Harte Arbeit
Sunday 17 January 2010
Sehr geehrte Frau Miller,
gestern las ich in ihrem Buch Das gerettete Leben. Dabei wurde mir bewusst, was Sie in meinem Leben bewirkt haben. Ich möchte da anfangen, wo es für Sie vielleicht ein wenig schwierig wird. Aber es war eben so. Ich war auf einem christlichen Heilungsseminar. Wir beteten für eine etwas 40 jährige Gymnasiallehrerin. Ich sah vor meinem inneren Auge einen Baumstamm und Kinderhände, die sich daran anklammerten. Eine Waldsäge, wie sie früher die Waldarbeiter benutzten fuhr über die Kinderhände. Ich war schockiert über das, was ich sah. Zögernd schilderte ich das Bild. Daraufhin brach die Frau zusammen und schrie geradezu: Das bin ich. Der Baum ist mein Leben und die Säge, das ist meine Mutter, die mich nicht leben lassen will.
Das war für diese Frau der Anfang eines Prozesses der Befreiung. Aber ich konnte das Geschehene nicht einordnen. Einige Monate später kam dieselbe Frau zu mir und brachte mir Das Drama des begabten Kindes. Das war 1979!
Hier ein Einschub. Ich war zu der Zeit gerade noch katholischer Religionslehrer. Nebenbei hatte ich eine Ausbildung zum Familientherapeuten mit dem Schwerpunkt der Gesprächstherapie nach Rogers abgeschlossen. Im selben Jahr, also 1979, gab ich meinen Beruf als Lehrer auf und wurde auch nicht Therapeut, sondern freischaffender bildender Künstler. Das blieb ich dann bis heute. Ich begann also ihr Buch zu lesen. Darin schrieben sie, dass sich das Kind keine eigenen Gefühle erlauben darf. Der Erwachsene erinnert sich also an Naturerfahrungen an der Kindheit. Als ich das las, machte es bei mir Klick. Und damit begann ein langer und oft auch schwieriger Weg zu dem Kind in mir selbst. Ich ging den Weg ohne Therapeuten. Aber meine Ausbildung half mir dabei, dass ich diesen Weg gehen konnte. Es dauerte von jenem ersten Impuls durch ihr Buch bis zum Durchbruch meiner Kindheitsgefühle in ihrer letzten Härte, dieser schmerzenden und isolierenden als lebensbedrohlich empfundenen Einsamkeit, die wie ein Knochenfraß in mir steckte, ganze elf Jahre. Aber dann und damit war und ist der Rest meines Lebens wirklich gerettet. Wäre das nicht geschehen, so würde ich heute auf Grund meiner Kindheitsgeschichte an Altersdepressionen leiden und mich nicht am Leben freuen.
Ich möchte Ihnen für den Beitrag danken, den Sie durch Ihre Arbeit und damit auch durch Ihr Leben zu dem Gelingen meines Lebens beigetragen haben ,AD
AM: Ich bin jedesmal froh und dankbar, wenn ich höre, dass jemand meine Entdeckung am eigenen Leben überprüfen konnte. Natürlich brauchen wir dafür viel Zeit, aber was sind schon 11 Jahre im Vergleich mit den vielen Jahren des Leidens infoge der verdrängten Kindheitsqualen? Es gibt keine schnelle Wunderlösungen, aber es gibt für jeden den Weg zu seiner Wahrheit, wenn er ihn gehen will. Den haben Sie offenbar gefunden.