Den Lebensfaden entknoten

Den Lebensfaden entknoten
Saturday 23 June 2007

Sehr geehrte Frau Miller und alle Leser dieser Internetseite,
ich lese mit großem Interesse ihre Bücher und ebenso die Briefe ihrer Leser.

Ich habe in den letzten Jahren sehr viel Verrat erfahren und bin daran fast zerbrochen. Es gab eine Zeit, in der ich mehr tot als lebendig war. Mittlerweile habe ich mehr Distanz gewonnen und es ist als stehe ich auf einen Hügel und blicke auf das Geschehene hinunter. Ich zog mit meinem Mann in sein Land im Ausland und erlebte Psychoterror. Ich hatte das Gefühl meinen Verstand zu verlieren. In dieser Zeit „pilgerte“ ich von Therapeut, „Hobby-Heiler“, Aufsteller und zurück! Ich hoffte einen „Retter“ zu finden. Ich nahm selbsternannte „Gurus“ an und wünschte mir durch diese Menschen einen Weg aus der Krise zu finden. Dabei entfernte ich mich mehr und mehr von mir.
Ich habe pure Ignoranz erlebt und musste mit ansehen wie aus meinem Mann, der sich in Therapie befand, ein Fanatiker wurde. Seine Therapie schloss mich gänzlich aus und ich hörte regelmäßig, dass er „endlich“ seinen Weg gehen müßte. Sein Weg bedeutete für mich, daß er alles in meinem bisherigen Leben verdrehte und analysierte. Ich hätte aber die Chance meine „Seele“ zu verändern. Außerdem wolle er mir helfen, nicht so wie seine Mutter zu werden. ( Eine sehr dominante und ambivalente Frau).Alles was er sagte, hatte plötzlich einen Sing-Sangton. Er sprach ohne eine Spur von Empathie. Ich bin überzeugt, daß seine Therapeutin schizophrenes Verhalten hervorbrachte. Da ich meine Seele nicht verändern konnte und mich gegen seine Anweisungen verhielt, reichte er, während ich bei meiner Familie war, die Scheidung ein. Er drohte mir seit längerem mit Krieg, wenn ich mich von ihm trennen sollte. Ich lebe im Kriegszustand. Er hat seine Masken fallen gelassen, doch die Anwälte, das Gericht sowie auch Sozialpädagogen vom Jugendamt stellen sich blind. Er verbreitet seine „Wahrheiten“ über mich, so wie er es nennt, ungehindert weiter. Ich fühle mich höchstgradig mißbraucht. Vor der Trennung waren unsere Kinder Zeugen dieses Umganges. Jetzt ist es öffentlich und keiner setzt Grenzen. Er fährt seinen Krieg! Und trotzdem sehe ich wie sich alles zusammensetzt. Ich sehe meine Anteile. Meine Ängste und mein konsequenzloses Suchen nach einem Ausweg. Eines ist mir deutlich geworden: Wir tragen alles was wir brauchen in uns. Es ist durch unsere Erziehung und Erlebtes oft verschüttet und wir benötigen Anstöße um an unsere Recorsen zu gelangen. Dabei sollten wir uns von denen fernhalten, die uns ihren „Weg“ , ihre „Wahrheit“ überstülpen wollen. Meine Erfahrungen mit Therapeuten sagt mir, daß viele diesen Beruf als Machtstellung ausüben. (Nicht alle, aber viele). Viele der Berichte, die ich in diesem Forum lese, bestätigen mich in meiner Auffassung. Zur Zeit beschäftigen sich viele von uns mit „Spiritualität“. Ich höre und lese häufig, „daß alles, was uns geschieht seinen Sinn hat und man sich alles selber ausgesucht hat“. Alles was uns durch andere Menschen widerfährt, hat eine eigene Geschichte. Die Tragödie meiner Ehe hängt mit meiner Kindheit und seiner Kindheit zusammen. Meinem Mann wurde in seinen ersten 7 Jahren mehrfach das Trommelfell durchstochen, woraus sich später Panikattacken entwickelten, die außer Ängsten auch einen Kontrollverlust bedeuteten. Auf seine Mutter will ich gar nicht erst eingehen. Ob es einen Sinn macht oder nicht, weiß ich nicht immer. Doch eines weiß ich mit Bestimmtheit, kein Kind hat sich ausgesucht mißbraucht zu werden. Kein Jude hat sich ausgesucht vergast zu werden. Diese Form von „Esoterik“ macht aus uns „Mitläufer“ und empatielos.
In unserer Kindheit ist unser Umfeld damit beschäftigt unsere Intuition, unsere natürliche Neugierde zu brechen um diese mit viel „Mist“ zu ersetzen. Als Erwachsene merken wir dann, daß uns etwas fehlt und machen uns aus die Suche.
Meine eigene Geschichte hat mir schmerzhaft vieles verdeutlich und deshalb werde ich so einiges in Zukunft nicht mehr widerstandslos hinnehmen. Ich habe begonnen MIR mehr zu vertrauen und meinem Gefühl zu folgen, wobei ich kein Mensch werde, der „endlich seinen Weg geht“ um mich in die Reihe der narzisstischen „Therapieabgänger“ zu gesellen! Auch wenn es mir noch oft sehr schlecht geht, ich mir immer noch wenig zutraue und ich mich den Krieg und Trümmern meiner Ehe stellen muß. Trotzdem hoffe ich meinen Kindern eine Familie zu sein, sie liebevoll zu unterstützen und in Liebe und Respekt zu begleiten.

Frau Miller, Sie haben für viele Menschen eine wertvolle Arbeit geleistet!
Vielen Dank! A.S.

AM: Sie sind auf dem Weg zum MERKEN, und das wird Sie beschützen. Es stimmt: Kein Kind hat sich ausgesucht, missbraucht zu werden. Mit diesem Unsinn werden Menschen gefüttert, die nicht merken wollen, um keinen Preis, wie schrecklich sie misshandelt wurden. Man kann sie nicht zwingen, die Augen zu öffnen, wenn sie es nicht wollen. Aber man muss sich davor schützen, von diesen Menschen abhängig zu bleiben. Deshalb kann eine Scheidung die große Chance bedeuten, in bestimmten Fällen ganz sicher.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet