Die mütterlichen Muster
Monday 06 July 2009
Liebe Frau Miller,
zuerst möchte ich Ihnen danken, dass ich durch Ihre Bücher auf dem Weg bin, zu mir selbst zu finden. Bis vor kurzem dachte ich, ich hätte eine glückliche Kindheit gehabt und es ist nur Zufall (?), dass ich so wenig Selbstbewusstsein habe. Jetzt weiß ich, es liegt nicht an mir, sondern an meiner Mutter. Nun bin ich selbst Mutter (habe Ihnen schon vor kurzem geschrieben, Artikel „Die Körpersprache des Kindes“), wo Sie mir schon sehr geholfen haben. Leider stehe ich immer noch vor vielen offenen Fragen mit meiner eineinhalbjährigen Tochter.
Vor allem da ich jetzt WEISS, wie ich nicht zu ihr sein möchte, nämlich wie meine Mutter zu mir war. Sie hat meine Entscheidungen nie respektiert, war autoritär und cholerisch, auf der anderen Seite war sie aufopfernd und selbstlos, hat immer das „Beste für mich gewollt“, auch wenn ich es gar nicht wollte und es gar nicht das Beste war. Und gerade das hat ein ständiges schlechtes Gewissen in mir verursacht. In mir kommt gerade die große Wut auf meine Mutter zum Vorschein, alles kommt hoch und quillt nach außen, was so viele Jahre verborgen geblieben ist. Vielleicht bin ich gerade deswegen in letzter Zeit so oft schlecht gelaunt, und ich tue mir so schwer, das nicht an meinem Kind auszulassen.
Tägliches Beispiel: sie möchte sich nicht wickeln lassen. Mit knapp 18 Monaten finde ich es zu früh zum Sauberwerden, also MUSS gewickelt werden. Ich habe schon alles versucht, alle Arten der Ablenkungen, Beschäftigungen, Singen, Lachen, etc…., doch meistens wehrt sie sich mit Händen und Füßen. Ich bin immer sehr nahe dran, sie anzuschreien, und weiß nicht, wie ich das ändern soll. Ich will sie ja nicht gewaltsam wickeln und auch nicht anschreien. Ich möchte ihre Würde nicht verletzen, doch wie kann ich sie dazu bringen, sich wickeln zu lassen?
Und wie kann ich in ähnlichen Beispielen reagieren, gerade wenn es mir selbst nicht gut geht. Man ist ja schließlich nicht nur liebende, geduldige Mutter, man hat ja auch EIGENE Bedürfnisse und es gelingt mir beim besten Willen nicht immer, geduldig und verständnisvoll zu sein und nur nach den Bedürfnissen meiner Tochter zu handeln.
Dann kommt noch dazu, dass meine Tochter zur Zeit sehr an mir hängt, buchstäblich. Darum nehme ich sie auf Schritt und Tritt mit, versuche immer, ihr Bedürfnis nach Nähe zu erfüllen (es bleibt mir auch keine andere Wahl, wenn ich es nicht tue, klammert sie sich an mich und weint). Ich darf fast keinen Schritt ohne sie tun, was sehr oft kein Problem für mich ist, jedoch wird mir das auch manchmal zu viel. Manchmal BRAUCHE ich ein bisschen Abstand, um wenigstens einmal am Tag alleine auf die Toilette zu gehen, statt immer zu zweit. Das geht allerdings selten ohne Tränen und dann weiß ich nie weiter.
Wie kann ich ihre Bedürfnisse befriedigen und trotzdem nicht ganz auf meine verzichten? KP
AM: Weshalb MUSS ein 18 Monate altes Kind gewickelt werden, wenn es nicht will? Gibt es nicht im Jahre 2009 Einlagen, die man in die Unterhöschen schieben kann, ohne das Kind gegen seinem Willen bei dieser Hitze mit Windeln einzuwickeln? Das Kind weiss, weshalb es etwas nicht will, aber kann es noch nicht sagen. Vielleicht klammert sich Ihre Tochter an Sie, weil sie Ihre Wut auf Ihre Mutter spürt und diese ihr angst macht. Sie will Sie ständig beschützen (und auch sich selbst durch Sie). Auch Ihnen macht diese Wut angst, daher übertragen Sie sie auf das Kind, das Ihnen jetzt auf die Nerven geht. Erst wenn Sie Ihre starken und berechtigten Gefühle für Ihre autoritäre, machtsüchtige Mutter klären können, werden Sie für Ihre eigenen Bedürfnisse und für diejenigen Ihrer Tochter frei. Sie will Ihnen ja dabei helfen.