Verwirrung in manchen Therapien

Verwirrung in manchen Therapien
Saturday 23 January 2010

Hallo sehr geehrte Frau Miller,

mit Interesse verfolge ich seit geraumer Zeit Ihre Internetseite und habe auch Bücher von Ihnen gelesen. Hier finde ich einige Ansätze sehr aufschlussreich, da ich selbst Therapeut bin und mittlerweile zu 90%, der von mir behandelnden Themen, meiner Klienten ihre Ursache in der Kindheit oder sogar bereits im Mutterleib haben. So habe ich bei der aufdeckenden Therapie immer wieder feststellen können, dass es oft zu Amnesien kam und sich die Klienten vor allem an die schlimmsten Ereignisse nicht mehr mit ihrem Bewusstsein erinnern konnten oder die Jahre gänzlich ausgeblendet hatten. Immer wieder berichteten sie, dass sie sich erst an Ihre Jugend, so ab 15 oder älter, erinnern können. Somit bearbeiten wir die Problematik in einer leichten Trance mittels Hypnose und decken auf durch dissoziiertes Durchleben. Hier zeige ich auf, dass der oder die Klient/in nicht der Täter ist. Die Meisten bzw. alle fühlen sich nämlich als solches, da sie der Meinung sind, dass Sie die Taten der Peiniger nicht hätten zulassen dürfen. Ich zeige Ihnen auf, dass er oder sie die Starken waren, da sie all diese Erniedrigungen ausgehalten haben und gebe ihnen jetzt die Möglichkeit ihren Peinigern alles an den Kopf zu werfen, was sich über die Jahre aufgestaut hat und lasse diese Peiniger wissen, dass die Klienten nur Leid (kein Mitleid) und Verachtung für sie empfinden. Auch lasse ich die Peiniger die Fehler, die sie gegenüber ihrem Opfer begangen haben eingestehen, mittteilen und aussprechen. Entgegen der Meinung vieler anderer Therapeuten oder Systemaufsteller lasse ich keine Entschuldigung oder ein um Verzeihung bitten seitens der Peiniger zu, da ich der Meinung bin diese Taten sind nicht zu entschuldigen oder zu verzeihen. Allerding und aus diesem Grund schreibe ich Ihnen diesen Brief, bin ich auch der Meinung das vieles auch oft systemisch an uns weiter gegeben wird. Das heißt, dass wir so handeln, weil wir es nicht besser wissen (der berühmte Klaps, der ja bekanntermaßen eigentlich nicht schaden soll).Somit wird unser Fehlverhalten immer weitergeben, von Generation zu Generation. Soll ich nun solche Eltern gänzlich ablehnen? Ich meine nein, zumindest nicht auf der sogenannten „nicht operativen Ebene“, da wenn ein Kind in die Welt geboren wird und davon gehe ich jetzt aus, es kein Unfall war, sondern gewünscht. Die Eltern wollen dass es gut weitergeht. Somit füge ich die Aufstellung immer mit ein, da unsere Vorfahren nun einmal zu unserem Leben gehören, denn ohne diese, egal was immer sie getan haben, gäbe es mich bzw. meine Klientin oder Klienten nicht. Also muss ich dies annehmen und Ihnen zumindest auf der nicht operativen Ebene verzeihen, damit die Energie die von meinen Vorfahren in mir fließt und selbst weitergegeben werden soll nicht unterbrochen oder gestört wird. Ich wiederhole noch einmal damit meine ich nicht die Taten werden verziehen sondern nur, das diese Peiniger Verzeihung bekommen wie klein und widerwärtig diese doch sind. Dadurch wird meine Klientin/ mein Klienten zum starken Großen und sieht dass der Große dem Kleinen hilft. Im anschließendem Gespräch sage ich meiner Klientin / meinem Klienten, dass sie der Therapie Zeit geben und alles setzten lassen sollen, bevor sie handeln und es ganz ihnen überlassen ist, ob sie auf der operativen Ebene Kontakt mit diesen Personen haben wollen oder nicht. Im Laufe der Zeit zeigt sich, was die oder der Einzelne möchte, es aber gut ist erst einmal Abstand (wenn nicht bereits geschehen)von diesen Personen zu nehmen. Es hat sich auch gezeigt das nach einiger Zeit die Klienten in der Lage sind und den Mut aufbringen alles was in der Therapie (also auf der nicht operativen Ebene) gesagt wurde in die Tat umsetzen und es ihren Peinigern persönlich, ob nun verbal direkt oder schriftlich, mitzuteilen. Aber alle berichten (vor allem bei denen die oder der Peiniger die Eltern oder ein Elternteil waren), dass es für Sie wichtig ist, das auf der „nicht operativen Ebene“ jetzt Harmonie herrscht und die Energie fließen kann. Egal was die Eltern getan haben, eines haben sie gut gemacht: meiner Klientin/ meinem Klienten das Leben geschenkt, das von nun an angenommen werden kann.

Viele Grüße

AM: Ihre Zuschrift ist ein Beispiel für die Verwirrung und mangelnde Klarheit in vielen Therapien, auch in solchen, die sich (tatsächlich oder angeblich) Mühe geben wollen.
Sie kommen offenbar von der Praxis der Familienaufstellung, deren eigentlicher Sinn doch darin liegt, dass die Klienten ihre Gefühle eben gerade NICHT FÜHLEN, sondern sich den Manipulationen fügen sollten. Da Sie nicht länger leugnen können, dass fast alle Klienten misshandelte Kinder waren, geben Sie das zu, versuchen aber doch, mit Hilfe der Manipulation die Klienten zum Verzeihen zu bewegen. So bringen Sie die Strategien der Schwarzen Pädagogik in die angebliche Therapie, die gleiche Strategie, die das Kind einst krank gemacht hat.
Den Klienten zu sagen, ich stehe auf deiner Seite, ich verurteile die Übergriffe deiner Eltern, und du darfst das auch, aber gleichzeitig musst du auf einer anderen Ebene doch vergeben, kann ja nur Verwirrung stiften und wird verhindern, dass die Klientin eine eigene authentische Haltung gegenüber den Eltern entwickelt. Diese Art von „Therapien“ist sogar verwirrender als die Psychoanalysen, die das ehemalige Kind ja offen beschuldigen, während solche „wohlmeinenden“ Therapien die Klienten eher dazu verführen zu glauben, sie hätten nun endlich eine geeignete Begleitung gefunden, auf die sie sich verlassen können.
Natürlich gibt es viele Leute, die aus der unbewussten inneren Not heraus solche schön klingenden Formulierungen begrüßen, weil sie nur das kennen und sehr früh lernen mussten, daran zu glauben. Doch mit der Zeit werden sie vermutlich neue körperliche Symptome entwickeln, weil sich der Körper nicht von der Wahrheit abbringen lässt und gegen die angebliche „Moral“ immun bleibt. Er wird weiter darauf bestehen, dass seine Signale ernst genommen werden und den Selbstbetrug nicht unterstützen.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet