Wie kann man mit dem Wissen leben?
Wednesday 25 January 2006
Sehr geehrte Frau Miller,
als ich zum ersten Mal eins Ihrer Bücher zu lesen begonnen habe hatte ich gleich das Bedürfnis Ihnen unbedingt schreiben zu müssen.
Ich habe es nicht gemacht weil ich eigentlich keinen Grund finden konnte, Ihnen zu schreiben.
Es war für mich eine Selbstverständlichkeit Ihnen dankbar zu sein, dass Ihre Bücher mir ein Tor geöffnet haben. Dieses hätte ich wahrscheinlich vor drei, vier Jahren in einer angemessenen Art und Weise zum Ausdruck bringen können. Jetzt aber ist es dafür zu spät. Jetzt ist dieses Wissen Teil meines Selbst und meines Alltags geworden, es hat mein Wesen sich entwickeln geholfen, ich habe meine Strukturen daran akkomodiert. Und ich habe seit einiger Zeit begonnen die Welt um mich herum anhand dieser Strukturen zu assimilieren. Ich glaube ich könnte es auch nicht mehr anders. Und daraus erwächst auch der Grund, weshalb ich Ihnen jetzt schreiben kann. Ich frage mich, wie man mit diesem Wissen im Alltag in Harmonie mit der übrigen Welt leben kann. Das scheint mir und ist gar nicht so einfach. Vielleicht ist die Antwort dazu in Ihren Büchern zu finden, vielleicht habe ich manche davon zu oberflächig gelesen oder vielleicht sollte ich es selbst entdecken/entwickeln und bin noch nicht reif dazu oder vielleicht, oder vielleicht …..
Ich wäre sehr dankbar für einen Hinweis, einen Wink oder ein Zeichen wie man die alltäglichen Begegnungen mit Menschen, mit diesem Wissen im Hinterkopf, so gestalten kann, dass man weder verzweifelt noch einsam wird.
In guten Gedanken,
d. s.
AM: Ihre Frage wurde mir schon mehrmals gestellt, vielleicht nicht ganz in dieser Klarheit. Ich habe mich dann jedesmal erkundigt, ob diese Person ihren Weg lieber zurückgehen möchte, dass sie wieder so leben könnte wie früher, ohne das gewonnene Wissen. Bisher hat mir noch niemand darauf mit ja geantwortet. Viele sagten, sie hätten zwar jetzt weniger “Freunde”, aber dafür die richtigen, Menschen, die sich ebenfalls suchen, weniger defensiv reagieren, keine intrusiven Ratschläge geben müssen und ihre Gefühle offen mitteilen können. Da sei die Komunikation viel einfacher und leichter. Sie würden niemals da zurückgehen wollen, wo sie von ihrem Selbst getrennt waren, sagten die meisten. Damals fühlten sie sich einsam, auch unter vielen Menschen, heute weniger einsam, weil sie sich und ihre Geschichte besser kennen. Ich habe zu diesem Thema viel in der “Revolte des Körpers” geschrieben, insbesondere im Kapitel: Tagebuch der Anita Fink.