Der heutige Wahn

Der heutige Wahn
Tuesday 13 February 2007

Sehr geehrte Frau Miller,
ich habe einige Ihrer Bücher gelesen und glaube, das Sie mit Ihrere Behauptung über Kindesmisshandlungen und den sich daraus ergebenden
Schädigungen Recht haben. Leider wird dieser Therapeutische Ansatz in der Psychiatrie total verdrängt. Dafür bekommen Patienten in allen Kliniken
Psychopharmaka, und werden abhängig. Eine Berufstätigkeit ist damit bei vielen auch nicht mehr möglich.
Ich bin seit vielen Jahren mit einem psychisch kranken Mann verheiratet, meine Kinder wurden nicht geschlagen, aber sie haben schwer unter seiner
Starre, Desinteressse und den ständigen Depressionen mit Suizidversuchen gelitten.
Heute ist mein jüngster Sohn an Psychose erkrankt. Wir haben überall nach einer Therapie, die diese Kindheitstraumen bearbeitet gesucht. Leider gibt es in den Kliniken nur Neuroleptica und Antidepressiva. Damit ist dieser junge Mann nicht mehr fähig ein Studium bzw. eine Berufausbildung zu machen.
Es bleibt uns nur noch der Weg seine Behinderung offiziell anzugeben und an der Pychoedukativen Therapie teilzunehmen.
Deshalb ist er sehr deprimiert.
Vielleich kennen Sie eine Klinik, die ohne Medikamente diese Traumen bearbeitet.
H. L.

AM: Das Bild, das Sie schildern, ist erschreckend, aber es scheint leider realistisch zu sein. Die heutige Psychiatrie scheint in dem Wahn zu leben, dass sie mit den Medikamenten alle Mittel in der Hand hätte, um die Dämonen der Vergangenheit (die erlittenen Misshandlungen) bei den Patienten und den Ärzten zu verjagen. Das führt zur grotesken Verleugnung der Ursachen des menschlichen Leidens und der einfachsten LOGIK. Leider kenne ich keine einzige Klinik in der ganzen Wellt, die eine Ausnahme bilden würde, was aber nicht heisst, dass es solche nicht geben sollte. Sie müssen suchen, zum Glück haben Sie die Einsicht in die logischen Zusammenhänge. Kann es sein, dass die “Psychose” Ihres Sohnes ihm dient, um seinen eigenen leidvollen Erfahrungen nicht zu glauben, um den Vater zu schonen? Vielleicht wäre es hilfreich, wenn er von Ihnen und Ihrem Mann hört, wie er als Kind behandelt wurde und dass Sie leider erst heute einsehen, wie falsch und vermutlich schmerzhaft dies für ihn war.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet