Es kann nicht sein, was nicht sein darf

Es kann nicht sein, was nicht sein darf
Wednesday 17 May 2006

Liebe Frau Miller,

vor Jahren hatte mir meine Therapeutin Ihr Buch “Die Revolte des Körpers” empfohlen. Ich habe mir die Empfehlung zwar notiert, aber das Buch nie gekauft. “Weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte.”, sprich ich den elterlichen Mißbrauch mir nie eingestehen konnte. Schließlich gab es keinen sexuellen Mißbrauch und “wenige” Schläge. Irgendetwas hat mich nach Jahren nun doch zu Ihrem Buch greifen lassen und es ist wie eine Befreiung für mich. Ich bin mißbraucht worden in der Form, daß meine Eltern absolute Herrschaft über mich ausüben woll(t)en, in der Form daß es nichts Liebendes und Verzeihendes für mich gab, in der Form, daß meine Eltern ihre eigenen Probleme und Konflikte miteinander auf mir (und meinem Bruder) ausgetragen und übertragen haben.

Für mich kamen auch noch “Eltern-Ersatzpersonen” (Lebenspartner, Vorgestzte) hinzu, sprich Menschen die eine ähnlich dominante und machtausübende Eigenschaft haben und von denen ich mich so behandeln ließ wie von meinen Eltern.

Zum Glück und auch dank Ihres Buches, erkennne ich heute diese zwanghaften Strukturen besser und schaffe es mich zu verweigern.

Diese Erkenntnis und das Zulassen-dürfen der Erkenntnis ist ein wichtiger Schritt fü mich. Ich danke Ihnen für Ihren Mut und Ihre Stärke das Thema des elterlichen Mißbrauchs aufzuzeigen. Ich denke, mit diesem Tabu-Bruch ermöglichen Sie vielen Menschen den Weg in ein freies und selbstbestimmtes Leben.

Viele Grüße, B. H.

AM: Vielen Dank für Ihren Brief. Vielleicht wird er noch jemanden dazu ermutigen, ein gekauftes Buch einmal zu öffnen und darin zu lesen. Aber manchmal braucht es viel Zeit, bis man es aushalten kann zu erfahren, was damals geschah… Eine Leserin schrieb mir, dass sie “Du sollst nicht merken” vor 15 Jahren anfing zu lesen, aber die Lektüre nicht fortsetzen konnte. Erst vor kurzem, hat sie das Buch wieder hervorgeholt und konnte es nicht weglegen, bis sie damit fertig war. Sie schrieb, dass sie viel geweint hat dabei, aber sich jetzt sehr erleichtert fühlt, weil sie seitdem ihr Leben versteht.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet