Wörter
Sunday 11 May 2008
Sehr geehrte Frau Miller,
vorweg, ich finde Ihre Denkweise und Arbeit sehr wichtig und gut, bin aber heute bei einer Ihrer Antworten über zwei Betitelungen gestoplert,
die mich irritiert haben:
„Haben Sie eventuell die Möglichkeit, über die Kindheit dieses Monsters nachzuforschen? Dann könnten wir aufzeigen, wie Bestien produziert werden“
Warum verwenden Sie die Wörter „Monster“ oder „Bestie“?
Mit freundlichen Grüßen, G. W.
AM: Weil diese Worte meines Erachtens genau das benennen, was dieser Mann getan hat, aber vielleicht noch dafür zu schwach sind. Als kleine Kinder sind wir gezwungen, jedes Verhalten der Eltern als richtig zu beurteilen. Wir lernen sehr früh, uns zu schämen und schuldig zu fühlen, sollten wir einen Betrug, eine Perversion, eine Gemeinheit bei unseren Eltern entdecken. Das Gebot „schäm dich“ erzeugt Angst vor dem Wissen des eigenen Körpers, vor dem freien Äußern der eigenen, authentischen Gefühle und Meinungen, die viele Menschen ihr Leben lang begleitet. Leider auch, wenn sie Therapeuten geworden sind. In diesem Sinne schreibt zB ein Psychoanalytiker in einer Kritik meines letzten Buches, man solle zwar dem Patienten Mitgefühl zeigen, doch man dürfe sich niemals zum „Richter aufschwingen“. Dieses Tabu, nicht über die Eltern des Patienten (und die eigenen) zu urteilen, führt meines Erachtens dazu, dass jahrelange Analysen erfolglos bleiben. Im Gegensatz zu dieser Haltung meine ich, dass der Therapeut nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat, unmenschliches, grausames, oft perverses Verhalten der Eltern seiner Patienten zu VERURTEILEN, damit sich seine Patienten von ihrer seit der Kindheit bestehenden Konfusion befreien können. Dafür brauchen sie einen PARTEIISCHEN Begleiter. Um dies den Patienten geben zu können, müsste sich der Therapeut von seiner eigenen kindlichen Angst befreien und die eigenen, früh erfahrenen Misshandlungen nicht länger auf Kosten seiner Patienten bagatellisieren.