Verwirrung als “Therapie” verkauft

Verwirrung als “Therapie” verkauft
Sunday 24 January 2010

Liebe Frau Miller,

ich habe eben mit Entsetzen den Leserbrief “Verwirrung in manchen Therapien” (vom 23.Januar 2010) gelesen. Wenn das Therapie sein soll, dann leben in Deutschland ca. 80 Millionen Therapeuten. Denn DIE verurteilen ihre Eltern ebensowenig “weil sie ihnen ihr Leben zu verdanken haben” – wenn auch vielleicht ein qualvolles. Zu Beginn des Briefes dachte ich noch:”Ups, das scheint ja ein vernünftiger Therapeut zu sein.” Das hat sich aber dann ab der Mitte des Briefes schnell ins krasse Gegenteil verkehrt. Genau wie in diesem Brief scheint ja auch seine “Therapie” zu funktionieren: Erst einmal einen guten Eindruck machen und wenn der Fisch dann angebissen hat kommen wir dann mit dem üblichen Schwachsinn. Ich empfinde es fast schon als eine Art Beleidigung für all die mutigen anderen Leserbriefschreiber, dass dieser Müll in der gleichen Reihe steht mit den wirklich oft fantastischen Briefen. Wie halten Sie, liebe Frau Miller, das eigentlich aus solch einen Blödsinn zu lesen? Ich frage mich unter welchen Amnesien dieser Mensch selbst leidet, wenn er anderen so einen Quatsch als Therapie verkauft. Und wie soll die Energie (Wut) fließen, wenn man sie nicht haben darf, denn “eines haben sie (die Eltern) gut gemacht: meiner Klientin/ meinem Klienten das Leben geschenkt”! Was ist das für ein Schwachsinn???

Es gibt wohl kaum Eltern die offen zugeben “wir misshandeln unser Kind”, aber ebenso gibt es wohl keinen Therapeuten der zugibt, dass er seinen Klienten nichts anderes zu geben hat, als seine eigene Verwirrung. Ich finde das Verhalten dieses “Therapeuten” absolut typisch und stellvertretend für fast alle anderen. Es wird erst einmal der Eindruck erweckt, man wäre gut aufgehoben und der Therapeut stünde auf der Seite des Klienten. Aber das ist nur der Köder. Sobald man sich “eingelassen” hat auf die wohlklingenden Worte, bekommt man sehr schnell den dahinterliegenden Geist der Schwazen Pädagogik zu spüren. So etwas kann kein vernünftiger Mensch verstehen, dass einem erst Wut gestattet wird, aber direkt danach Verzeihung und Dankbarkeit gepredigt werden – ein absoluter Widerspruch! So nach dem Motto:schrei deine ganze Wut raus, aber sei bitte leise dabei. Was für ein Irrsinn! Auf diese Art und Weise wird eine “Harmonie” hergestellt, die gar keine ist und nie eine werden kann, sondern nur die Sehnsucht des Klienten nach der Liebe seiner Eltern ausbeutet. So etwas nennt man in der Psychiatrie “Drehtüreffekt”. Man kommt immer und immer und immer wieder…….weil der “blöde Körper” einfach nicht kapieren will, dass man Papi und Mami dankbar sein muß, weil sie einem doch das Leben gegeben haben….völlig egal was sie einem angetan haben. Hat zumindest der “Therapeut” gesagt…..Lieber Gott lass Hirn vom Himmel fallen……

Ich muss gerade daran denken, dass ich einmal gelesen habe was Kritiker Ihnen immer wieder vorgeworfen haben. Nämlich, dass Ihre Bücher die Wiederholung des immer gleichen wären. So, als wenn die ganze Welt doch schon längst verstanden hätte worum es Ihnen geht. Davon kann, solange es massenhaft solche “Therapeuten” gibt, überhaupt nicht die Rede sein.

Herzliche Grüße an Sie Frau Miller, MA

AM: Ich verstehe Ihre Empörung, es ging mir ähnlich, als ich den Brief zu lesen bekam. Ich dachte zuerst, der Schreiber hätte sich in der Adresse verfehlt, als er gerade hier mit seinem Namen, seiner Praxis, seiner Webseite etc für seine Therapie zu werben versuchte. Aber offenbar nicht. Offenbar hat er, wie Sie schreiben, noch gar nicht begriffen, was Schwarze Pädagogok ist und dass er damit die Leute verwirrt. Ich denke, der gleiche Geist herrscht in den beliebten Aufstellungen; zuerst die angebliche Einfühlung und dann die gut bekannte Moral und die so gut vertraute Erziehung, die den Hahnen zu den wahren Emotionen dicht zumacht. Aber die meisten Leute vertrauen nur dem, was ihnen bekannt ist, auch in den großen Sekten, die an ihrem kindlichen Gehorsam und an ihrer Angst enorm viel Geld (und Macht) gewinnen. Diese Unterwerfung ist die Folge der unaufgelösten Bindung an die misshandelnden Eltern. Mit einer wirklichen Therapie hat das nichts zu tun.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet