Ein Stück mehr Klarheit…

Ein Stück mehr Klarheit…
Thursday 03 July 2008

Liebe Frau Alice Miller,

schon zweimal habe ich Ihnen geschrieben.
Nun forsche ich schon längere Zeit nach der Ursache meiner Wochenbettdepression.
Ich habe lange nach einer Erklärung gesucht, warum manche Frauen mit einer Wochenbettpsychose denken, sie müssten Ihre Kinder wegschmeißen/aussetzen oder gar töten, weil sie “vom Bösen/Teufel” besessen seien”.
Nun finde ich auf Ihrer Homepage einen Artikel von Claudio Breda mit folgender Passage: “Damals wurde von einst misshandelten Kindern behauptet, dass alle Kinder vom Teufel besessene Wesen seien. Nur durch Zucht und Schläge könne dieser aus ihnen vertrieben werden.”

Dieser ist für mich wichtig, da auch ich in meiner Wochenbettdepression dazu neigte, in psychotische Denkweisen abzurutschen und auch von meinem Baby soetwas zu denken…
Das macht mir immer große Angst, auch, dass ich den Verstand verlieren könnte…

Aber nun verstehe ich auch meine “wahnhaften” Zustände besser und besser.
Meine “Mutter” prahlt heute noch damit, dass sie mich immer am anderen Ende des Hauses in das Elternschlafzimmer eingeschlossen(!) hat, angeblich, um mich vor den zwei älteren Adoptivbrüdern zu schützen.

Wie mag ich das empfunden haben, den 4-5 Stunden am Stück alleine in einem Zimmer zu sein, fernab von vertrauten Geräuschen und von der Mutter…
Meine Mutter gab mir selber auch in meiner ersten Schwangerschaft den “Rat”, ich könne “das Baby ja immer in die Küche schieben nachts, wenn es schreien sollte und ich mich gestört fühlen würde…”
Meinen leiblichen Bruder hat sie übrigens nachts immer in andere Zimmer geschoben, und ihn weinen lassen,…er leidet heute an Depressionen und starken Ängsten.Er ist nicht glücklich.

Vielen Dank für Ihre Mühe!
Es hat mir schon sehr geholfen, meine “verrückten” Gedanken teilweise verstehen zu lernen.
Sagen Sie, wie sehen Sie das, warum denken Frauen in einer Wochenbettpsychose, ihr Baby sei vom Bösen besessen?
Ist es, weil sie selber als Babys nur so behandelt wurden ,als wären sie böse, schlecht, verachtenswert?

Vielen Dank nochmal, A.

AM: Ja, genau so ist es. Sie haben die Antwort selber gefunden. Man kann die Misshandlungen und die Grausamkeit der eigenen Eltern lange, allzu lange verdrängen und leugnen, aber die Geburt unseres Kindes schenkt uns die Wahrheit. Ich bin froh für Sie, dass Sie nun lernen wollen, wie schrecklich Sie als Kind gelitten haben, ohne es wissen zu wollen. Jetzt können Sie ihr Kind umarmen und von ihm lernen, wie ein Kind WIRKLICH ist und dass Sie die Lieblosigkeit Ihrer Mutter niemals verdient haben. Ihr Kind kann Ihnen jetzt helfen, das gequälte Kind, das SIE waren, zu entdecken, zu lieben und zu verstehen. Erst dann werden Sie zu einer liebenden Mutter, die Sie doch sein wollen, nicht wahr? Erst dann brauchen Sie nicht zu wiederholen, was Ihre Mutter getan hat. Erst wenn Sie aufhören, diese Mutter zu schützen, sind Sie für Ihr Kind wirklich frei. Das wünsche ich Ihnen von Herzen.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet