Ich war erschüttert

Ich war erschüttert
Saturday 02 August 2008

Liebe Alice Miller,
liebe Barbara Rogers,
liebes Team,

der aktuelle Brief unter dem Titel “Also sprach Gott der Herr” und insbesondere der dem Brief unten angefügte eigentliche Text mit diesem Titel hat mich so berührt und betroffen gemacht, daß ich ihn mir kopiert und ihn ohne die Häkchen der E-mail-Zeilenumbrüche neu gesetzt habe, so daß man ihn flüssig und ungestört lesen kann.

Ich könnte mir vorstellen, daß der Text sehr viele andere Leser genauso berührt hat und wollte Sie daher fragen, ob Sie ihn nicht in dieser neuen Form noch mal einstellen könnten und ihm so auch die ihm angemessene “formale Würde” geben? (Bitte nicht falsch verstehen: Das ist nicht als Kritik gemeint. Es ist vollkommen verständlich, daß Sie bzw. Ihr Team nicht genügend Zeit haben, um sehr lange Texte wie diesen von störenden Zeichen zu befreien.)

Ich würde mich wirklich sehr, sehr freuen.

Falls Sie sich tatsächlich dazu entscheiden sollten, würde ich Ihnen anbieten, auch den restlichen Text, also den ganzen Brief von den Häkchen zu befreien. Es ist einfach einer der erschütterndsten, noch dazu sehr klar formulierten Briefe, die ich in Ihrer Leserpost gelesen habe.

Falls Sie den Text noch mal neu einstellen sollten, müßte man die Autorin sicherlich vorher fragen, ob sie mit den von mir teilweise neu gesetzten Zeilenumbrüchen einverstanden wäre. Es ist ein so persönlicher, intimer Text.

Ich möchte die Gelegenheit ergreifen, um Ihnen, liebe Frau Miller, für Ihre Bücher, Ihre Website und vor allem Ihre unermüdliche Energie zu danken. Ohne Übertreibung kann ich sagen, daß sie mein Menschenbild und somit auch mein gesamtes Weltbild grundlegend verändert haben. Auch mich haben Sie damit ein Stück weit gerettet – wie so erschreckend viele andere Menschen.

Ich wünsche Ihnen und Ihrem Team von ganzem Herzen, daß Ihnen diese unerschütterliche, lebensrettende, (leider) fast beispiellose Kraft und Energie niemals verloren gehe.

Mit ganz herzlichen Grüßen und den besten Wünschen,
P

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* Also sprach Gott der Herr:

Du darfst dir die Frau nehmen,
deine Kinder missbrauchen,

hernach tue Buße,
ein Leben lang,
auf dass ich mein Wohlgefallen an dir habe.

Denn wisse,
ich nähre mich an dem Leiden der Menschen
und trachte danach es zu mehren.

Der Mann tat, wie Gott ihm aufgetragen.
Er fiel über die Frau her.

Da sie ihm keine Liebe schenken konnte,
musste er sie immer wieder neu mit Gewalt nehmen.

Jedoch konnte dies seinen Hunger nicht stillen,
so fiel er auch über das Kind her.

Die Frau, vergewaltigt und ihrer Liebe beraubt,
musste in Gottes Namen
dem Vergewaltiger als christliche Ehefrau dienen.

Denn, was Gott schickt, hilft er einem auch tragen.

Obzwar sie weder Liebe noch Freude einander erschaffen konnten,
schenkte ihnen Gott doch große Fruchtbarkeit.

Jedes Kind noch ein Grund zum Leiden und Plagen
und zum Wohlgefallen des Gottes.

Da die Last jedoch gar so schwer war,
fanden und straften sie gottergeben im Kind den Schuldigen.

Und sie taten Buße ein Leben lang.*

So bin ich leibgewordene Schuld des Vaters
und leibgewordenes Entsetzen der Mutter,
Frucht einer elterlichen Lüge,
die jene ein Leben lang zelebriert haben,

im Namen Gottes.

Die Verantwortung
für all das gottgewollte elterliche Leiden
wurde den Kindern aufgehalst.

So bin ich ein ewiges Dilemma
zwischen nicht leben können
und nicht sterben können.

AM: Ich danke Ihnen für Ihre Mühe, wir werden einfach Ihren Brief auch erscheinen lassen.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet