Ein Buch schreiben – darf ich das

Ein Buch schreiben – darf ich das
Friday 18 January 2008

Liebe Alice Miller
Ich möchte gern ein Buch (auf Dänisch) über die Konsequenzen für unsere Gesellschaft durch fysisches und physisches Fürsor-geversagen der Kinder schreiben, wenn diese Kinder gewachsen geworden sind – dies Buch möchte ich in eine alltägliche Sprache schreiben, damit der Leser kein grösseres Hintergrundwissen in Psychologie zu haben braucht, um die Konsequenzen des Fürsor-geversagens verstehen zu können.
In diesem Buch möchte ich die Gedanken/das System von Alice Miller benutzen. Darf ich die Gedanken/das System von Alice Miller mit Hinweis auf alle Bücher von Alice Miller benutzen?

Ich habe eine Frage an Alice Miller: Es ist sehr schwierig zu dem grundliegenden Leid der eigenen Kindheit zu gelangen – könnte der Grund dafür der sein, dass keine Therapie die grosse loyalität den Eltern gegenüber berücksichtigt, die besonders missbrauchte Kinder trotz alldem haben?

Meine Erfahrung ist die, dass keine Therapeuten unterwegs der Person hilft darauf aufmerksam zu werden, dass diese Loyalität existiert, und wie stark diese ist; diese Loyalität „blockiert“ zu dem grundliegenden Leidgefühlen zu gelangen, so dass man sie bearbeiten könnte – und da-nach mit dem eigenen Leben wird weiterkommen können.

Meine Erfahrung (nach 25 Jahren mit Therapie) ist die gewesen, dass ich erst dass Leid meiner Kindheit (=meiner Mutter) fühlen konnte/wagte, als ich erkannt habe, dass die Loyalität mich gehindert hat, zu den Gefühlen heransukommen. Dies habe ich erfahren, als ich mir selber sagte „will ich mich mit dieser Behand-lung – z.B. von einer Freundin abfinden“, die meine Eltern mir an-geboten haben. Meine Erfarung ist auch die gewesen, dass keine Therapie mich darauf aufmerksam gemacht hat, wie ich mich als Erwachsene immer wieder in dieselbe Situation „versetzt“ habe, genau wie ich in meinem Elernhaus (von meiner Mutter) eingrup-piert war. Erst als ich durch das Leid durchkommen war, habe ich angefangen einzusehen, was ich selber getan habe, um meine negative Lebenssituation zu wiederholen.

Recht vielen Dank dafür, dass Sie die Bücher geschrieben haben – diese Bücher haben mir endlich die Augen geöffnet – ich habe eingesehen, dass das, was ich gesehen, gefühlt und gemerkt
habe, die ganze Zeit richtig ist/gewesen ist.
Endlich habe ich eingesehen, dass ich in einem „Nazilager mit einer Mutter als Nazikommandantin“ augewachsen bin – niemals hatte ich eine Klage- oder Verhandlungsmöglichkeit – alle Dis-kussionen endeten immer damit, dass ich „verloren“ habe – und die „Kommandantin“ (=meine Mutter) hat „gewonnen“. Dies endete im Jahre 1997, als die „Kommandantin“ (=meine Mutter) gestorben ist. Es ist eine Erleichterung gewesen, endlich als 45-jährige von den Diskussionen befreit zu sein, die niemals irgendwo geführt haben. Mein Vater war mein wissende Zeuge habe ich erst jetzt verstanden (er ist vor 35 Jahre gestorben).
Endlich bin ich frei. Freundliche Grüsse, L. S. K.

AM: Ich weiss nicht, was Sie meinen, wenn Sie von meinem „System“ schreiben. Ich habe kein System, ich schreibe doch nur über FAKTEN, die jeder, der die Leserbriefe auf dieser Seite liest, bestätigt finden kann: Die am meisten gequälten Kinder halten ihren Eltern die Treue ihr Leben lang, sie warten auf deren Liebe, unterdrücken ihre Wut und verleugnen ihre Wahrheit, weil sie immer noch angst haben vor ihren gewalttätigen Eltern. Dafür bezahlen sie mit schweren körperlichen und psychischen Symptomen. Sobald sie aufhören, sich zu belügen, sobald sie es wagen, zu sehen, wie sie in der Kindheit gequält, missachtet, gedemütigt wurden, kann sich ihr Körper erholen und können die Depressionen verschwinden.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet