Therapieempfehlung

Therapieempfehlung
Tuesday 11 September 2007

Guten Tag Frau Miller,

vielen Dank für Ihre Arbeit.

Ich habe in Ihren Büchern (und Texten auf ihrer Internetseite) eigentlich alle Antworten gefunden, die das Leiden meiner 2 Geschwister und mir erklären. Ich bin die jüngste Tochter einer Borderlinerin, meine älteste Schwester ist ebenfalls Borderlinerin, die mittlere hat Schizophrenie, ich selbst leide vor allem unter Depressionen und Schuldgefühlen. Unsere Kindheit war schlimm.

Was mich nun aber beschäftigt ist, ob es überhaupt eine Therapieform gibt, die einigermaßen zu empfehlen ist? Soweit ich Sie verstanden habe, kommt es vor allem auf ein Nicht-Leugnen, Annehmen und auch Mit-Empört-Sein von Seiten des Therapeuten bzgl. der Kindheitserfahrungen an?

Ich bin vor kurzem in die Schweiz umgezogen und würde gerne nun endlich selbst eine Therapie beginnen, bin aber nun doch verwirrt und auch vorsichtig.

Ich hoffe da in Ihren Arbeiten nichts überlesen zu haben und wäre Ihnen, falls möglich, für eine Empfehlung sehr dankbar.

Mit freundlichen Grüßen, M.

AM: Leider kenne ich keine Therapeuten, die ich Ihnen empfehlen könnte. Das heißt aber nicht, dass es keine empfehlenswerten gibt. Nur dass sie mir nicht bekannt sind.
Wenn ich im Internet nach ihnen suche, finde ich eine Menge esoterischer, sektiererischer, religiöser Angebote, Werbung aller Art, Schwarze Pädagogik, traditionelle Fallen, aber nirgends die Anerkennung der essentiellen Bedeutung der Kindheit im Leben des Erwachsenen und der verheerenden Auswirkungen des Schlagens kleiner Kinder. Wenn Sie einen kompetenten Therapeuten suchen, müssten Sie sich in den ersten Gesprächen vergewissern, ob er die folgenden Voraussetzungen mitbringt:
1 – Die Bereitschaft, Ihre Fragen über seine (ihre) Sicht auf seine (ihre) Kindheit und Ausbildung im Erstinterview zu beantworten.
2 – Die Freiheit, sich über die Grausamkeiten Ihrer Eltern zu empören und NICHT neutral zu bleiben, wenn Sie Ihre Geschichte erzählen.
3 – Die Fähigkeit, Ihnen empathisch beizustehen, wenn Sie endlich Ihren Zorn erleben und ausdrücken können, den Sie Jahrzehnte lang aus Angst vor der Strafe zurückgehalten haben.
4 – Die Weisheit, Ihnen nicht Vergessen, Vergebung, Meditation, positives Denken und buddhistische “Weisheit”, die echte, lebenswichtige ” Emotionen als “negative” bekämft, zu empfehlen und auf diese Weise Ihre Schuldgefühle noch zu steigern.
5 – Die Redlichkeit, Ihnen nicht leere Worte wie „Spiritualität“ und andere anzubieten, wenn Ihre Geschichte zu große Ängste beim Zuhörer hervorrufen sollte.
6 – Das Wissen, dass sich der leidende Erwachsene von dem in seinem Körper gespeicherten Zorn als Reaktion auf die in der Kindheit erfahrenen Misshandlungen befreien muss, indem er diesen Zorn bewusst erlebt, ausdrückt und seine Berechtigung versteht.
Da ich keine Therapeutenliste anzubieten habe, aber ständig danach gefragt werde, habe ich eine FAQ Liste publiziert, die leicht auf der Seite „Artikel“ zu finden ist. Sollte es ein Therapeut schon im Erstgespräch ablehnen, Ihre Fragen zu beantworten, können Sie sicher sein, dass Sie sich viel Geld, Zeit und unnötige Hoffnungen ersparen, wenn Sie kein zweites Gespräch mit ihm oder ihr vereinbaren. Sollten Sie angst haben, Ihre Fragen zu stellen, wäre Ihre Angst zwar durchaus als Furcht vor Ihren Eltern verständlich, weil der Therapeut eine Autoritätsfigur darstellen mag. Doch Ihre Fragen sind trotzdem sehr wichtig, und es lohnt sich, sie zu stellen, um nicht eine Verwirrung zu riskieren, die jahrelang andauern kann und nichts Gutes bringen wird. Wenn Sie das Stellen der Fragen auf sich nehmen, können Sie nur gewinnen.
Es mag Ihnen auch helfen, im Eingang zu dieser Webseite, über meine Ablehnung der Psychoanalyse zu lesen, die meines Erachtens den Zugang zur REALITÄT unserer Kindheit VERBAUT.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet