Verlustängste / Selbst quälen

Verlustängste / Selbst quälen
Friday 23 March 2007

Sehr geehrte Frau Miller,

ich habe eine sehr schlimme Kindheit hinter mir, die mich sehr sehr negativ ( für mich ) geprägt hat. Ich wurde geboren und war da. Mehr nicht. Ich wurde nicht gesehen. Ich wurde benutzt. Ich wurde geschlagen, ignoriert, kam zur Kinderverschickung, seelisch vergewaltigt, man hat versucht mich zu brechen. Als all das nicht den gewünschten Erfolg brachte, kam ich ins Heim.Ich leide unter Angst und Panikattacken. Habe mir Zwänge angeeignet und verschiedene Süchte. Ich bin froh das ich mittlerweile vieles erkannt habe und ablegen konnte.

In den vergangenen ca.27 Jahren habe ich vieles sehr vieles gelesen um mich zu verstehen, um mich besser kennen zu lernen. Ich wollte Antworten auf meine Fragen. In den Bücher kam ich dann immer wieder an Stellen womit ich nicht klar kam, wo sich mein Innerstes anfing zu winden. Ich kaufte weiter Bücher, weil ich auf der Suche war. Vor ca.1 1/2 Jahren fiel mir Ihr Buch “Das Drama des begabten Kindes” in die Hände. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich verstanden. Ich war angekommen. Mittlerweile habe ich alle Bücher von Ihnen und sie auch schon mehrmals gelesen. Ich entdecke immer wieder etwas neues. Ich möchte Ihnen von ganzem Herzen dafür danken. Ihre Bücher sind mir eine sehr große Hilfe. Auch das Forum hat mir durch den Austausch viel gebracht.

Ich war an einem Punkt an dem ich dachte, du schaffst es. Unterschwellig waren da immer noch Ängste…na ja…du schaffst es. Bis vor ca. 4 Wochen. Da wurde bei meiner Partnerin bei einer Vorsorgeuntersuchung etwas festgestellt das mich total aus der Bahn geworfen hat. Ich bekam Angst sie zu verlieren. Ich bekam Panikattacken, Weinkrämpfe, konnte nichts mehr essen, nicht schlafen. Es war die Hölle. Ich dachte oft an Selbstmord. Ich wollte diese Gefühle nicht.Ich will nicht mehr diesen unerträglichen Schmerz von Traurigkeit, Alleinsein,Ohnmacht,verlorenheitsgefühl und diese wahnsinnige Angst. Mittlerweile hat sich das mit meiner Partnerin zum positiven gewendet. Trotzdem bin ich noch schwer angeschlagen. Ich weiß auch das die ganze Emotionen/Symtome mit meiner Kindheit zusammen hängen, das der “kleine Mann” in mir sein Recht, seine Aufmerksamkeit fordert damit endlich seine Wunden gesehen und geheilt werden können. Ich denke und hoffe das ich es schaffen werde diesen Weg zu gehen.

Was ich aber nicht verstehe ist: Warum quäle ich mich mit abartigen Horrorvisionen. Ich male mir Dinge aus – die meine Partnerin bereffen – die mich unendlich qälen. Warum quäle ich mich mit solchen Vorstellungen. Warum verletze ich mich so? Für was will ich mich bestrafen? Will ich mich überhaupt bestrafen? Ich möchte verstehen, verstehen weil ich dann meine zu wissen das ich dieses Zwanghafte nicht mehr tun brauche. Können Sie mir Denkanstösse geben die mir bei dieser Frage weiter helfen? Ich habe schon viele Antworten durch Sie gewonnen. Ich würde mich sehr freuen wenn Sie mir auch diesmal weiter helfen können. Es ist schön, das es Sie gibt.

Mit freundlichen Grüßen, M.G.

AM: Ich weiß ja nicht, was diese “Horrorvisionen” Ihnen erzählen, weil Sie nicht davon berichten, aber ich zweifle nicht daran, dass sie Ihnen Mitteilungen über frühere Erfahrungen machen, aus der Zeit, in der Sie noch nicht “der kleine Mann” waren, sondern vielleicht ein kleines verlassenes und gequältes Kind. Jetzt erst haben Sie vielleicht genug Kraft und Geborgenheit durch Ihre Partnerin, um mit diesem winzigen Kind Kontakt aufzunehmen, für das seine Umwelt ein verwirrender Horror war. Lassen Sie sich Zeit und schreiben Sie diesem Kind. Es wird sich Ihnen mit der Zeit deutlicher mitteilen. Schreiben Sie auf, was Sie dabei fühlen und was Ihnen am meisten wehtut und sie ängstigt.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet