Über das Vertrauen

Über das Vertrauen
Wednesday 03 September 2008

Sehr geehrte Frau Miller, Frau Rogers

ich möchte fragen, ob der folgende Text Ihre Zustimmung findet:

Würde und Achtung in der Suchttherapie

Von den suchtmittelabhängigen Menschen wird in der Therapie Ehrlichkeit erwartet und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Das ist auch gut und richtig so. Die Patienten sollen ehrlich sein und Verantwortung übernehmen. Sie sollen und müssen sich beweisen. Aber dafür benötigen sie auch Vertrauen. Das sollte man ihnen aber auch geben. Denn um das Vertrauen wurden diese Menschen schon früh betrogen. Schon als Kind hatten sie von ihren Eltern das nicht bekommen. Durch die Eltern hatten sie auch nicht Achtsamkeit, Schutz und Geborgenheit erfahren. Auf das alles mussten diese Menschen, als sie noch Kind waren, verzichten. Das gilt übrigens für ganz viele Menschen. Wer das nicht glaubt, den verweise ich auf die Bücher von Frau Alice Miller, angefangen vom Das Drama des begabten Kindes, erschienen1979, bis hin zu Dein gerettetes Leben. Letzteres erschien 2007. Frau Miller, die eine bedingungslose Anwältin des Kindes ist, beschreibt in ihren Büchern sehr schlüssig die mit dem Schlagen, Ohrfeigen und Züchtigen, dem Lügen, Betrügen und Demütigen von Kindern verbundenen Folgen. Davon legen die auf ihrer Homepage www.alice-miller.com Kindesmisshandlung, Kindesmissbrauch unter der Rubrik Leserpost veröffentlichten Berichte vieler einstmals verletzter Kinder eindrucksvoll Zeugnis ab. Frau Miller und Frau Rogers beantworten dort übrigens auch Fragen.

Alkoholabhängigkeit ist nur eine Folge der Entrechtung und der Missachtung der Würde von Kindern. Alkoholabhängige Menschen wurden nicht als Abhängige geboren. Als Kind waren sie abhängig von ihren Eltern. Die hatten sie in Abhängigkeit gehalten oder dazu erzogen (vgl. MILLER 1980, Am Anfang war Erziehung), wenn sie überhaupt Eltern hatten. Diese Menschen sind auch nicht als Trinker vom Himmel gefallen. Die hatten sich nur an der Flasche festgehalten, weil sie nichts anderes hatten. Das gilt für alle abhängigen Menschen und nicht für einen. Mit dem Alkohol hatten sie sich in erster Linie zugrunde gerichtet. Aber hätten sie den Alkohol oder auch andere Drogen nicht gehabt, wären sie vielleicht aus dem Fenster gesprungen oder hätten sich womöglich sonst wie das Leben genommen. Insofern hat sie die Droge möglicherweise vor noch Schlimmeren bewahrt und ihnen ihren Schmerz und das Leben erträglich gemacht. Die Droge war Flucht, bot Zuflucht, war Trost für Verluste und Betäubungsmittel für ihren Schmerz zugleich. Alkoholabhängige Menschen sind auch schwer verletzte und verletzbare Menschen. Aber das alles hört, sieht, erfährt und versteht man aber erst dann, wenn man ihnen mit Achtung und Respekt begegnet und ihnen Schutz gewährt. Erst dann konstituiert sich in ihnen und das für eine Therapie so unerlässliche Vertrauen. Achtung, Respekt und Schutz sind der Rahmen einer Therapie, der es möglich macht sich die eigene Geschichte anzusehen, sich zu verzeihen, Veränderungen zu wagen und sich aus schädlichen Abhängigkeiten zu befreien.
Mit Dank und vielen Grüßen, KS

AM: Ich stimme allem zu, was Sie hier geschrieben haben, und möchte Sie dazu anregen und ermutigen, diesen klugen, klaren und SEHR WICHTIGEN, sehr informativen Text an alle Stellen zu senden, die mit Abhängigen “arbeiten”. Es gibt sicher viele Webseiten, denen man diesen Text zusenden könnte. Ob jemand ihn versteht, wissen wir nicht, aber der Versuch würde sich sicher lohnen. Was meinen Sie dazu?

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet