gefühle verstehen

gefühle verstehen
Monday 24 November 2008

Hallo Fr. Dr. Alice Miller,

in meinem Leserbrief vom 19.11. “Trauma auflösen?” kommt es vielleicht nicht ganz so rüber, daß ein Weg zur Gesundung des Traumas möglich ist. Da ich mich für Technik interessiere (wie so viele Menschen in dieser von Technik geprägten Welt), versuche ich mir von der Seite des “bioelektrischen Apparates” Gehirn die Vorgänge verständlich zu machen. Wenn also traumatische Erlebnisse als Nervenbahnen im Gehirn angelegt wurden, dann sind sie dort zunächst einfach mal nur dort vorhanden. Ich vermute, daß sie in einem Teil des Nervensystems sind, das normalerweise Schmerz, Trauer und Zorn auslöst. D.h., es wäre notwendig sich in den Bewußtseinszustand der traumaauslösenden Begebenheit hineinzubegeben (oder man gerät irgendwie hinein) und dann den natürlichen Reaktionen endlich freien lauf zu lassen, bzw. die angelegte Blockade dazu überwinden. Daß war bei mir auch so und ich schlug mit Handtüchern und Fäusten auf mein Bett und Kissen ein, und schrie mir im Zorn unter Tränen vom Leib, was mein Vater mir und der Familie angetan hatte. Danach ging es mir wesentlich besser. Vermutlich geschieht das selbe, wenn man einen Brief schreibt in dem Wut, Trauer und Zorn zum Ausdruck gebracht werden, vielleicht sogar noch besser, weil dann alles explizit verarbeitet wird und die neuronale Verarbeitung in feinere Bereiche gelangt. Ich denke es ist wichtig, daß man nicht nur Anklagt, sondern vor allem seinen Gefühlen Ausdruck verleiht, wie habe ich mich dabei Gefühlt, bei der Unterdrückung (Zorn), der ungenügenden Befriedigung (Schmerz, Kummer), dem Verlust an Lebens- und Beziehungsmöglichkeiten (Trauer)? Denn das Gefühlsleben ist der wichtigste Bestandteil des Menschen. Die Grundgefühle Wut, Trauer, Schmerz und Freude müssen ausgelebt werden dürfen, damit die Seele gesund bleibt (oder wird).

Liebe Grüße

W.S.

AM: Es geht nicht darum, Gefühle “auszuleben”, sondern sie zu LEBEN und VERSTEHEN. Wenn man aber vor der Anklage immer noch, wie in der Kindheit, angst hat, ist dieses Verständnis für unseren berchtigten Zorn nicht möglich. Alle Kissen der Welt, die man schlagen könnte, helfen nicht, wenn man nicht sehen darf, womit unsere Eltern unseren Zorn ausgelöst haben. Falls wir dies aber sehen und fühlen können, bauchen wir keine Kissen mehr zum Schlagen.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet