Kinder lernen Gewalt
Thursday 02 March 2006
Sehr geehrte Frau Dr. Miller,
als Betroffene befasse ich mich intensiv mit dem Thema „Misshandlung“ und habe auch einige Ihrer Bücher gelesen. Dabei ist mir Foglendes aufgefallen: In Ihrem Buch „Das Drama des begabten Kindes“, in der mir vorliegenden Fassung von 1983, schreiben Sie als Einsicht Nr. 1: „Das Kind ist immer unschuldig.“
Auf Ihrer Homepage unter „Flugblätter“ steht unter: „Wie entsteht emotionale Blindheit? 21 Punkte“ als Nr. 1 „Das Neugeborene Ist immer unschuldig.“ Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir mitteilen würden, aus welchen Gründen Sie diese Änderung vorgenommen haben. Die Aussagen beinhalten meines Erachtens eine qualitative Differenz.
In der späteren Fassung des „Dramas“ sind die Einsichten leider nicht mehr angeführt. Vielleicht weil sie im neuen Nachwort zu „Du sollst nicht merken“ enthalten sind?
Mit freundlichen Grüßen, C. B.
AM: Seit 1983 hörte ich manchmal hie und da von Morden, die Kinder, sogar kleine Kinder, begangen hätten, zb an ihren Geschwistern. Sie haben von ihren Eltern Gewalt gelernt und haben sie sehr früh weitergegeben. So können mir meine Kritiker leicht entgegnen, dass auch Kinder schuldig werden können, und das wird ja ständig behauptet, weil die Art, wie Kinder von Erwachsenen zu „bösen“ Kindern gemacht werden, ignoriert wird. Wenn ich aber schreibe, dass ein Neugeborenes unschuldig ist, kann das eher akzeptiert werden, obwohl auch das nicht immer der Fall ist, weil Eltern manchmal schon bei der Geburt auf das Kind ihren unbewussten Hass auf ihre eigenen Eltern projizieren können und es mit ihrem Hass so prägen, dass es fast keine Chance hat, etwas richtig zu machen und aus Verzweiflung „böse“ wird.
Ihre Frage bezüglich der 21 Punkte haben wir an den Verlag weitergeleitet, vielleicht können die Punkte in den nächsten Nachdruck wieder hineinkommen. Danke für die Meldung und für Ihre aufmerksame Lektüre.