Jetzt muss ich Ihnen aber endlich schreiben…

Jetzt muss ich Ihnen aber endlich schreiben…
Monday 21 August 2006

Liebe Alice Miller,

ich möchte Ihnen hier meine kleine Geschichte erzählen. Warum? Weil Ihre Bücher darin eine grosse Rolle spielen und Sie wissen sollten warum.

Meine Eltern kannten sich gerade mal zwei Monate, als meine Mutter schwanger wurde. Da mein Vater noch mit seiner ersten Frau verheiratet war. Meine Grossmutter holte mich mit 2 Monaten aus Deutschland und nahm mich mit in die Heimat auf dem Balkan, weil meine Eltern als Gastarbeiter zu wenig Geld hatten und beide arbeiten mussten. Das hinderte sie jedenfalls nicht daran, ein weiteres Kind zu zeugen und mein Bruder kam fast genau 1 Jahr nach meiner Geburt auf die Welt und kam auch zu meiner Grossmutter. Als ich ca. 2 Jahre alt war, nahmen uns unsere Eltern wieder mit nach Deutschland. Ich kann mich nicht entsinnen meine Mutter in den 2 Jahren gesehen zu haben (meine Erinnerungen reichen bis zu 2 Geschehnissen aus meinem 2ten Lebensjahr zurück). Meinen Vater war da, da gibt es auch genügend Bilder, weil er wegen der Scheidung runter musste, aber nicht meine Mutter. Es war für mich ein Schock nach Deutschland verfrachtet zu werden, weil ich von einem Bauernhof mit Tieren und Natur um mich herum in eine kleine, dunkle 2 Zimmer Wohnung ohne Bad und Klo auf dem Hausflur gekommen bin, mit einer Mutter die nicht wusste wie sie mit ihrer Tochter die immer nur nach ihrer Grossmutter fragte umgehen sollte, sondern wie ein kleines Kind reagierte, beleidigt und gekränkt. Meine Mutter nahm es mir übel, das ich sie nicht als meine Mutter vergötterte. Wie den?
Meine Grossmutter hat diese Rolle in meinem Leben übernommen. An eine bezeichnende Situation kann ich mich noch genau erinnern: Meine Grossmutter band mir immer rote Schleifchen in meine Zöpfe. Als meine Mutter das mal übernahm, sagte ich zu ihr, das sie das nicht richtig macht, die Oma wüsste wie das geht. Ich habe heute noch ein schlechtes Gewissen, weil ich rückblickend als Erwachsene verstehe, wie sehr das meine Mutter schmerzen musste. Aber es hat sie deshalb geschmerzt, weil sie die Situation aus der Sicht ihres inneren Kindes gesehen hat und nicht als erwachsene Frau, die versucht ihr kleine Tochter zu verstehen.

Anfang 20 hatte ich einen gutbezahlten Job und einen Vorgesetzten der mein Mentor war und in dem ich immer einen Ersatzvater sah. Eines Abends kam ich nach Hause und war fuchtsteufelswild wegen ihm. Er brummte mir immer mehr Arbeit auf und ich verstand so langsam, das er mich „verheizen“ würde, solange er einen Vorteil daraus hätte. Tja, war wohl nichts mit dem liebenden Vater! Ich kam also nach Hause und war sehr wütend – so wütend, dass ich mit meinem Fuss gegen die Wand trat. Ich setzte mich vor die Heizung und wollte einfach nur heulen. Aber was passierte? Gar nichts! Ich konnte und konnte einfach nicht weinen und als ich dann auch noch feststellen musste, das ich seit mindestens 2 Jahren keine Träne mehr vergossen habe, war ich sehr erschrocken. Ich begann nachzudenken und wunderte mich, warum all meine Beziehungen schief liefen, warum ich unglücklich war und warum ich immer Freunschaften des selben Kalibers schloss. Soviele Sachen, soviele Gefühle stürmten auf mich ein und ich versuchte zu ordnen. Ich fing an Bücher über Psychologie zu lesen und Werke von Freud und Jung. Ich erinnerte mich an den sexuellen Missbrach meines Vaters, zweimal befummelte er mich und daran, das meine Mutter nach Hause kam, als er mit heruntergelassener Hose aus unserem Kinderzimmer stürmte. Eigentlich habe ich nie vergessen, es überraschte mich nur, das ich ihn „weggepackt“ habe.
Ich hatte während dieser Zeit mit Magenproblemen zu kämpfen. Krämpfe und sowas. Zu der Zeit lernte ich eine junge Mutter kennen, die nach ihrem x-ten Nervenzusammenbruch beschlossen hat eine Psychoanalyse zu beginnen. Ich fand das interessant, eine „psychisch Kranke“ zu kennen. Ungefähr zur selben Zeit sass ich bei meinen Eltern im Wohnzimmer und unterhielt mich mit meiner Mutter (mein Vater schlief) und sie schaute mich an und fragte: „Also nicht das ich glaube, das da was gewesen wäre, aber man liest ja immer soviel in Zeitungen und sieht das im TVund so …hat er mal was gemacht mit Dir?“ Sie blickte mir wie ein kleines verängstigtes Mädchen in die Augen und dieser Blick schrie nur „SAG ES NICHT“ und ich lachte und fragte warum sie mich das fragte und sie antwortete „Na weil Du immer so ein schlechtes Verhältnis zu ihm hattest und Du hast ihn doch mal abgöttisch geliebt als kleines Mädchen“.
Da kommt diese gottverdammte Person, die sich Mutter nennen darf, nach 20 Jahren auf die Idee mich zu fragen, ob da was war!!! Ich begriff, das sie es wusste und das sie all die Jahre geschwiegen hat. Mittlerweile begreiffe ich auch, was für einen unbewussten Deal die zwei hatten. In der damaligen Beziehung war meine Mutter die unterwürfige, mein Vater der aufbrausende, der alles bestimmte. Doch seit dem Vorfall bzw. 2 Vorfälle, änderte sich ganz allmählich während all der Jahre diese Konstellation, sodaß mein Vater ein stummer Fisch ohne Rückrat geworden ist und meine Mutter eine Furie, wie sie im Buche steht. So hat sie mich verkauft, um aus der Situation herauszukommen, ihrem Mann unterlegen zu sein. Das Druckmittel des Wissens um seine Taten hatte sie ja. Welch perfides Spiel mit einer Kinderseele.

Seitdem änderte sich langsam etwas in mir. Einige Monate später sass ich bei besagter Freundin in der Küche. Sie fing an mir von ihrer Analyse zu erzählen und von dem Missbrauch eines Freundes der Familie. Ich hörte ihr zu und ich glaube, das war der längste Kampf meines Lebens. Ewigkeiten vergingen, mein Magen krampfte zusammen und ich rang einfach nur mit Worten. Sie erzählte und erzählte und schaute mich mit wissenden Augen an bis es nach 20 Jahren aus mir wie aus einem Vulkan raussprudelte, das es mein Vater auch getan hat. Sie drückte mir an diesem Abend die Telefonnummer eines Freud Instituts in die Hand und sagte, ich werde wohl ein paar Monate brauchen bis ich dort anrufe und mir einen Beratungstermin holen würde, aber ich soll mir Zeit lassen.
Ich wartete genau 1 Tag und hatte die Woche darauf einen Termin. Die Beratungsstunde fand ich eher grauenhaft, weil die Expertin mich eher wie am Fliessband bearbeitete und mir im Endeffekt die Nummer eine jungen Analytikerin gab (die wohl Kunden brauchte). Bei dem ersten Gespräch bei ihr, hatte ich nur einen Gedanken „Die blickt doch gar nichts und die kann ich doch manipulieren wie ich will“. Letztendlich gab mir die Analytikerin meiner Freundin ihr einige Adressen für mich mit und betonte, dass diese Analytikerinnen die „Grosse Analytiker Ausbildung“ gemacht hätte. Nach ein paar Anrufen, fand ich endlich eine ältere Dame, die mich sofort an meine geliebte Grossmutter erinnerte. Die Beratungsgespräche waren vorbei und ich wusste, das ich nach ihrem Urlaub die erste richtige Analysestunde hätte. Sie fragte mich noch, ob ich die Analyse im Sitzen oder liegen machen wollte. Ich fasste an einem 3. September den Entschluss den Kontakt zu meinen Eltern abzubrechen. Eine Woche später war ich frisch verliebt und liiert. Ich habe mir unbewusst „Ersatzeltern“ gesucht, weil ich ansonsten in ein Loch gefallen wäre. Bei diesem Partner habe ich auch über 1 Jahr die Augen geschlossen und wollte all die Lügen nicht sehen (mein Körper sprach derweil munter mit mir). Nachdem ich in einer Analysestunde solche Angst hatte, das ich dachte er bringt mich um, wenn ich mit ihm Schluss machen (glücklicherweise wohnte er in einer anderen Stadt), fuhr ich noch am selben Tag zu ihm und machte wirklich Schluss. Das erstemal überhaupt in meinem Leben, das ich mit jemandem Schluss machte, der mich angeblich liebte. Ich war einfach nur erleichtert.
Doch irgendwie fiel ich trotzdem in ein Loch. Ich arbeitete und am Wochenende sass ich von morgens bis abends vorm Fernseher, qualmte mir die Lungen zu und sah mich nicht in der Lage irgendetwas für mich zu tun.
Zudem bekam ich langsam Probleme in der Analyse. Nachdem meine Analytikerin das dritte und somit das letzte Verlängerungsgutachten schrieb, bekam sie eine Sehnenscheidenentzündung und sagte sinngemäß solche Sachen wie „Ich muss ein Gutachten über Ihre Entwicklung schreiben, das eine dritte Verlängerung rechtfertigt und bekomme deswegen sogar eine Sehnenscheidenentzündung und sie erkennen das nicht an“. Um ehrlich zu sein, war ich einfach nur baff und entgegnete nur, das es doch ihre Aufgabe sei, das Gutachten zu schreiben und sie müsse auf sich selber aufpassen und sich nicht überanstrengen. Ich hatte nur noch das Gefühl von das sie in allem Recht hatte und ich Unrecht. Es fand ein Machtkampf zwischen uns statt. Begriffen habe ich erst später. Ich fühlte mich eher wie ein Kind, das versuchte ihr alles recht zu machen und immer verzweifelter wurde, als nichts gut genug war.

Ich merkte langsam, das mir die Analyse in der Art nicht mehr viel bringt, aber ich wusste nicht warum. Ständig forderte sie mich auf meine Wut zuzulassen. Nur weiss ich, das ich absolut auf sturr stellen, wenn irgendjemand etwas von mir verlangt, was ich nicht bereit bin freiwillig herzugeben. So neigte sich die 300ste Stunde dem Ende zu und ich musste die Stunden innerhalb der Kündigungsfrist von 3 Monaten selbst bezahlen. Sie fing auch ca. ein halbes Jahr vor Auslauf der 300 Stunden damit an, das ich mich nicht genug darum kümmern würde, das ich die Stunden danach fortsetzen kann (d.h. genug Geld sparen um sie bezahlen zu können). Zu der Zeit hatte ich eine kurze aber heftige Affäre und deutete das erstemal etwas über meine Sexualität an. Aus dieser Analyse-Endphase blieb ein Satz bei mir festgebrannt, den ich erst später verstand: „Jetzt wo es interessant wird (Sexualität) und sie die nächste Stufe erklimmen könnten, da brechen sie die Analyse ab.“ Sie erwähnte auch immerfort, das man nicht nur Opfer ist, sondern auch Täter. Oftmals fragte sie mich nach guten Dingen aus meiner Kindheit und ich suchte vergeblich danach. Das war Verzweiflung pur, weil ich immer nur panisch wurde, weil ich doch ein so schlimmes Kind in mir hatte, das sich an nichts Gutes erinnern wollte(!) Die schönste Erinnerung an meine Mutter war, als ich meine Tage bekommen habe und sie mit mir Binden kaufen gegangen ist. DAS ist die schönste Erinnerung. Traurig aber wahr.
An meine Grossmutter habe ich überwiegend schöne Erinnerungen und obwohl sie einer der wenigen Menschen war, die mir sowas wie Zuneigung schenkten (der andere Mensch war meine Tante, eine feine Dame mit einer Bilderbuch-Ehe, die sich letztendlich an einer Gardienenschnur erhängte, weil sie schon jahreland unter Depressionen litt und mein Onkel sie seit Jahren betrog-was aber alles erst nach ihrem Tod rauskam), sehe ich sie auch mit kritischen Augen und erkenne auch die Machtkämpfe die sie mit meiner Mutter auf meinem Rücken ausgefochten hat. Aber so ganz habe ich sie noch nicht ent-idealisiert.

Ja, ich habe die Analyse dann abgebrochen (wie sie es nennt). Ich atmete auf – manchmal kam so eine Sehnsucht nach dem analytischen Gespräch bzw. nach dem liegen auf der Couch auf, aber ansonsten vermisste ich nicht viel. Nach einem Jahr aber, hatte ich den Drang mich mehr mit Psychologie zu beschäftigen. Insbesondere mit der Analyse, die ich trotz allem zur einzig guten Sache auserkoren habe (ich lebte ja noch in der idealisierten Analyse-Welt, die da besagt Analyse ist gut, ich bin schlecht). Bis dato kritisierte ich auch nicht an ihr. Ich sagte mir halt immer, das ich schuld am Ende der Analyse bin und einfach meine schlechten Seiten nicht sehen wollte. Ich dachte oftmals darüber nach, das ich doch ne gute Psychologin wäre, weil ich so „feine Antennen“ habe und Menschen manchmal schnell „durchschaue“. Doch jedesmal wenn ich mich mit Freuds Triebtheorie befasste oder anderes in der Richtung las, dachte ich immer nur, das mir das zu kompliziert sei und so verwirrend und das ich doch keine gute Psychologin wäre, weil ich ja mit mir noch so im Unreinen war und der Job in meinen Augen eine grosse Verantwortung mit sich bringt. Ich fühlte mich auch immer so schuldig und dachte immer nur „Auch wenn ich meinen Vater verführt habe, so hätte er als erwachsener Mensch anders handeln müssen“.
Meine Schuldgefühle waren übergross und auch das ich damals nicht Nein gesagt habe, als er zu mir ins Bett stieg, lasteten schwer auf mir. Überhaupt fand ich die ganze Literatur rund um das Thema Psychologie kompliziert geschrieben. Ich surfte in Internet-Buchhandlungen und bestellte wahllos zwei Bücher. Eines von Adler, das ich sofort wieder weglegte, weil es für mich unverständlich und uninteressant geschrieben war und das andere war Das Drama des begabten Kindes. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich es fast weggelegt hätte, weil auf den ersten paar Seiten kritisch über die Analyse geschrieben wurde. Ich habe es zu Ende gelesen, aber ich merkte auch, das in mir ein Kampf statt fand. Der Erwachsene in mir sagte, was für ein Dreck das wäre (weil die Analyse nicht in dem strahlenden Licht dargestellt wurde, wie ich es bis dato brauchte), das Kind in mir verdrängte ich.
Ich pfefferte das Buch in eine Ecke und erklärte es zu Schundliteratur. Was mich jedoch nicht daran hinderte, es zwei Monate später erneut zu lesen und diesmal gewann mein Kind die Überhand. Sie können sich vielleicht vorstellen, was für ein riesiger Stein von meinem Herzen fiel und was für Bleifesseln von meinen Füssen und Armen abfielen, als ich begriff, das kein Kind als „Monster“ geboren wird und das ein Kind seine Eltern auch nicht verführt und seine Taten und Bedürfnisse nicht irgendwelchen Trieben entspringen, sondern ganz normalen Bedürfnissen, weil es leben will und das ich hassen darf.
Ich las in kurzer Zeit all ihre Bücher und fing an meine Umwelt anders wahr zu nehmen. Ich beobachtete den elterlichen Umgang mit ihren Kindern und war bestürzt als ich das ganze Elend sah. Kinder, die in die Welt gesetzt werden, um eine Beziehung zu retten und die dann rumgeschoben werden, wenn die Rettung fehlschlug. Mütter, die fest davon überzeugt sind, das Beste für ihr Kind zu tun und es eigentlich mit unsichbaren Fesseln an sich ketten (ich schlage mein Kind nicht und lasse ihm alle Freiheiten die es braucht – schreie es aber an, wenn es beim lesen zweimal denselben Fehler macht und benutze es um mit den Eltern noch Kontakt zu pflegen, weil das Kind ja seine Grosseltern braucht) etc. Anfangs hatte ich das Gefühl jeden aufrütteln zu wollen, weil ich Dinge gesehen habe, die so klar und deutlich waren, aber ich merkte bald, dass nicht jeder so wie ich dachte und so sah. Es ist schwierig, wenn sogar die Leute, die bisher der Analyse und vor allem der Bedeutung der Kindheit so aufgeschlossen waren, sich plötzlich vehemment darüber lustig machen, wenn ich jemandem von ihren Büchern oder dem Buch von Jean Liedloff erzähle. Mittlerweile weiss ich, das ich die Analyse damals beendete, weil ich ich instinktiv merkte, das der eingeschlagene Weg nicht der richtige war.
Er war anfangs richtig, weil ich endlich reden konnte, aber er hörte in dem Augenblick auf der richtige zu sein, als ich verzweifelt nach der einen Nadel im Heuhaufen suchen musste, nämlich nach den guten Dingen die meine Eltern taten. Er hörte da auf der richtige zu sein, als ich merkte, das meine Analytikerin mich wieder interessant fand als ich das Thema Sexualität erwähnte. Er hörte da auf, wo ich Gefahr lief zur Untermauerung der Freudschen Triebtheorien missbracht zu werden (obwohl ich die nie so recht verstand – logisch, da sie falsch sind).

Ich habe viele Dinge erkannt und gehe mit vielen Dingen anders um. Ich höre auf meinen Bauch, auch wenn ich ihn oft höre, aber ignoriere. Ich schreibe meine Träume auf und „höre“ ihnen zu. Im übrigen habe ich durch Träume herausgefunden, das ich NEIN gesagt habe, als mein Vater zu mir ins Bett stieg. Ich weiss genau wohin mein Weg führt und was ich noch alles erfahren will. Theoretisch bin ich auf dem richtigen Weg, aber ich habe mich auch von dem Irrglauben befreit, das man einfach nur „erkennen“ muss, um einen anderen Weg einzuschlagen. Zur Zeit kämpfe ich darum, meine verinnerlichten Eltern abzuschütteln und meinem inneren Kind ein grösseres Sprachrohr zu geben. Es reicht nicht, einfach den Kontakt mit den Eltern abzubrechen oder ihnen einen Brief zu schreiben, wie ich das tat. Ich muss zu den guten Eltern meines eigenen inneren Kindes werden. Ich weiss, das ich Zeit brauche und das ich Begleitung brauche. Ich kenne einen Grossteil meiner Muster und es gelingt mir immer besser diese frühzeitig zu entdecken, wenn ich mal wieder versucht bin, ihnen zu folgen. Aber es ist noch ein weiter Weg, das wieder an mir gutzumachen, was Generationen vor mir verbrochen und weitergegeben haben. Und ich begreife erst jetzt, wo ich einen Weg einschlagen will, der mich von meinen Eltern wegführt, wie stark diese Fesseln sind. Ich begreife mit was für einem unheimlich starken Kleber sie mich an sich gebunden haben, aber ich habe keine Angst mehr vor der Zukunft. Ich habe keine Angst zu sehen und ich bin vor allem neugierig auf das was noch alles in mir schlummert.
Ich freue mich auf die Entdeckung meines wahren Selbst, wie schmerzhaft dieser Weg auch sein wird oder wieviel Freundschaften und Beziehungen dabei auf der Strecke bleiben. Es gibt für mich nur den einen wahren und richtigen Weg, nämlich mich Selbst, mein inneres Kind zu finden. Ich möchte mich bei Ihnen hiermit ganz herzlich dafür bedanken, das Sie den Mut hatten mit Ihren Büchern, Gedanken und Beobachtungen Partei für die Kinder dieser Welt zu ergreifen (ob sie nun noch Kind sind oder im erwachsenen Körper leben).

Alles Gute für Sie & Grüsse aus F., M. D.

PS: Vielleicht können Sie mir diese Frage beantworten: Muss ich davon ausgehen, das Psychoanalyse immer heisst, Theorien nach Freud, Jung und Co. ? Der Dschungel der Erklärungen ist etwas dicht und ich als Laie blicke da nicht so recht durch. Ich mochte die Analyse, weil ich auf der Couch liegen konnte und nicht ständig jemandes Gesicht vor mir hatte, ausserdem konnte ich geradeheraus frei erzählen was mir gerade in den Sinn kam.
Legt jeder Psychologe, der therapieren bzw. analysieren darf, sich seine eigene Welt zurecht. Verstehen Sie mich nicht falsch, die FAQ zu der Therapeutensuche habe ich bereits gelesen, ich frage mich eben nur, ob man im Studium alles „gelehrt“ bekommen und sich dann selbst heraussucht, wie es richtig und wie falsch funktioniert. Ich habe mich auch damals gewundert, als meine Analytikerin mich fragte, ob ich die Analyse im Sitzen oder Liegen machen möchte. Ich dachte immer Analyse wäre immer nur im Liegen. Ich habe sie nie danach gefragt.

AM: Ihre Geschichte ist erschütternd, und Ihr Mut, trotzdem die Wahrheit kennen zu lernen und sich neues Wissen anzueignen, haben mich sehr beeindruckt. Sie fragen mich, ob sie eine neue Analyse machen sollten, weil Ihnen das Liegen beim Sprechen gut getan hat. Ich rate jetzt immer von einer Analyse ab, weil ich der Meinung bin, dass sie es erschwert oder gar verhindert, die Realität eines einst misshandelten Kindes voll und ganz emotional zu entdecken (siehe meine Artikel). Die Theorien von Freud und Jung dienten meiner Meinung nach beiden als Mittel zur Flucht vor dieser Realität. Doch das Liegen in der Therapie kann doch auch in einer aufdeckenden Therapie praktiziert werden. Warum nicht?

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet