Beweis für Ihre Thesen
Saturday 25 April 2009
Liebe Alice Miller!
Ich lese regelmäßig mit großem Interesse in Ihrer Rubrik Leserpost. Heute möchte ich mich zu Wort melden, weil ich ein wandelndes Beispiel für jede einzelne Ihrer Thesen bin. Mir ist es in 20jähriger (Selbst)therapie unterstützt von einem FreundInnenkreis gelungen, mein Symptom von selektivem Mutismus als Folge verdrängter ritueller Gewalt in meiner Kindheit zu überwinden. 42 Jahre lang haben heftige Sprechängste und Sprachausfallerscheinungen mein Leben vergiftet. Die Tatsache, dass ich dieses lebensbehindernde Symptom vor zweieinhalb Jahren im Alter von 53 Lebensjahren überwunden habe, führe ich darauf zurück, dass ich es gelernt habe, meine Tätereltern aus ganzer Seele zu hassen. Intensive empfundene Gefühle von Hass, Wut und Zorn sind es, die mir die Gewalt über meine Sprache zurück gegeben haben, mich haben heil und ganz werden lassen.
Ich finde, es hat etwas von Tragikomik, dass ausgerechnet diese Gefühle, die gesellschaftlich unerwünscht, im Umgang von Menschen verpönt und zudem noch christlich geächtet sind, Menschen von ihren Krankheitssymptomen heilen lassen.
Ich hatte Ihre Bücher schon einmal vor 20 Jahren, als ich mit meiner Aufarbeitung ganz am Anfang stand, gelesen und fand sie damals zwar interessant, bekam aber nicht so recht den emotionalen Zugang. Am Ende meiner Selbsttherapie habe ich jetzt all Ihre Bücher noch einmal gelesen, und siehe da – jetzt wusste ich genau, was Sie meinen, weil ich es am eigenen Leibe erlebt habe. Ich kriege immer gute Laune, wenn ich in Ihren Büchern lese, den jede einzelne Zeile scheint mich zu ermuntern und mir zuzurufen: Du hast alles richtig gemacht!
Insbesondere haben mich in Ihrem letzten Buch „Dein gerettetes Leben“ die Seiten 128 – 131 angesprochen, weil Sie da so deutlich ausgesprochen haben, dass es keinen Kompromiss gibt zwischen den Interessen des inneren Kindes und der ehemals misshandelnden Eltern.
Ein großes DANKE für all Ihre Bücher sendet Ihnen KG
AM: Sie haben es geschafft, sich von Ihrem sicher quälenden Symptom zu befreien, und ich gratuliere Ihnen herzlich dazu. Sie schreiben: „Ich finde, es hat etwas von Tragikomik, dass ausgerechnet diese Gefühle, die gesellschaftlich unerwünscht, im Umgang von Menschen verpönt und zudem noch christlich geächtet sind, Menschen von ihren Krankheitssymptomen heilen lassen“. Leider ist es so, das wissen wir jetzt aus mehreren Erfahrungen von Leuten, die den Mut hatten, ihre wahren Gefühle zu fühlen. Für mich ist dies gar nicht komisch, sondern im wahrsten Sinne tragisch, dass diese Erkenntnis noch kaum Zugang findet zu der Ausbildung von Ärzten, zu Kirchenautoritäten und anderen. Die Lügen werden kultiviert, und Krankheiten werden gezüchtet auf diese Weise.