Was ist Therapie?

Was ist Therapie?
Sunday 24 July 2005

Liebe Mitfühlende,

ich habe vor einer halben Stunde “das Drama” zu Ende gelesen.

Ich bin dankbar das mich dieses Buch auf Umwegen gefunden hat!
Seit einiger Zeit lese ich plötzlich ganz viel! Viele frauenthematische Literatur und psychotherapeutische ebenfalls … das ist neu: Ich lese wie verrückt! Nach Jahren plötzlich lese ich wieder!

Ich sehe nun mehr und mehr dass ich meine Erfahrungen aus der Kindheit gut zugedeckt gehalten habe, und möchte sie ein wenig mit Ihnen teilen.

Ich versuchte immer ein offener Mensch zu sein und habe oft mit meinen Eltern (die auch versuchen offen zu sein) über die mir unbehaglichen Missstände in meiner Kindheit gesprochen. Die für mich eindeutig Missstände waren. Es gab kein tiefes emotionales, wärmendes Verständnis. Dazu waren sie in ihrem Sein zu jung, unreif, selbst bedürfig in allen Belangen. Ihre Liebe war reine Selbstliebe, die sie durch ihr erstes Kind, mich, gespiegelt bekamen. Sie meinten NIE mich, aber sich!!! Das ist zumindest das Gefühl das sich bei mir nun breit macht!
Also: Ich sehe bedürftig als Säugling in meines Mutter Augen und sehe IHRE EIGENE egoistische Liebe, aber nicht das was einem Säugling gebühren sollte – BEDINGUNGSLOSES Annehmen und Geben.

Das führt sich fort bis heute – an dem Tage an dem es mir bewusst ward.

Meine Mutter ist eine von der Familie und Freunden, etc. angesehne, intelligente, spirituelle, auffallende, Frau die manch weise Dinge sagen kann (aber für ihre eigenen Probleme meist blind ist).
Umso schwerer ist es für mich frühere Missstände anzuerkennen, sie auch zu erklären anderen Familienmitgliedern gegenüber, die mein ablehnendes kritisierendes Verhalten, meiner Kindheit gegenüber, nicht akzeptieren können. Und doch scheint es mir kommt manchmal eine kaum hörbare Bemerkung durch, die mich zu bestätigen scheint. Aber die Angst meiner Verwandten meiner Mutter die Wahrheit darüber zu sagen scheint grösser (vorallem ihre eigene Angst vor der Vergangenheit) und meine Mutter erfährt niemals dass sie möglicherweise keine so tolle Mutter war. Also stehe ich wieder alleine da. Denn dann müssten sie ja alle, alle Familienmitglieder sich mit ihrer eigenen Geschichte befassen!!!

Ich hasse es! Ich hasse es mich alleine zu fühlen … das Gefühl zu WISSEN aber keiner VERSTEHT es, oder will es WAHRHABEN! Nein schlimmer, sie versuchen mich zu besänftigen, wie gut ich es nicht hatte: Nicht geschlagen, und so frei und alternativ erzogen worden zu sein … wie toll! HA, HA, HA, sag ich da nur zynisch!

Von meinem Vater zu sprechen fällt mir schwerer, ich habe fast keine positiven Kindheitsserinnerungen, eher nur von einem eigenartigen Gefühl begleitete, und von Angst. Manchmal dachte ich schon es hat mit Missbrauch zu tun, habe meine Mutter daraufhin angesprochen. Sie hat sich damit ehrlich auseinandergesetzt, wüsste aber nicht wann und wieso es passieren hätte sollen.
Aber ich denke es kann auch nur eine “Kleinigkeit” gewesen sein, eine Unsensibelheit meines Vaters meinem Schamgefühl gegenüber (z.B. ein Urlaub zu 2. bei dem wir ein Zimmer teilen sollen kann in einer heiklen Phase schon Folgen haben – ist in meiner Therapie in Erwägung gezogen worden) … ich weiss es nicht, und komm nicht dahinter bisher. Vielleicht ist da auch nichts körperlich passiert.

Tatsache ist, ich habe fast nur Männerfreunde, mit Frauen kann ich schlechter, und meine Partner-Beziehungen gehen jedoch alle zu Bruch, sie laufen davon, fühlen sich eingeengt und erstickt – äusserst traurig, schmerzend.
Vorallem wenn man ahnt was da los ist, aber es noch zu unklar vor sich hat das man etwas dagegen tun könnte.

Ich hasse es!

Letzens hat mich mein Vater wieder erniedrigt und gedemütigt auf seine Art mit Worten und verdeckter Aggression, in meinem eigenem Heim als er zu Besuch war, das war mir zuviel: Ich habe ihn zum 1. Mal einfach rausgeschmissen, und gesagt er soll verschwinden! (Sonst tat er das oft). Und ich fühle mich nichtmal “schlecht”. Ich könnte reifer und anders handeln wenn ich klarere Zugänge zu meiner Vergangenheit hätte, habe ich aber noch nicht. Er tut mir auch nicht Leid!
Ich tue mir Leid dass ich es nicht anders schaffe. Wie kann ich den Hass, die Wut die Trauer in Alltag umwandeln, ohne meine Vergangenheit und meinen Schmerz zu übergehen?

Indem ich die Gefühle von damals wahrnehme wie SIe sagen?
Nur wann weiss ich ob das so ist? Wann weiss ich ob es DIE ECHTEN Gefühle sind?

Mir kommt vor JETZT fängt alles an, alles bricht auf, kein Geheimnis ist vor mir sicher, kennen Sie sowas?

In meinem Leben habe ich schon viele Entwurzelungen durchgemacht, emotional, psychisch, und quer über alle Kontinente (habe längere Zeit im Ausland gelebt). Ich bin nicht 100, nein 28 Jahre alt, umso schlimmer meine ich.

Seit eineinhalb Jahren besuchte ich nach langem Aufschieben integrative Gestalttherapie – ich war als Frau bewusst bei einem Mann – die Zusammenarbeit war nicht gut, ich verfiel meinen Depressionen zusehends mehr, aber das Schlimme dran war: Ohne zu wissen voher sie kommen, es gab keine konkrete Ausseinandersetzung mit einem Erlebnis aus meiner Kindheit. Es war immer nur Bla, Bla, ich konnte mir nichts mitnehmen aus einer Sitzung, ich fühlte mich allein gelassen, auch von meinem Therapeuten. Ich begann zu lesen (Julia Onken, Colette Dowling etc.)als es mir zwischenzeitlich besser ging.
Und hatte das Gefühl ich selbst kann mir alleine besser helfen. Da wusste ich noch NICHTS vom “Drama”. Ich habe dann, nach 45 verzweifelten Sitzungen mir schlechtem Gewissen, Therapeut gewechselt.

Seit nun 5 Sitzungen bin ich bei einer Frau, sie behagt mir sehr und ist angenehm, ich habe sie über eine Freundin gefunden – nun durch das “Drama” zweifle ich aber an der Therapie. Ich bekam das Gefühl es kann schlimmer werden, und das Erstgespräch – wo ich Fragen hätte stellen können – war schon, und nun bin ich irritiert. Ich weiss zwar dass ich das mit meiner Therapeutin auch im Nachhinein klären kann, da sie sehr offen ist, und sensibel, aber ob ich nun sicher sein kann?

Das ist was sie in ihrer Praxis (die sie mit ihrem Mann zusammen führt) angibt:

“Unser psychotherapeutischer Ansatz ist ein tiefenpsychologischer.
Wir Fördern in der Therapie die Fähigkeit Unbewusstes bewusst werden zu lassen und Zusammenhänge zwischen unserer frühen Geschichte und dem jetzigen Ungleichgewicht zu verstehen. Unbewusste Inhalte sind auch im Körper und nicht nur im Gehirn gespeichert. In chronischen Spannungen der Muskel und Gelenke, sogenannten Blockierungen, werden negative Erinnerungen festgehalten. Bei deren Bearbeitung treten oft frühe Erinnerungsinhalte wieder in unser Bewusstsein. Wir arbeiten daher sowohl verbal als auch nonverbal.
Die Grundlage unserer Arbeit ist die therapeutische Beziehung. Wir versuchen in unserer Arbeit eine Beziehung aufzubauen, wo genug Vertrauen besteht nochmals in die Tiefe der alten Konflikte gehen zu können um sie zu bearbeiten.”

Ich bin nun, nachdem soviel in mir aufbricht, unsicher ob das gut ist???
Sie macht eine Mischung aus dem was sie erlernt hat:

Psychotherapeutin, Diplompsychologin, Ausbildung in Transaktionsanalyse, Integrativer Gestalttherapie und Körperpsychotherapie

Können Sie mir mit ihren Erfahrungen/Gefühlen helfen? Wann weiss ich ob die Therapieform passt, und wann ist es eindeutig dass die Zusammenarbeit nicht stimmig ist?

Ich möchte nun meinen Dank ausprechen: Das “Drama”, ihre Homepage und das Forum sind und waren mir eine große Hilfe!

Gerne können Sie mein Mail publizieren, unter diesem Kürzel: M.B.

Praktisches:
– Ich hätte gerne auch gewusst ob es Neuigkeiten gibt zu Jean Jenson und ihrer Ausbildung (Sie erwähnen es im “Drama”), gibt es da eine Kontaktadresse für TherapeutInnen? Oder andere Namen von TherapeutInnen die Sie weitergeben. Nach Empfehlungen frage ich gar nicht 🙂
– Geben Sie Kurse/Vorträge, wann?
– Und praktizieren Sie noch, und wo? (Rein aus Interesse). Leider konnte ich das auf der Homepage nicht herausfinden.

Alles erdenkliche Liebe,
M.B.

P.s. Noch weiss ich zuwenig über Sie, Alice Miller, aber zu Beginn des Buches wäre ich am liebsten zu Ihnen gefahren (weiss nichtmal wo Sie leben), und hätte mich vor ihre Türe gesetzt bis sie für mich Zeit haben. Und mir einen weiteren Tip geben können. Einfach deshalb weil, Sie mir durch Ihr Buch vermittelt haben: Ich werde verstanden!
Danke! (Nun zu Ende dieses Buches muss ich mich nicht mehr vor Ihrer Türe setzen :-))

AM: Ich meine, dass es nie zu spät ist, der Therapeutin Fragen zu stellen, denn ihre Antworten zeigen, wie weit sie das Ziel erreicht hat, das man selber für sich erreichen möchte. Wenn man, wie Sie, wirklich um jeden Preis die Wahrheit über die eigene Kindheit herausfinden möchte, braucht man eine Begleitung, die einem das ermöglicht und die einen auf keinen Fall auf diesem Weg verunsichert. Wenn eine Therapeutin noch in ihrer kindlichen Angst vor ihren verinnerlichten Eltern lebt und ihre Traumen leugnet, wird sie diese Begleitung kaum leisten können. Die üblichen Ausbildungen schützen sie nicht vor einer defensiven Haltung.

Sie finden auf meiner Website die Vorschläge für Fragen, die Ihnen helfen können zu sehen, ob Ihre Therapeutin die innere Freiheit und Authentizität erlangt hat, die Sie brauchen, um mit ihr zusammen Ihre eigene Realität zu suchen. Auch meine letzten Artikel auf der Website (z.B. Der längste Weg) geben viele Hinweise für die Suche nach Therapeuten. Trotzdem will ich hier, angeregt durch manche der letzten Briefe, noch genauer schildern, was ich unter einem gelungenen therapeutischen Prozess verstehe. Allerdings muss ich betonen, dass meine Auffassung von dem allgemeinen Trend abweicht und nur dann hilfreich ist, wenn jemand wirklich unbedingt das Kind kennen lernen will, das er/sie einst gewesen ist und sich von nichts mehr davon abhalten lässt.

Wenn ich Bedingungen aufstellen sollte, die eine wirksame Therapie erfüllen müsste, so wären dies folgende:
1. Die Therapeutin steht ganz auf der Seite des einst verletzten Kindes, sie zeigt ihre Empörung über das, was dem Kind zugefügt wurde, und verbirgt ihre Gefühle nicht hinter der Neutralität. Das ermöglicht dem Klienten den Zugang zu seinen Gefühlen, und parallel dazu taucht immer deutlicher die Realität der Kindheit auf.
2. Die Probleme der Gegenwart, bei denen starke Emotionen erlebt werden, ermöglichen ebenfalls die Aufdeckung der kindlichen Realität. Der Blick in diese Welt erlaubt es, die Intensität der heutigen Emotionen zu verstehen (Auslöser).
3. Dank dieser ständigen Wechselwirkung zwischen Gegenwart und Vergangenheit entsteht ein Wissen über die eigene Geschichte und die eigene Identität, das eine bisher nie gekannte Sicherheit vermittelt.
4. Wenn die Fähigkeit des Umgangs mit alten Gefühlen erarbeitet wurde und die Auslöser positiv bewertet werden können, erübrigt sich die Gegenwart des Therapeuten.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet