Das Kind im Erwachsenen
Wednesday 28 June 2006
Sehr geehrte Frau Miller,
der gott, der uns bestraft für erkenntnis, der uns bestraft weil wir böse sind, der wurde doch von den menschen erschaffen. von den menschen, die mißhandelten und die etwas brauchten um diese mißhandlung zu rechtfertigen, sogar als „gottgewollt“ zu bezeichnen. sie übergaben die legitimation an eine „höhere macht“, die das angeblich so will, und hatten so eine wunderbare rechtfertigung gefunden weiterhin zu mißhandeln. auch, daß erkenntnis eine sünde sei, paßt herrlich um ja die mißhandlungen weiterführen zu können. da der mensch diesen gott erschuf, damit meine ich, er gab ihm diese eigenschaften, diese lebensfeindlichen eigenschaften und gebote. das fängt bei „der mensch ist von grund auf böse und gehört dafür bestraft“ an und äußert sich in vielen details „homosexualität ist eine sünde“ „priester müssen im zölibat leben, sex (vor der ehe) ist eine sünde,in jedem fall aber etwas schmutziges, über das man nicht spricht und schon gar nicht freude daran hat“ „menschen gehören bestraft, wenn sie sündigen und eine sünde ist schon alleine ihre existenz und freude an lebendigen dingen“. das vierte gebot „du sollst vater und mutter ehren“, ja nicht dagegen verstoßen! (dazu hab ich ein sehr interessantes theaterstück gesehen: anzengrubers: „das vierte gebot“, ichdenke in diesem stück wird eindeutig angeklagt und auch nicht im nachhinein verschönert und doch wieder verziehen)
ich denke, wenn es einen gott gibt, dann kann man diesen nicht mit menschlichen, irdischen gedanken verstehen. ich weiß nicht warum er kriege zuläßt, warum er überhaupt die mißhandlungen zuläßt, warum er alles sich so entwicklen hat lassen?
ich habe mich selbst oft gefragt warum ich alles erleben hab müssen? warum mußte ich so leiden? warum mußte ich schon soviel weinen in meinem leben? warum mußte ich durch diese hölle gehen, die sooft an der grenze meiner belastbarkeit war?
das einzige was ich weiß ist, daß ich für mich den sinn darin gefunden habe, daß ich heute menschen helfen kann. ich könnte menschen heute nicht so helfen, wenn ich das alles nciht erlebt hätte und mich daraus befreit hätte. natürlich ergibt sich dann sofort wiede die frage, warum es überhaupt soviel leid gibt, aus dem man den menschen helfen muß. also warum das leid überhaupt existiert.
ich kann auch dem buddistischen gedanken etwas abgewinnen, daß es um die befreiung der seele geht, und die seelen sich körper aussuchen, um einen beitrag in diesem leben dazu zu leisten, diese seele zu befreien.
mit lieben grüßen
V
AM: Ich bin mit Ihnen einig, dass das widersprüchliche Bild Gottes von Menschen erschaffen wurde, aber, wie ich meine, nicht von den „bösen“ Erwachsenen, die bei diesem Gott Unterstützung für Ihre Misshandlungen suchten, sondern von den misshandelten Kindern, die ihre Eltern vergöttert haben und IN DEN ERWACHSENEN BIBELSCHREIBERN unverändert überlebt haben. Um das zu verdeutlichen, kopiere ich Ihnen hier einen Text, den ich vor kurzem als Antwort auf eine andere Frage geschrieben habe:
AM: Für das kleine Kind sind seine Eltern wie allmächtige, allwissende, liebende Götter. Immer. Wenn es Erfahrungen macht, die diesem Bild widersprechen, wenn der liebende Vater schreit und schlägt, versucht es sich, diese zu „erklären“, indem es sich selbst beschuldigt, um die Unversehrtheit seiner Götter zu retten, die es zum Überleben braucht. Diese kindliche Bemühung sehe ich in den theologischen und auch vielen philosophischen Bemühungen, die das kindliche Bild Gottes erhalten wollen. Warum hat der liebende Vater seinen Sohn geopfert und ihn kreuzigen lassen? Um uns von unseren Sünden zu erlösen. Warum hat er uns die Erkenntnis schon sofort nach der Schöpfung (der Geburt) verboten, noch BEVOR der Mensch „sündigte“? Sicher zu unserem besten, wir brauchen seine Gründe nicht zu verstehen, da wir an seine Liebe glauben. Warum lässt er zu, dass es Kriege, Kindesmisshandlungen und sinnlose Morde gibt, wenn er allmächtig ist und uns doch helfen könnte? Weil wir böse sind und es nicht besser verdienen. Man könnte so weiterfahren und eine schöne Kinderfibel daraus machen. Aber das hat NICHTS mit der Realität eines erwachsenen fühlenden Menschen zu tun, der es nicht nötig hat, mit offensichtlichen Widersprüchen zu leben. In meinem Buch „Abbruch der Schweigemauer“ befindet sich ein Kapitel über die Klagen des Propheten Jeremias, die diese kindliche Dynamik illustrieren.