Vom Zombie zum fühlenden Menschen

Vom Zombie zum fühlenden Menschen
Wednesday 20 May 2009

Offener Brief an die Mitglieder des Forums ourchildhood.de.2007.carookee.com “Unsere Kindheit”

Liebe Forumsteilnehmer !

Wir haben beschlossen die Einschränkungen über den Gebrauch von Schimpfwörtern, welche wir vor einiger Zeit in unsere Forumsregeln aufgenommen hatten, aufzuheben, da wir erkennen mussten, dass dieses Verbot die Unterstützung der Aufarbeitung der traumatischen Kindheit wesentlich behindert.

Der Ausdruck von Wut über die erlittenen Misshandlungen durch unsere Eltern muss auch in unserem Forum uneingeschränkt Platz haben, nicht nur in einer Therapie.

Denn nur dann können wir einander in unserem Zorn beistehen und ihn als gerechtfertigt bestätigen.

Deshalb wollen wir den unbehinderten Ausdruck von Wut nicht länger ausschließlich in eine Therapie verbannen, sondern alles zulassen was sich in Eurem Zorn gerade aufdrängt.

Trotzdem kann unser Forum kein Therapieersatz sein, sondern eine zusätzliche Unterstützung der Aufarbeitung der eigenen Kindheitsgeschichte.

Es tut uns leid, dass wir diese gegenseitige, so wertvolle Unterstützung so lange eingeschränkt haben. Unsere eigenen unbewussten Ängste vor unseren einst misshandelnden Eltern haben uns die Sicht vernebelt, was wir erst später schmerzhaft einsehen mussten.

Viele haben sich deshalb enttäuscht zurückgezogen oder das Forum verlassen.

Leider merkten wir lange nicht, dass dies unsere Schuld war und Ihr zu Recht über die von uns auferlegten Einschränkungen empört seid.

Da wir sehen wie sehr das Vertrauen in unsere Forumsführung gelitten hat, möchten wir das Forum einer kompetenteren Person weitergeben und nur noch solange freigeben bis sich ein geeigneter Moderator gefunden hat.

Mit freundlichen Grüßen

Liza & Benedikt, Moderatoren des Forums „Unsere Kindheit“

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AM : Besten Dank für die Zusendung Ihres offenen Briefes an das Forum. Die Vorteile eines Forums über die Kindheit sehe ich in der Möglichkeit, die Gefühle und Fakten in einem geschützten Rahmen und mit Gleichgesinnten auszutauschen. Das bietet die Chance, die Ursachen des eigenen Leidens und der bisher gefürchteten Emotionen besser zu verstehen und einzuordnen. Somit verwandelt sich der seit seiner Kindheit abgestumpfte Mensch (Zombie) in einen FÜHLENDEN Menschen. Doch es ist unumgänglich, dass unter den erwachten Gefühlen auch Zorn sich meldet, der einst absolut verbotene Zorn auf die Eltern, die einem so viel Leid zugefügt haben. Da dieser erst jetzt GEFÜHLTE Zorn des ehemaligen Kindes von der panischen Angst vor Strafe begleitet wird, mag er unter anderem früher oder später auf den Moderator als Elternfigur gerichtet werden. Sollte dieser sich (aus eigenen Ängsten) dazu verleiten lassen, die Rolle der Eltern zu spielen, den authentischen Ausdruck der kindlichen Wut zu verbieten, dann gerät natürlich vieles in die Sackgasse. Wenn man inzwischen im Kampf gegen die Depressionen ein fühlender Mensch geworden ist, kann man aus der Sackgasse herauskommen, indem man sich gegen unsinnige Verbote wehrt und sich artikuliert, wenn nicht im Forum, dann eben außerhalb. Wichtig ist, dass man nicht aufhört, die Chancen der ERWACHSENEN wahrzunehmen und das erfahrene Unrecht konkret zu benennen. All das war in der Kindheit nicht möglich, aber jetzt IST es möglich.

Natürlich gibt es auch Foren oder Sekten, wo diese Verwandlung in fühlende Menschen gar nicht stattfindet, weil der Moderator den liebenden Elternteil spielt, vom Zustand der Zombies profitiert und sich von ihnen bewundern lässt, ohne Proteste zu riskieren. Sollte sich hier dennoch ein Unbehagen melden, dann wird es auf Sündenböcke außerhalb der Gruppe dirigiert, und die Moderatoren solcher Gruppen bleiben bewundert und geschont. Insofern ist das, was Ihnen widerfahren ist, ein Zeichen, dass Sie immerhin einigen Menschen ermöglicht haben, sich zu wehren und nicht im Gehorsam zu vegetieren. Auch wenn Ihnen Fehler widerfuhren, Sie hatten den Mut, dies zuzugeben und deren Ursachen zu erkennen. Das sieht man selten, und meines Erachtens ist dies ein Zeichen, dass Ihr Forum eine Chance zur Weiterentwicklung bietet. Wenn viele dies nicht schätzen, kann man nichts machen. Die Misshandlungen des Kindes können so schlimm gewesen sein, dass der Erwachsene vorläufig nur die gleichen Muster seiner Eltern wiederholen kann. Aber die Erfahrung der letzten Jahre hat bewiesen, dass Sie trotz Fehler eine Plattform geschaffen haben, wo Menschen wachsen und sich emotional weiterentwickeln konnten. Ich hoffe, dass Sie als Moderatoren bleiben können.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet