Fantasien

Fantasien
Wednesday 14 June 2006

Hallo,

seit ich Kind bin fantasiere ich. Als Kind habe ich mich oft in eine andere Welt projiziert. In die Welt einer normalen Familie, mit liebenswürdigen, führsorglichen Eltern, die ein offenes Ohr für ihr Kind haben und dem Kind Schutz, Geborgenheit und körperliche Zuwendung bieten. Ich habe mich in den Rollen der Personen nie erkannt. Die Rollen in diesen Fantasien spielen oftmals erfundene Menschen und Menschen aus meiner Umgebung die mich irgendwie beeindrucken oder die ich mag. Ich habe dieses fantasieren immer als normal empfunden, bis ich älter wurde. Plötzlich wurde es für mich zum Hindernis, da ich abends nicht einschlafen konnte, weil die Fantasien sehr gefühlsecht sind und sie setzten in der Schule bzw. in Situationen die für mich psychisch belastend waren einfach ein ohne das ich es kontrollieren konnte. Heue sehe ich dies als Fähigkeit, da die Fantasien mir Raum für meine Erfahrungen, mein Gedanken und Gefühle geben. Außerdem kann ich damit Gefühle von Geborgenheit und Liebe simulieren, was mich motiviert und jeden Tag, oder in schweren Situationen antreibt. Die Fantasien sind also eine normale und nützliche Reaktion meiner Psyche auf unnormale, traumatische Erfahrungen. Haben Sie sich mit dieser Leistung der kindlichen Psyche schon mal auseinander gesetzt? Es betrifft ja die Kreativität eines Kindes. Gibt es ein Fachgebiet, welches sich mit diesem Vorhalten der Traumaverarbeitung auseinander setzt? Ich würde gerne mehr darüber wissen und auch wie ich aus den Bildern meiner Fantasie lesen kann welche Gefühle und Emotionen, oder welche Bedürfnisse von mir dahinter stecken!!!

J. J.

AM: Ich kann mir vorstellen, dass Ihre Phantasien Ihnen einen Schutzraum bieten, in dem Sie Ihre Gedanken entwickeln und Gefühle spüren können, ohne sich den Ängsten auszusetzen, denen Sie als Kind in Ihrer Realität ausgesetzt waren. Das ist eine gute kreative Leistung und sie gibt Ihnen die Kraft, um später, wenn nötig, Ihrer Realität angstfreier zu begegnen. Ich kenne keine Literatur zu diesem Thema, aber Sie können Ihre Beobachtungen sammeln, sie aufschreiben und später selber etwas darüber veröffentlichen. Im Moment ist Ihre „heile Welt“ vielleicht auch eine Art helfender Zeuge für Sie.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet