Zwei Bilder

Zwei Bilder
Saturday 27 February 2010

Sehr geehrte frau miller,

ich bin 47 jahre alt. vor 5 jahren wurde bei mir schizophrenie festgestellt. ich erlitt eine intensive krankheitsepisode, deren verlauf ich mit meiner biografie in zusammenhang brachte. ich wollte mich nicht mit der auskunft der ärzte abfinden, daß es sich nur um eine stoffwechselstörung wie z.b. diabetes handelt. in diesem zusammenhang habe ich einige ihrer bücher gelesen, in welchen ich mich wiederfand.

einen handfesten beweis, daß wir das ganze leben lang die bilder (und sicherlich auch gefühle) unserer kindheit abrufbar in uns tragen, fand ich kürzlich im nachlass meiner großmutter. dort fand sich ein von mir in der kindheit gezeichnetes bild, welches außerordentlich hohe ähnlichkeit mit einem bild hat, das ich während meines grafikdesign-studiums zeichnete. wir strebten damals im studium an, uns wieder so unbefangen wie in der kindheit dem zeichnen zu widmen.
als ich diese beiden bilder jetzt nebeneinander liegen sah, lief es mir kalt den rücken herunter ….bis in details gleichen sich die bilder. ganz offensichtlich war es mir damals im studium gelungen, mich wieder in die kindheit zu versetzen.

die selbsterkenntnisse, die aus meiner krankheit, der lektüre ihrer bücher und aus dem geschilderten bilder-erlebnis resultieren, haben mich dahin gebracht, kritisch meinen umgang mit meinen eigenen kindern zu reflektieren. ich habe mich bei meiner tochter entschuldigt, daß ich sie manchmal geschlagen habe. mein jüngerer sohn mußte soetwas garnicht erst erleben.

sehr geehrte frau miller, vielen dank für ihre aufklärungsarbeit!
weiterhin viel kraft und gesundheit! BN

AM: Danke für den Brief und die beiden Bilder, die sich tatsächlich sehr gleichen und eine Heiterkeit (vielleicht) vorspielen, hinter dem Hilferuf. Es ist gut, dass Sie sich so deutlich ausdrücken können.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet