alle Kraefte und allen Mut zu sammeln und sich selbst den Respekt zu verschaffen, den wir von unseren Eltern nie bekommen haben.
Fuer das, was Sie mit Ihren Buechern fuer mich getan haben, bin ich Ihnen unendlich dankbar und kuesse deshalb Ihre Haende, die die Buecher geschrieben haben!
Ich wuensche Ihnen noch eine gesegnete Weihnacht und noch viele gesunde Jahre, um Ihre wichtige Botschaft unter das Volk zu bringen. Ich stimme einer pseudonymisierten Veroeffentlichung dieses Briefes zu, wenn Sie es wuenschen.
In grosser Dankbarkeit KB
AM: Danke für Ihre freundlichen Worte, Sie haben viel erreicht, als Sie sich von den Süchten befreien konnten. Ich habe mich in meinen Antworten häufig kritisch über AA geäussert, auch schon im Drama des begabten Kindes auf Seite 72. Die Forderunng, dass man sich auch für das entschuldigen sollte, was einem angetan wurde, erinnert mich an die Forderungen der Schwarzen Pädagogik, die ja am Entstehen der Sucht beteiligt war. Doch vielleicht findet man auch dort Begleiter, die einem helfen können, über die erlebten Misshandlungen hinweg zu kommen, ohne dagegen zu rebellieren. Wie lange die gute Wirkung hält, kann ich nicht beurteilen, denn die Sucht ist meistens nicht die einzige Folge des Selbstbetrugs..