Lieber ohne Eltern als krank?
Saturday 07 July 2007
Sehr geehrte Frau Miller,
Ich habe vor 1,5 Jahren den Kontakt mit meinen Eltern abgebrochen. Sie haben sehr demütigend auf die Ankündigung reagiert, das meine Frau und ich ein Kind bekommen werden. Es hat mich so verletzt, das ich beschlossen habe, den Kontakt abzubrechen und einen Schlussstrich unter Jahrzehnte voller Erniedrigung, Demütigung und Verletzung zu ziehen.
Anfangs viel mir das nicht leicht. Doch jeden Monat gewinne ich mehr Kraft, innere Sicherheit und Selbstvertrauen. Ich bin zum ersten mal wirklich da und werde nicht ständig “irre” gemacht. Und aus vielen Leserbriefen auf ihrer Homepage entnehmen ich, das den Kontakt mit den Eltern abzubrechen anscheinend einen gute Wirkung hat. Man kommt zu sich selbst und wird gesünder, berichten viele.
Am Wochenende habe ich ihr Buch mit den sieben Geschichten gelesen und war irritiert. Vielleicht sollte ich ja doch so, wie sie da schreiben, den Kontakt wieder aufnehmen und mit Ihnen sprechen und ihnen mitteilen, wie mich ihr Verhalten in der Kindheit verletzt hat. Vielleicht ist das ja ein Zeichen von wirklichem Erwachsen sein, ein solches Gespräch führen zu können.
Anderseits krampft sich bei dieser Vorstellung alles in meinem Körper zusammen. Und, wenn es wirklich so ist, das meine Eltern schon in den ersten 3 Jahren mein Gehirn tief geschädigt haben. Vielleicht ist es dann auch gar nicht möglich, je eine emotional entspannte Beziehung mit Ihnen führen zu können. Dann werden diese eingebrannten Traumatisierungen und Liasonenn im Gehirn sofort wieder die Kontrolle übernehmen. So wie ein Override beim Computer einfach bestimmte Programm lahm legen kann.
Und so frage ich sie: Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, das ich den Kontakt wieder aufnehmen kann, ohne das es mich krank macht. Macht das überhaupt Sinn, oder ist es besser, lieber ohne Eltern gesund zu sein. Ich habe dazu in ihren Büchern noch keine klaren Hinweise gefunden und wäre über ein bischen Orientierung dankbar.
Mit den besten Grüßen, M. F.
AM: Sie haben vollkommen recht: Lieber ohne Eltern als krank. Sie zitieren ein Buch, das ich vor mehr als zehn Jahren geschrieben hatte, als ich diese Klarheit und Erfahrung noch nicht hatte, die ich jetzt habe. Auch ich musste mich von den Zwängen der Moral befreien, die so lange auf mir lasteten und mein Denken vernebelten. Sie sind auf dem besten Weg, lassen Sie sich nicht verunsichern, auch nicht von mir und den alten Ausgaben meiner Bücher. Die neue Ausgabe kommt jetzt als Taschenbuch heraus, und da stehen alle die Kompromisse nicht mehr darin. Ich bin ja nicht mit meinem jetzigen Wissen großgeworden, musste es mir erst mit der Zeit erobern, obwohl ich vermutlich als Kind die Wahrheit spürte, aber wie jedes geschlagene Kind angst hatte, diese voll und ganz ernst zu nehmen, zumal niemand mir beistand.