Empörung über einen Aufsteller

Empörung über einen Aufsteller
Thursday 14 June 2007

Sehr geehrte Frau Miller und Rogers,

ja, ich bin empört über den „Aufsteller“ und auch über „X“.

An X empört mich am meisten, dass er so tut, als sei er heilig, allwissend und allmächtig. Ich habe ihn ein paarmal selbst auf Konferenzen und Vorträgen erlebt, er geht überhaupt nicht auf den Klienten und sein Leid ein. Und inszeniert eine Show. Um als hellsichtig und allwissend dazustehen, lässt er sich von den Therapeuten, die den Klienten mitbringen, vorher gründlich informieren. Das wissen die Zuschauer aber nicht, die erleben nur, dass X ein paar Fragen stellt, ein tränenreiches Drama inszeniert und hinterher ein Deutung von sich gibt, die einfach verblüffend ist. So habe ich auch erstmal den Eindruck erhalten, WOW! der weiß wirklich wo es langgeht. Aus seinem Umfeld weiß ich, dass er keine Kritik an seiner Person zulässt, keine Nachuntersuchungen seiner Fälle erlaubt, sich ein mehr als 20 Jahre jüngeres „systemisches Boxenluder“ angelacht hat und ein mehr als despotisches Geschäftsgebaren an den Tag legt. Alles in allem ist er eine neuere Ausgabe von Osho und ich bin auch noch darauf reingefallen. Warum, weil mein Vater auch so ist.

Was mich an dem „Aufsteller“ empört, ist auch dass er lieber seinen Eltern vergibt und dafür grausam zu seinen Kinder ist. Ich habe einmal erlebt, dass sein zweijähriger Sohn an einem Vorhang gezogen hat, und er daraufhin vollkommen ausgerastet ist. Ich glaube, wäre ich nicht dabei gewesen, er wäre handgreiflich geworden. So hat es auf mich gewirkt. Und dann inszeniert sich so jemand, als der große Vater in einer Aufstellungsrunde, nutzt die Gruppendynamik und meine Angst zurückgewiesen zu werden, um mich dazu zu bringen, etwas zu tun, was eine totale Lüge ist. Anstelle wirklich einmal auf mich als leidendes Kind zu schauen. Und dann bekommt man gesagt, man muss den inneren Vollzug machen, es wirken lassen, etc. Und so habe ich gedacht, da es noch nicht geholfen hat, habe wohl noch nicht richtig vollzogen oder etwas falsch gemacht. Und so bin ich immer wieder in solche Aufstellungsworkshops gegangen. In der verzweifelten Hoffnung, dass man irgendwann einmal Erlöst wird.

Durch das Lesen ihrer Website ist mir dann plötzlich klar geworden, dass Aufstellungen nur dazu dienen, die Eltern zu ehren und zu entschuldigen. Überspitzt: „Die Mama hat halt den Inzest erlaubt, weil sie gebunden war. So jetzt sag: Ja, Liebe Mama, für Dich habe ich es gerne getan. Es hat mir sogar etwas gefallen. Und alles ist gut.“ Ich habe sicher über 120 Aufstellungen life erlebt und sie werden immer dahin gedeutet, dass man die Eltern ehrt, entschuldigt, sich vor ihnen verneigt. Ich habe keinen einzigen Fall erlebt, wo sich mal den Vater oder die Mutter beim Kind entschuldigt hat. Auch aus der Literatur ist mir kein einziger Fall bekannt.

Vielen Dank für ihre Antworten. Es tut gut, sie als Zeuge zu wissen.

M. F.

AM: Ein Kind kann sich nicht empören, wenn es vergewaltigt wird, es ist zu sehr verängstigt und muss sich der Gewalt fügen. Ein Widerstand würde Todesgefahr bedeuten. Leider lebt dieses Kind mit seiner Angst unverändert in den meisten von uns, weil wir in unserer Kindheit keine Möglichkeit hatten NEIN zu sagen und weiter in diesem System verharren. Doch nun haben Sie erlebt, dass Sie als Erwachsener die Empörung erleben konnten und nicht daran sterben mussten. So konnten Sie das System verlassen, in dem die meisten Menschen leben und funktionieren. Leider auch so „therapieren“, solange wie sich Klienten weiter wie verängstigte Kinder von Gurus jeder Couleur vergewaltigen lassen.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet