Politik und Missbrauch

Politik und Missbrauch
Monday 20 October 2008

Sehr geehrte Frau Miller, ich möchte mich am Anfang dieses Schreibens für Ihre Bücher bedanken und dafür, dass Sie den Menschen ein unglaubliches Wissen und eine Einsicht in die Seele des Menschen vermitteln. So viel ist in den Jahrtausenden der Menschheit falsch gemacht worden – basierend auf Missachtung der eigenen Person und vor allem der Kinder. Ich bin glücklich, Ihre Bücher relativ früh – ca. mit 25 Jahren gelesen zu haben, so dass meine Kinder davon profitierten und auch ich habe durch die Kenntnis der Zusammenhänge viel gewonnen. Warum ich heute schreibe:Österreich hat vor kurzem gewählt – und der Rechtsruck erschüttert viele, vor allem meine Kolleginnen in der grünen Partei (ich bin seit drei Jahren Grüne Bezirksrätin in Wien). Jede und jeder Einzelne versucht Thesen aufzustellen, warum das passieren konnte. Meine Theorie dazu: das Feindbild “Ausländer”, die uns die Arbeit “wegnehmen” und so “gefährlich” sind, ist ein Resultat der schwarzen Pädagogik. Ich meine, generationenlange Missachtung der Bedürfnisse der Kinder und falsche Erziehung in den Familien und in den Schulen macht sich nun bemerkbar. Das Unterbewusstsein der Einzelpersonen sucht geeignete Projektionsflächen – und findet sie in den Fremden. Andere Projektionsflächen wie Reichtum/die Reichen, die keine Steuer zahlen oder die Umweltverschmutzer/Ölkonzerne usw. finden beim Volk keinen Anklang. Mal abgesehen davon, dass man mit Feindbildern eh keine Politik machen sollte – es funktioniert auch nicht, weil die Menschen selbst reich sein wollen und weil sie selbst die Annehmlichkeiten der Technik nutzen wollen. Der Fremde scheint ein besserer Aufhänger zu sein und muss büßen für all das erlittene Unrecht, das durch die eigenen Eltern und Großeltern, durch Lehrer und Vorgesetzte und einen Staat, dessen Proponenten ja auch missbrauchte Kinder sein dürften, sonst würden sie nicht so lieblos und achtlos agieren. Ich möchte nun zumindest in Wien diese Ansichten thematisieren und gemeinsam mit Kolleginnen versuchen, Auswege und Lösungen zu finden.Wir suchen neue Bilder, die die Menschen verinnerlichen können. Und wir brauchen in der pädagogischen Ausbildung andere Ansätze – Ihre Ansätze.Die Menschrechte werden täglich in den Familien verletzt – wie sollten sie nicht in der Gesellschaft als Ganzes verletzt werden?Ich glaube, wir müssen uns diesem Tabu stellen und die Menschenrechte als Grundlage unseres politischen Handelns in den Mittelpunkt unserer Präsentation stellen. Und meine Bitte an Sie:Falls Sie Zeit haben, könnten Sie mir kurz schreiben, ob Sie diese Problematik ähnlich sehen oder ob ich einen wichtigen Punkt vergessen habe… Falls ich es schaffe, meine Kolleginnen zu üerzeugen, würden Sie auf Einladung der Grünen Wien zu einer Diskussionsrunde nach Wien kommen? ich würde mich sehr über eine Zuschrift von Ihnen freuen und bedanke mich jetzt schon sehr herzlich. herzliche Grüße, B.B.

AM: Vielen Dank für Ihre Einladung, nach Wien zu kommen, aber ich mache keine Reisen mehr. Doch meine Flugblätter auf dieser Webseite und auch im Youtube stehen allen zur Verfügung, die verstehen wollen, wie Gewalt in der Gesellschaft produziert wird. Vielleicht können Sie einmal eine Diskussion zum Thema “Die Wurzeln der Gewalt” organisieren, weil genau dieses wichtige Thema der Kindesmisshandlung von den meisten Politikern ignoriert wird. Wie in der Medizin will man die Folgen bekämpfen, ohne sich um die Ursachen zu kümmern. Doch dieses Verhalten geht nicht auf.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet