Ein Familiensystem
Friday 06 November 2009
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Liebe Frau Miller,
Ich habe bemerkt, dass ich in den letzten Briefen immer wieder das Wort Vergeben und Verzeihen entweder geschrieben, oder doch zumindest im Hinterkopf hatte, und dass ich nie genau wusste, in welchem Zusammenhang ich es eigentlich verwendete. Es ist mir gestern Nacht schlagartig bewusst geworden, was sich bei mir dahinter so lange schon verbirgt. Natürlich war es wieder die Wut, aber dieses Mal nicht nur gegen meine Eltern, sondern auch gegen meine Großmutter, die ich für mich in guter Erinnerung halten wollte, oder besser halten musste.
Herzliche Grüße, HR
Das offene Grab
Meine Großmutter war kein angenehmer Mensch. Düster, böse und auch herrisch. Meine Großmutter war die einzige, die mich am Kopf kraulte als ich noch klein war und die meiner Mutter sagte, dass sie mich dort kraulen sollte, wo ich es am liebsten hätte. Meine Großmutter blieb die Einzige, die mir über meinen Hinterkopf strich und mich zärtlich dort anfasste. Meine Mutter lachte über diesen Hinweis meiner Großmutter.
Dass mein Arm seit 2 Wochen, seit dem 32. Todestag meiner Großmutter wehtut, hat mich heute Nacht schlagartig darauf hingewiesen, dass es keinen Grund gibt, warum schöne Erinnerungen sich verstecken sollten. Meine Großmutter war der Lichtblick in der Dunkelheit, war die Illusion die ich noch immer hielt für mich, nach so langer Zeit. Ich erhielt mir die Lüge, dass meine Großmutter ein bestimmender, alles bestimmender guter Mensch meiner Kindheit gewesen sei. Mein rechter schmerzender Arm, zeigt mir wieder, dass ich mich hier irre. Meine Oma wurde krank als ich 9 Jahre alt war. Sie klagte darüber, dass ihr der Arm weh täte. Diesen Schmerz gestattete sie ihrer Umwelt zu bemerken, was fast unvermeidbar war, weil sie Rechtshänderin gewesen ist und schließlich bei jeder Berührung ihres Armes vor Schmerz schrie und zusammenzuckte und weil ihr die Arbeit mit dem rechten Arm irgendwann auch wegen der Schmerzen nicht mehr möglich war. Sie klagte nicht, sie zuckte nur, und hielt sich auch die Tränen hier zurück und drehte sich auch weg, damit niemand die Tränen ihres Schmerzes sehen konnte. Ihr Verhalten war dem meiner Mutter sehr ähnlich. Meine Oma kam ins Krankenhaus, wo bei einer Untersuchung festgestellt wurde, dass sie Krebs hatte und ihr Arm gebrochen war, schon seit Wochen. Ihre Schmerzen müssen furchtbar gewesen sein, aber sie hatte sie sich nicht gezeigt und auch anderen nicht gestattet, ihr bei ihrem Schmerz zu helfen. Meine Großmutter kam ins Krankenhaus und starb 7 Wochen später. Ich habe sie dort nie besucht. Ich wollte dort nicht hin, ich wollte nicht schon wieder das Krankenhaus besuchen. Meine Eltern drängten mich und sagten mir immer wieder, dass ich meine Großmutter, die so viel für mich getan hätte, mich gestreichelt hätte, wenn ich nachts nicht schlafen hätte können, die mir gekocht hätte und mir über den Kopf gestrichen, so wie ich es gern hatte, doch wenigstens ein einziges mal besuchen sollte. Ich tat das nicht, ich weigerte mich, ich wollte keinen Fuß in dieses Zimmer setzen, indem nach den Berichten meines Vaters, meine Großmutter unter schweren Schmerzmitteln dahindämmerte und ihre Besucher fast nicht mehr erkannte. Sie würde immer wieder nach mir fragen, sagte mein Vater vor allem, und meine Mutter schwieg dazu. Mein Vater war in diesem Krankenhaus ein halbes Jahr vorher gewesen und nach einem Blinddarmdurchbruch operiert worden. Er wäre beinahe gestorben, und ich hasste die Vorstellung auch deswegen, dieses Krankenhaus schon wieder besuchen zu müssen. Aber der Grund, warum ich meine Großmutter nicht besuchen wollte, ist ein anderer. Sie haben mir die Undankbarkeit, wie sie mir bedeuteten, alle die mir nahe waren damals, meine Eltern, meine Tante und ihr Mann, die Tochter meiner Großmutter ganz besonders, damals nicht verziehen und auch später nicht. Ich war für alle diese Menschen ein undankbarer und schlechter Junge, der seine Großmutter allein sterben lässt, obwohl sie ihn so sehnsüchtig noch ein allerletztes Mal zu sehen wünscht. Das teilten sie mir mit Blicken und auch fast unverhohlen, unverstellt mit Worten mit. Sie drängten mich, doch wenigstens ein einziges Mal noch meine Oma zu besuchen. Sie fragten mich alle immer wieder, ob ich doch nicht doch noch ein letztes Mal, wenigstens ein Mal und nur für kurz zu meiner kranken Oma gehen wolle, was ich aber niemals tat. Dann verstarb meine Großmutter. Mein Vater sagte das, nachdem ich von der Schule nach Hause gekommen war, mit Vorwurf in seinem Blick zu mir, um sich sogleich an meine Mutter besänftigend zu wenden, der er riet, die tote Oma nicht mehr anzuschauen, weil sie in den letzten Tagen schrecklich abgemagert sei und ihr Kopf so klein, dass man sie nur schwerlich wieder erkennen würde. Mein Vater redete wie von einem Holzstück, das sich verkleinert hätte. So hörte es sich für mich an. Von Mitgefühl war keine Spur. Und mich erschreckten sie mit ihrer Todesnachricht, die mich traf, mit aller Wucht, dass ich die Großmutter jetzt tatsächlich nicht mehr besuchen würde können, dass sie jetzt tot sei und meine Schuld jetzt ewig währen würde, und scheinbar tatsächlich über ihren 32. Todestag hinaus.
Wenn ich meine Träume habe und mein Blick in eine Richtung geht, wenn ich von der Straße meiner Kindheit träume, fällt mein Blick fast immer diese Straße runter in die Richtung, wo das Haus meiner Großmutter stand. Einer meiner schönsten Träume, der mir den verstummten Jungen zeigte, der auch keine Wut mehr empfindet und nur dasteht, auf einer Rampe und in die Tiefe schaut und dann von einem anderen am Arm gepackt wird, wütend und zupackend, der ihm seine Wut dann zeigt, dass er Mut doch haben soll, und jetzt seine Wut auch zeigen dürfe, zeigte mir doch eigentlich die Richtung meiner Wut. Der Blick der von der Rampe geht, zeigt direkt auf das Haus der Großmutter. Dort unten in der größten Dunkelheit stand ihr Haus, das von ihrer Tochter, vor mehr als 20 Jahren wirklich abgerissen worden ist. Mein Blick in meinen Träumen geht in diese Richtung und doch sehe ich niemals das Haus, indem ich oft gewesen bin und wie es ist, doch niemals wirklich gern. Ich sah mich auch im Hause meiner Oma neben meinem Vater stehen, mit einem Hut bekleidet und durch ein großes Schaufenster nach draußen sehen, dem Treiben eines Faschingszuges zu. Mich selbst zur Trauer stets ermahnend, so wie es sich gebührt, für einen Enkel und den Sohn der Schwester seiner Mutter. Meine Großmutter war nicht die richtige Mutter meines Vaters, eigentlich seine Tante, aber da mein Vater seine Mutter hasste und ihre Schwester lieber hatte, sagte ich auch immer Großmutter und Oma zu ihr. Ich stand also im Traum neben meinem Vater im Hutladen meiner Großmutter, wo meine Mutter eine Lehre gemacht hatte und so meinen Vater kennen gelernt hatte und schaute mit ihm stumm und schweigsam dem Faschingstreiben zu, wo sich die Leute freuten und tanzten, und schwieg in fester, kalter Trauer neben meinem Vater. Festgefroren in der Schuld und mit meinem Vater scheinbar einig, dass man sich im Angesicht des Todes seiner Großmutter nicht mehr freuen solle und auch nicht mehr freuen dürfe, dass die Freude jetzt und endgültig verboten sei. Die Schuld meiner Undankbarkeit verbietet jede Freude.
Was verhindert angenehme Erinnerungen? Nichts. Ich fühle keine neben meiner Oma, wenn ich dies hier schreibe. Da ist mein Arm, der mir zeigen will, was es bedeutet, die Schuld zu haben, beschuldigt worden zu sein, den Tod zu kennen, die Undankbarkeit zu fühlen und auf Nimmerwiedersehen und auf ewig offenbar die Freude verstecken zu müssen.
Meine Oma hat mich doch verraten, sage ich. Denn bei einem Spiel, das ich mit zwei Freunden am Fluss spielte, warf ich meinen Sandalen ins Wasser und ließ ihn treiben, dann trieb er vom Ufer weg und ich musste hineinspringen um den Sandalen wieder zurückzuholen. Was ich tat. Ich trieb jedoch auch ob und klammerte mich gerade noch an den Ast einer Weide, die am Ufer steht, mit Ästen in den Fluss. Das war meine Rettung. Ich zog mich ans Ufer, meine beiden Freunde waren in der Zwischenzeit abgehauen, wie üblich bei Gefahr, wenn das Spielen plötzlich ernst wurde. Ich ging zu meiner Oma, patschnass, mit nassen Kleidern um dort vielleicht, ja was erhoffte ich mir eigentlich? Dass mich meine Oma schützen würde vor den Schlägen meines Vaters, dass ich in den Inn gesprungen war. Ich musste nur verschweigen warum, denn dann würde er erfahren, dass ich leichtfertig mit dem Verlust eines Sandalen gespielt hatte, den mein Vater von seinem Geld für mich bezahlt hatte. Ich hatte Angst vor diesem Mann, der mich für nichts schon schlug. Deshalb versuchte ich mich rauszureden. Ich ging zu meiner Oma, und erzählte ihr, dass ich vor lauter Schauen und tölpelhaft nur in den Fluss gefallen sei, weil ich gestolpert wäre über eine Wurzel und dann, wie es der Zufall will, dann in den Fluss gefallen sei. Meine Oma sah sofort, dass ich in den Inn gefallen war. Woher sollte ich denn sonst so nass sein und der Inn fließt um die Stadt. Was meine Oma aber als erstes sagte, dass sie das meinem Vater sagen müsste, erschreckte mich so sehr, dass ich sie nicht mehr anschauen konnte, während sie mich meine Kleider ausziehen ließ. Sie redete davon, dass mein Vater ein Recht darauf hätte, zu wissen was sein Sohn machte, besonders wenn er in den Inn gefallen sei. Schließlich würden sich meinen Eltern doch Gedanken um mich machen und ganz besonders, wenn ich mich irgendwelchen Gefahren leichtfertig aussetzen würde. Meine Großmutter redete und sah mich dabei unentwegt an, während ich den Blick in ihre Richtung besonders auf ihr Gesicht hin streng vermied. Ich konnte nicht in diese Richtung schauen, wie ich in all meinen Träumen nicht mehr ihr Haus sah, weil ich das nicht mehr sehen wollte, weil ich sie nicht mehr sehen wollte, wie sie mich verraten hat und auch verraten wollte, und mich auch an meine Eltern dann verraten hat. Weil ich sie nicht mehr anschauen wollte in diesem Moment, in dem ich meine nassen Kleider auszog, nachdem ich doch eigentlich wegen eines beschissenen Sandalen in den Fluss gesprungen war und dort beinahe ertrunken wäre und meine Freunde mich auch noch im Stich gelassen hatten und davon gelaufen waren, dass ich das dann in mir spürte, dass auch Oma mich verraten hat, jetzt, gerade jetzt, verrät sie meinem Vater was passiert ist. Sie geleitet mich sogar nach Hause, um es meiner Mutter zu berichten. Mein Vater lachte nur, wie kann der Junge nur so blöd sein um in den Inn zu fallen. Nicht einmal geradeaus gehen könne ich, schimpfte mich mein Vater. Dass ich blöd sei, daran hatte ich mich schon gewöhnt, dass er mich nicht schlug, war eine Überraschung. Ich mochte meine Oma nicht mehr sehen, als sie im Sterben lag und auch nachdem ich in den Inn gesprungen war und sie mich eben nicht vor meinem Vater irgendwie beschützen und schützen wollte, wollte ich nicht mehr zu ihr. Ich habe aufgehört sie zu besuchen, was meine Eltern nicht verstanden haben und als Undank und als neue Sitten, dass man seine Oma, die so viel für einen getan habe, plötzlich nicht mehr besuchen brauchte, hingestellt wurde. Ich verzieh ihr nicht und ich hasste sie dafür, dass sie mich verraten hatte. Meine Großmutter hat mich an den Vater ausgeliefert. Einerlei, dass er mich nicht geschlagen hat. Meine Großmutter war für mich nicht da gewesen. Sie teilte weder meine Angst, noch meine Furcht, noch meine Not und hatte keinerlei Verständnis. Sie sah nicht und sie fühlte nichts von jener Angst, die ich vor meinen Eltern hatte, und sie fühlte nichts von meiner Einsamkeit.
Ich sehe das Haus meiner Großmutter in keinem Traum. Ich habe ihr das nie verziehen, dass sie mir damals nicht geholfen hat. Ich vergebe ihr auch heute nicht, wie ich ihr noch nie vergeben habe. Was mein Arm mir aber sagen will ist, dass ich endlich fühlen kann, wie viel Wut ich noch nach 32 Jahren auf die Frau, auf meine Großmutter habe, die mich verraten hat.
Nun sieh doch endlich hin, was sie getan hat, sagt der Junge in meinem Traum, der mich am Oberarm festhält und wütend schaut. Schau doch hin und fühle endlich deine Wut, dass sie dich verraten hat.
Schuld empfand ich gegenüber meiner Oma, Schuld und noch mal Schuld, jene Form von Undankbarkeit, welche meine Eltern und alle die mir nahe standen, in mich fütterten. Sie trauerten scheinbar um die Frau die meine Großmutter war, und warfen mir vor, ein undankbarer Junge zu sein. Ich war in ihren Augen ein Verbrecher an der Liebe meiner Großmutter. Ich verdiente ihre Liebe nicht. Ich war jener Einzige, für den sie sich aufopferte, und an dessen Bett sie wachte, als ich noch sehr klein war und mir über den Kopf gestrichen hatte. Ich fühlte niemals wirklich Schuld. Ich war beschämt. Sie schämten sich für mich, das sagte meine Mutter, dass ich auch nicht zum Begräbnis gehen brauchte, wenn ich schon nicht einmal ins Krankenhaus gegangen sei und das auch nicht meiner Oma zuliebe getan hätte, dann brauchte ich auch nicht zum Begräbnis gehen. Ja. Sie fütterten mich mit Undank und mit Schuld. Ich sah in meinen Eltern keine Trauer. Niemand weinte für die Oma. Alte Frau war doch alles was ich damals hörte. Alte Frau, ist nur gut, dass sie nicht mehr länger leiden hatte müssen. Gut, dass es so schnell gegangen sei. Keine Ahnung, wie die Eltern trauerten, wo sie ihre Trauer zeigten. Ich jedoch war voller Zorn, den ich niemand zeigen durfte. Auf die Eltern und die Oma, die jetzt doch gestorben war. Voller Zorn und doch auch Trauer, dass ich wütend war, dass ich so sehr wütend war, dass ich sie nicht sehen wollte. Niemand hat mir meine Wut bestätigt, niemand hat auch meinen Zorn gesehen. Die Wut des Jungen, der doch nur die Oma hatte, die ihm über seinen Kopf gestrichen hat, wenn er da lag, und sich nicht mehr traute seine Augen auch zu schließen, um zu träumen um zu schlafen, weil mir Mutter irgendwann einen Schwarzen Mann beschrieben hatte, der dann käme, wenn ich nicht gleich schlafen würde. Meine Rettung vor der Angst, vor dem Schwarzen Mann, war die Oma auch gewesen. Wenigstens ein paar Mal.
Was mein Arm mir sagen will, ohne mich zu strafen ist, dass die Wut des Kindes doch begründet ist, dass der Hass in diese Richtung, wo das Haus meiner Großmutter stand, richtig ist und dass meine Wut auf sie, die Oma, die ich hatte, auch berechtigt war. Dass die Wut des kleinen Kindes alles war, was das Kind noch hatte. War denn irgendwer auf meiner Seite? Ist da jemand der mich hört, der mir nicht verzeihen hilft? Ist da jemand ohne Schmerzen? Der auch endlich mal sein Kind inmitten seiner Wut versteht? Ist da jemand, der auch meine Wut begreift, Wut die nicht vergeben kann? Ist dort jemand, der auch seinen Arm ergreift, um sich selbst zu trösten und dann meine Wut bestätigt?
Das Feindseligste in mir
ist
jenes Wesen das mich
schlägt um zu versöhnen
und jene Frau die zu mir
sagt, ich soll IHM doch
verzeihen.
Der Feind in meinem Wesen
ist der Schmerz
der zu
mir steht und ständig
rät mich zu verbiegen
zu allen anderen
endlich hin.
Der Feind der zu mir spricht
begütigend und voller Ruhe
der leise spricht zu mir
und in der Nacht auch
kommt und schützend
scheint mit seinem Lächeln.
Der Feind in meiner Wesenheit
trägt niemals schwarz
und redet stets besänftigend
geht auf mich ein
der hört mir zu und
lauscht auch meinen
Träumen.
Der Feind in meinem Wesen
der hört sich selbst beim Reden zu.
Der spricht von vielen Leiden,
von Sorge und Gewähr,
von einem Krieg der einmal ist
gewesen, von Hungersnot
und Allerlei, der redet
sich in seine Haltung
fest und lächelt stets.
Das Schrecklichste in meinem
Wesen, ist jener Schmerz
der mich ergreift um
mich mit allem zu versöhnen.
Der schrecklichste von allen Schmerzen
den ich kenne trägt zum Gesicht
die Blindenbinde,
der punktet seinen Arm und
lächelt wenn ich falle,
der lacht, auch wenn
ein Anderer noch fällt, der lacht
auch im Gewitter
wenn Blitze seine Seele martern,
und er die Eltern sieht,
wie sie mir immer waren,
der hetzt mich gegen
meine eigene Pein,
um dieser Pein auch zu
vergeben.
Der ärgste Feind des
Feindes meiner Eltern,
der spricht
in mir stets von
Vergebung, der will den
Schmerz verhöhnen.
Der will mich mit dem
Schmerz aussöhnen.
Der ärgste Feind ist meine
Mutter, die mich zum
Lächeln zwingt.
Nun lach doch endlich
wieder, wenn auch die Welt
abstirbt und alles in die Brüche
geht, so lach doch wenigstens.
Der ärgste Feind in mir,
trägt jenes Lächeln auch
zur Schau und lächelt
immer wieder.
Der lacht die Anderen dann aus,
die nicht mehr lachen
können.
Der ärgste Feind in meiner
Art von Wesen trägt
Hosen wie mein Vater
und stiehlt sich mitten
in der Nacht hinweg
und geht dann auf
die Jagd. Der lässt
sich vollends gehen.
Verliert den letzten Halt.
Der ist in meinen Träumen
den Zügen hinterher,
vergisst die letzten Flüge.
Der gibt sich auf und
will nie mehr
zurück, zu sich und
Seinesgleichen .
Der schlimmste Feind in
mir, ermahnt den Vater,
der sehnt sich nach
dem Peiniger, doch
ihn zu schlagen, wenn
er einsam ist und ohne
Hoffnung, der regt sich
dann und will den Krieg
der ärgste
Feind des Feindes
meines Vaters
der will jetzt
weiterkämpfen, der
kämpft jetzt um die Liebe,
wer ihn nicht liebt,
sagt dieser Mann, der
kann mir nicht vergeben.
Krieg oder Frieden
brüllt dieser Feind, der
größte meines Feindes meines
Bruders Hüter
der brüllt ihn an,
und will ihn eher
töten, bevor er nicht Verzeihung fleht.
Du sollst doch nur
verzeihen jetzt, dem
Vater für die Schläge,
sagt Mutter zwischendurch
in mir und meinem Wesen.
Du musst dich nicht
verbiegen oder
gebrochen fühlen
du musst doch
nur vergeben.
Der Feind des Vaters
meines Feindes,
der bin ich
immer selbst,
ich war der Feind
von Anfang an.
Sie nährte mich mit
Widerstand und
Abneigung, sie gab
mir keine Milch
mit
friedlichem Gesicht.
Ich lernte ihre Nahrung
kennen, die Feinde
im Gesicht.
Der ärgste Feind in meinem Wesen
das ist mein Vater
der mich Frieden schließen
lehrt
mit seinen Augen
Waffen
verflucht er jeden Schmerz,
der lässt mich Frieden
schließen entgegen seiner
Hand, die mich ergreift
am Arm fest packt
zudrückt und auf die
Knie zwingt. Der ärgste Feind
in meinem Wesen ist jener Mut
den sie mir nahmen;
Sie nahmen mir die Wut,
sie schlugen sie in Stücke,
sie herzten und sie
erwärmten sich mit ihr.
Sie lachten und sie lächelten,
sie lachten über meine Wut.
Der ärgste Feind in meiner
Wut das ist der Feind des
Feindes meiner Mutter
der wütet stets vergebens,
der lässt die Mutter
selber aus, der lacht sich
aus, dank seiner Wut,
lach ich mich aus,
und lache nie mehr wieder.
Der ärgste Feind des Kindes
meines Vaters der
ruft dem Kind Vergebung zu,
wenn es die Sachen will,
die es sich wünscht,
dann braucht es nur Vergeben.
Und sage nur ein Wort, sagt
Vater abseits stehend und
lacht aus vollem Hals,
dann wirst du Weihnachten
verstehen, als Fest der Freude.
Geschenke gibt es nur, wenn
du verzeihst, dann
kannst du dich auch weiterhin
erfreuen,
sagt Vater dann.
Dann kannst du dich auch
wieder etwas freuen,
dass du Geschenke kriegst.
Sie ködern meine Seele,
sie riefen Frieden in mein Herz,
damit ich stets verzeihe,
gibt es Erlösung jetzt
für mich und meine Schmerzen.
Der Vater stellt sich hin,
die Mutter weint dazu,
der Vater schwört jetzt
hoch und heilig dass alle
Welt nur Frieden will,
das gab es auch schon
früher.
Das Kind ist stumm
ergriffen, und sieht den
Hoffnungsschimmer der seinem
Wesen auch entspricht,
solange es die Schmerzen hasst,
die seine Eltern ihm verabreichen.
Du sollst nicht immer
deinem Vater weh tun,
du sollst auch ihn verstehen.
Das Kind gibt endlich zu, dass
es den Vater ehren wird und
seine Mutter.
Es sieht sie an und nichts
erscheint den Eltern glücklicher.
Ein Kind das endlich
doch verzeihen kann
das endlich doch
verziehen hat.
Die Eltern freuen sich,
das ist die Freude
die meine Eltern
wärmt, ein Kind,
das ich gewesen bin
verzeihen lehren.
Der Feind in meinem eignen Wesen
der trägt sein Grab
zu Grabe und spricht die
Totenworte,
der bittet um Verzeihung jetzt
zur Stunde seines Todes.
Der ärgste Feind des Feindes
meines Vaters spricht
entgegen allen Träumen,
dass er mich liebt
und mutig war und
mutig ist gewesen.
Er trägt mein Grab zu Grabe
und hütet meinen Schrein,
den Vater, der Verzeihung
predigt und niemals selbst
verziehen hat.
Das ist der ärgste Feind des
Feindes meines Vaters,
das ist die Mutter
die begütigt,
die aussöhnt
alles und auch jeden
die alles doch versteht
mit Engelsaugen.
Der ärgste Feind des Wesens
meiner Eltern, der bin ich
selbst,
der sich verzeihen
soll, was es nicht
gibt, was ich nicht
will, der Zwang
sich selbst
noch zu verzeihen, für etwas
das ich, das Kind
doch nie begangen habe
und das es auch nicht
gibt.
Verzeihen sollst du deinem
Wesen, nach dem du
dir verziehen hast, sollst
du an Gräbern stehen
kannst ihre Liebe jetzt verdient
entgegen nehmen.
Das kalte Grab, voll kalter
Menschen
ist ihr Geschenk
für dein Verzeihung
geben.
Dass du dir selbst vergeben
musst, das ist die teuflischste
von ihren falschen Lehren.
Es gibt nichts
was ein Kind verzeihen
könnte
sich selbst nicht und
auch keinem Anderen.
AM: Danke für Ihre Zuschrift. Die Geschichte über Ihre Großmutter, die Sie verraten hat, macht viel Sinn und passt zum System Ihrer Familie. Jeder, der mal einen Arm gebrochen hat, weiss, wie furchtbar dies wehrut. Nun machte sich diese Frau zur Heldin, indem sie diese Schmerzen so lange unnötig ertragen hat, anstatt zum Arzt zu gehen. Offenbar hat man auch von Ihnen diese Haltung erwartet: ja nicht zu zeigen, dass man leidet, und sich „tapfer“ quälen, schlagen und verraten lassen – schweigend. Es gelingt Ihnen, dieses System zu durchschauen, und viele reagieren stark auf Ihre Beschreibungen. Offenbar helfen diese, die fragwürdigen Familiensysteme zu beleuchten, die bisher für selbstverständlich gehalten wurden.