Gibt es Alternativen zur Analyse?
Wednesday 12 July 2006
Guten Tag Frau Miller,
ich habe soeben ihre Bücher “Das Drama des begabten Kindes” und “Die Revolte des Körpers gelesen” und finde es äußerst mutig und einfühlsam, was und wie Sie schreiben.
Ich bin 31 Jahre alt und hatte vor nunmehr 3 Jahren eine “schizo-affektive” Psychose. Kurz vor “Ausbruch” habe ich jeden Kontakt zu Menschen gemieden, habe mich völlig zurückgezogen und während dieser Zeit “aufgeräumt” mit allen Verbindungen in Form von Briefen und Texten, die ich dann nicht mehr abschicken konnte, weil ich “keine Zeit” dafür hatte, denn ich schrieb mir wie in Trance eine Woche Tag und Nacht die Seele aus dem Leib. Zunächst endete alles mit Wahnvorstellungen und totaler Erschöpfung und Zwangseinweisung in die Psychiatrie in Portugal. Der Ruhigstellung mit Medikamenten folgte 4 Wochen später ein “Rückfall”, nun in einem “fortschrittlichen” deutschen Krankenhaus. Mein Bedürfnis nach Kommunikation wurde sowohl dort, als auch in der Tagesklinik und natürlich auch während meiner 2jährigen Behandlung durch eine ambulante Psychiaterin vollkommen ignoriert. Dabei hatte ich kurz vor meinem “Rückfall” das dringende Bedürfnis, jemand “Kompetentem” meine Aufzeichnungen zu zeigen, um mir bestätigen zu lassen, was Realität and was Phantasie war. Aber niemand hat sich je dafür interessiert! Ich kann und will aber nicht mit dieser Ungewissheit leben. Denn ich will niemand zu Unrecht für irgendwas beschuldigen, aber ich habe keine Lust mehr, irgendwelche Verdrängungsspielchen fortzusetzen, die ich mein ganzes Leben (mit)gespielt habe. Wenn man selbst in einer Psychotherapie zu hören bekommt, dass alles ganz normal und in Ordnung mit mir sei, wurde ich nur weiter darin bestätigt, dass mich meine Gefühle mein Leben lang getäuscht haben. Darum danke ich Ihnen für das Veröffentlichen Ihrer Meinung als ausgebildete Psychoanalytikerin, worauf ich viel Wert lege, da ich leider auch schon mit selbsternannten “Therapeuten” sehr unangenehme Erfahrungen gesammelt habe. Natürlich kann ich mir sehr gut vorstellen, dass Sie in den offiziellen Kreisen als übelste Nestbeschmutzerin gelten, das kann ich gut nachvollziehen, auch wenn es auf anderen gesellschaftlichen Ebenen geschieht. Da ich gegenwärtig arbeitslos bin, heute sage ich zum Glück, habe ich endlich wieder Zeit, mich intensiver mit mir auseinanderzusetzen, da ich genau erkenne, dass ich wieder in die Verhaltensmuster zurückfalle, die mich damals zu der “Flucht” ins Ausland getrieben haben. Ich weiß ganz genau, dass der Satz “ich bin nun mal so” in diesem Zusammenhang völlig unangebracht ist. Ich will endlich der Wahrheit auf den Grund gehen und nicht alles einfach so hinter mir lassen, wie auch östliche “Techniken” so wunderbar predigen. Schön, dass es Leute gibt, die mit ihren Ersatzbeschäftigungen zufrieden sind – ich bin es nicht!
Allerdings verursacht mir der Gedanke an eine jahrelange Analyse oder Therapie Magenschmerzen. Gibt es eine Alternative?
Ich würde mich über eine Antwort freuen. Nochmal vielen Dank für Ihre wachrüttelnden Bücher und die besten Grüße sendet Ihnen A. H.
PS: Haben Sie sich schon mal intensiver mit Leonardo da Vinci auseinandergesetzt?
AM: Da Sie die Revolte gelesen haben, wissen Sie, dass ich keine Psychoanalysen empfehle. Da Ihr Brief sehr klar, sehr bewusst und sehr determiniert ist, zweifle ich nicht daran, dass Sie den Weg finden, der Ihnen entspricht, und sich nicht mehr Schuldgefühle werden einreden lassen. Wenn ich dazu beitragen darf, würde ich Ihnen die Lektüre meiner übrigen Bücher empfehlen, und natürlich auch die Artikel auf dieser Webseite. Falls Sie doch einen geeigneten Therapeuten suchen, nehmen Sie sich Zeit genug, um ihn (sie) zu prüfen, indem Sie im Vorfeld all die Fragen stellen, die Ihnen wichtig sind. In meiner FAQ Liste finden Sie Anregungen zu diesen Fragen.
Über die Kindheit von Leonardo da Vinci weiss ich eigentlich recht wenig. Wollten Sie etwas darüber berichten?
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrem Vorhaben und zweifle nicht, dass es gelingt.