Artikel Molekulare Spuren

Artikel Molekulare Spuren
Friday 30 May 2008

Liebe Frau Miller,

über den verlinkten Artikel, insbesondere den folgenden Auszug bin ich sehr schockiert:

“Frühe traumatische Erlebnisse: Die Versuche am Münchner Max-Planck-Institut weisen jedenfalls in eine ähnliche Richtung wie die in Kanada: “Wir finden bei Mäusen ebenfalls epigenetische Veränderungen nach frühen traumatischen Erlebnissen”, erklärt Holsboer. So wirke die mehrfach erlebte Trennung von der Mutter ein Leben lang nach und schwäche die Stressresistenz, jedoch können Medikamente diese Langzeiteffekte offenbar verhindern. Bestätigen sich diese ersten Ergebnisse, könnte man eines Tages vielleicht ein Vergewaltigungsopfer noch in der Notaufnahme so behandeln, dass sich das Erlebnis gar nicht erst einprägt. Dass ein solcher Eingriff bei Ratten bereits gelingt, zeigten Courtney Miller und David Sweatt von der University of Alabama in Birmingham vergangenes Jahr im Fachmagazin Neuron. Sie veränderten die Epigenetik des Gedächtnisses, nachdem die Nager ein Angsttraining absolviert hatten. Wurde ihnen kurz danach eine Substanz injiziert, die eine Methylierung blockiert, konnten sich die Tiere später nicht mehr an die erlebten Elektroschocks erinnern. Sie bewegten sich ohne Furcht im Trainingsraum, wo sie sonst regungslos verharrt hätten. Miller und Sweatt waren regelrecht verblüfft darüber, wie dynamisch das epigentische System im Gehirn noch bei ausgewachsenen Ratten war.”

Sollte es so ein Medikament/Therapie irgendwann geben, dann werde ich es meinen Kindern nach jedem Missbrauch verabreichen und dann habe ich ja gar nichts Schlimmes gemacht. Nein, ich bin froh über die Prägung meiner Erfahrungen, das bin ich, das habe ich erlebt, das ist meine Wahrheit, die ich behalten will, denn genau das hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Genau diese Prägung bietet mir die Chance, aus dieser Endloswiederholung auszusteigen, sofern ich sie spüre und nicht verleugne.

Der Artikel macht mich wütend, wütend, wütend, wütend……
Ja irgendwann ist eine Vergewaltigung eben nur noch halb so schlimm, wir haben ja was dagegen, man muss es nur früh genug einnehmen. Danke, ich verzichte darauf.

W. R.

AM: Ich verstehe gut Ihre Empörung. Leider entsprechen solche “Hoffnungen” dem heutigen Aberglauben, dass die Medizin alles reparieren kann. Sie haben recht, eine solche Haltung enthält einen Hohn auf die menschliche Persönlichkeit und ihre Geschichte. Wie gut, dass Sie sich nicht von solchen Wundern täuschen lassen. Aber Millionen lassen sich täuschen. Danke für Ihren Brief.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet