Vernachlässigung – musikalisch verarbeitet

Vernachlässigung – musikalisch verarbeitet
Saturday 21 July 2007

Liebe Alice Miller, liebe Redaktion,
hier spricht K. B., die Schauspielerin mit dem Artikel über die Wahrheit in (Phantasy-)filmen.

Das angehängte Lied „Pausenbrot“ habe ich letztes Jahr kurz nach dem Kontaktabbruch mit meinen Eltern geschrieben, weil ich mit der Flut der auf mich einströmenden Erinnerungen kaum fertig wurde. Also ein Überlebenslied.

Ich hoffe, es macht Ihnen Spaß und Freude.
Gesang und Klavier sind von mir selbst eingespielt worden.

Hier ist auch noch der Text zum Nachlesen. Wenn Sie Lust haben, können Sie den auch veröffentlichen, ich bin die einzige, die die Rechte daran hat, deshalb geht das (keine GEMA oder so).

Mit freundlichen Grüßen und großem Dank für Ihr Engagement in Sachen Kindheit, K. B.
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Pausenbrot

1. Früher wurd am Frühstückstisch vor’m Vater salutiert,
wie Orgelpfeifen standet ihr, gewaschen und frisiert,
ein großes Mädchen weint doch nicht, Marsch Marsch jetzt auf dein Zimmer,
ja früher war ne harte Zeit, doch ich find’s heute schlimmer:

Schmier mir ein Pausenbrot,
kannst du das denn nicht verstehn?
Ich leide Hungersnot
auf dem Schulhof kurz nach zehn,
wenn ich mal krank bin,
lass mich bitte nicht allein,
denn ich kann doch nichts dafür,
nun schon wieder krank zu sein.

2. Früher war die Hölle los bei jedem Fleck im Rock
Vater schlug mit bloßer Hand, der Lehrer mit dem Stock,
ein großes Mädchen weint doch nicht, Marsch Marsch jetzt aus dem Zimmer,
ja früher war ne harte Zeit, doch ich find’s heute schlimmer:

Schmier mir ein Pausenbrot,
sag verlang ich da zuviel?
Ein simples Pausenbrot,
das ist doch kein Eis am Stil,
wenn ich mal krank bin,
setz dich einfach an mein Bett,
und dann lies mir etwas vor,
ach das wäre schrecklich nett.

3. Heute hab ich selbst ne Tochter, doch die neue Brut
Meckert, lungert faul herum, es geht ihr viel zu gut!
Halt den Mund und heul nicht rum, na los jetzt auf dein Zimmer,
ja früher war ne harte Zeit, doch heut’ ist’s noch viel schlimmer:

Ich schmier dir kein Pausenbrot,
wie du durchkommst musst du sehn,
von wegen Hungersnot
kannst ja selbst zum Bäcker gehn (von deinem Taschengeld!)
wenn du mal krank bist,
na dann packst du das allein,
denn du bist ja selber Schuld,
Gottes Strafe muss halt sein.

AM: Danke für Ihren mutigen Text. Mich persönlich berühren solche direkten, offenen Berichte viel mehr als in der Dichtung verschlüsselte Andeutungen. Aber das ist vermutlich eine Mutfrage.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet