Schockierende Reime

Schockierende Reime
Friday 21 August 2009

Liebe Frau Miller,

der Leserbrief von V hat mich inspiriert, gleich einige Zeilen dazu zu ergänzen. Ich stoße auch immer wieder auf das Thema “Bravsein” und bin sehr entsetzt darüber, wo sich überall Botschaften dazu finden lassen. Ich habe unlängst in 2 Kinderbüchern meiner Tochter schockierende Reime gefunden, ich möchte diese hier zitieren:

U-u-u- ich weiß wohl was ich tu: meine guten Eltern lieben, nie sie kränken und betrüben, u-u-u-….

Gute Nacht, lieber Mond, gib auf mich acht. Guck zu mir ins Fenster rein, morgen will ich artig sein!

Man findet solche Reime und unterschwelligen Aufrufe zum Bravsein überall, und keinem Menschen fällt das auf! Wie oft fragen mich (vor allem ältere) Verwandete, ob meine Tochter denn ein braves Kind ist. Ich will doch kein braves Kind! Ich will ein LEBENDIGES Kind! Leider verstehen nur die wenigsten Menschen, was ich damit meine, wenn ich so eine Antwort gebe.
Meine Mutter hat mir Ratschläge gegeben, dass ich meinem Kind auf die Finger hauen soll, weil sie dauernd ihre Trinkflasche auf den Boden wirft. Als ich ihr entsetzt geantwortet habe, dass ich mein Kind nicht schlage, hat sie mich überhaupt nicht verstanden. Sie meinte ja nicht schlagen, sondern NUR einen leichten Klaps, war ihre Antwort. Die anschließende heiße Diskussion zwischen uns hat leider nicht gefruchtet, sie hats nicht kapiert. Die Klapse auf meine Hände sind mir damals nie aufgefallen. Erst jetzt wird mir das alles klar…

Mit lieben Grüßen
KP

AM: Danke für die schönen Zitate. Das Problem ist, dass Kinder, die so erzogen wurden, später finden, ein kleiner Klaps ist doch ok, so wie Ihre Mutter es Ihnen empfielt. So geht es weiter und weiter. Wir müssen uns aus dieser Mentalität endlich befreien, wenn wir lebendige Kinder haben wollen und nicht kleine Automaten mit gefährlichen Zeitbomben im Körper, der sich später unbewusst an den eigenen Kindern rächt.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet