Die Angst der Therapeuten vor der Kritik
Tuesday 15 May 2007
Sehr geehrte Frau Miller,
Sie erinnern sich vielleicht, dass ich mich seit Jahren gegen die menschenverachtende Leugnung von Traumatisierung und Gewalt gegen Kinder in den Schriften von Otto F. Kernberg engagiere. Seine „professionelle“ Art, die Leidensgeschichte von Menschen zu „verstehen“, indem er jede Art von Gewalterfahrung leugnet, statt dessen die in den Kindern angeblich angelegte Triebhaftigkeit zur Erklärung psychischer und psychosomatischer Störungen heranzieht, sind einer von unzähligen Belegen für Ihre – zu recht! – immer wieder attackierte Ignoranz der Gesellschaft gegenüber der Misshandlung von Kindern, und zwar bis weit hinein indie Reihen der angeblichen „ExpertInnen“.
Und natürlich erzähle ich Ihnen nichts Neues, wenn ich davon berichte, dass selbst Fachzeitschriften, die sich mit dem Thema „Traumatisierung“ beschäftigen, feige zurückweichen, wenn einer „Koryphäe“ wie Kernberg einmal im Detail seine Menschenverachtung nachgewiesen wird. Dann heißt es schnell: „Unwissenschaftlich!“
Wie gesagt: Es fügt dem, was Sie bereits so oft und so klar gesagt haben, nichts Neues hinzu.
Dennoch mag es quasi einer Art von „Materialsammlung“ dienen, wenn ich Sie mit dieser kleinen Mail aufmerksam mache auf einen neuen Teil meiner Web-Seite (http://www.oedipus-online.de/feigenblaetter.htm).
Ihnen geht es – so hoffe ich – recht gut. Sie haben offensichtlich ein sehr zahlreiches Publikum von sehr verständnisvollen, intelligenten, engagierten Menschen. Das wird wohl mehr als volle Entschädigung sein für die Dummheit, Anfeindung und Diskreditierung, die Sie auch schon mehr als genug erlebt haben.
Herzlicher Gruß – K.S.
AM: Ich kann Ihre Empörung verstehen, aber wundere mich, dass Sie ausgerechnet da der Wahrheit Gehör verschaffen wollen, wo es verboten ist, die Wahrheit über Kindesmisshandlungen zu sehen und zu benennen. Die Psychoanalyse wurde ja geschaffen, um Freuds „Ausrutscher“ von 1896 zuzudecken, und die Nachfolger aller Schattierungen scheinen diesem Tabu treu zu bleiben, aus Angst der einst geschlagenen Kinder vor den Eltern, die nicht nur unsere westliche, sondern alle mir bekannten Gesellschaften durchzieht. Daher halte ich auch die sinnvollsten Argumente und Diskussionen für nutzlos, solange wir den Ursprung der verhängnisvollen Leugnung, das Schlagen der Kinder, nicht ins Auge fassen. Wir publizieren Ihren Brief gekürzt, da Sie darin den Link zu Ihrer Webseite erwähnen und da wir bereits Ihren Artikel zu diesem Thema veröffentlicht haben.