Ihre Bücher

Ihre Bücher
Thursday 27 March 2008

Sehr geehrter Frau Miller,

ich habe viele Ihrer Bücher gelesen und erkannte mich in allen wieder. Mein Vater hat mich in meiner Kindheit verprügelt, meine Mutter sah zu. An helfende Zeugen erinnere ich mich nicht.

Ich bin 22 Jahre alt und seit kurzem bei einer Psychotherapeutin. Kürzlich hat sie mir meine Diagnose eröffnet: Borderline-Störung. Ich sehe das als logische Folge meiner Erziehung.

Aber eigentlich interessiert mich etwas anderes: Wie haben Sie es geschafft trotz allem, ihren Forschungen, die ganzen Erkenntnisse, die sie daraus gewonnen haben, wie schafften Sie es trotz allem nicht den Lebensmut zu verlieren?

Ich konnte ihre Bücher nur im Keller lesen, denn im Keller habe ich einen Boxsack aufgehängt. Ich habe immer höchstens 2 Seiten ihrer Bücher geschafft und dann war ich so außer mir vor Wut, dass ich aufgestanden bin und auf den Boxsack einschlagen musste. Dann habe ich wieder ein paar Seiten geschafft, dann wieder den Boxsack bearbeitet.
So erging es mir beim Lesen all Ihrer Bücher.

Aber ich denke nicht, dass meine Wut heilsam war. Im Gegenteil. Nach allem was ich gelesen und gefühlt habe, ist all meine Lebensfreude dahin. Sie schreiben in Ihren Büchern, dass es gut bzw. heilsam sei, die Wut zuzulassen und sie zu fühlen. Sie zu fühlen erstmals aus der Sicht des kleinen Kindes, das man selbst einst war. Ich habe meine Eltern mit meiner gefühlten Kindheit konfrontiert und diese haben auch alles eingesehen und verstanden. Ich schwöre es Ihnen, ich habe kein schlechtes Gewissen dadurch und auch keine Schuldgefühle. Es war richtig so. Trotzdem will ich ehrlich gesagt nur noch Sterben. Ich frage mich, ob ich irgendeinen Fehler dabei gemacht habe.

Ich lese immer nur in Ihren Büchern, dass es den Menschen, die die kranken Mechanismen in den Familien verstehen und sie nachvollziehen können und auf Konfrontation gehen, irgendwann langsam wieder besser geht.

Gibt es Menschen, die sich trotz Erkennen der Wahrheit umgebracht haben, weil es für diese so schlimm war, alles zu sehen und zu fühlen? Für mich gibt es keine Verdrängung mehr, das Verständnis ist da und alleine das, macht mein Leben an sich nicht mehr lebenswert.

Ihre Bücher haben mir trotz Todeswunsch die Augen geöffnet. Vielen Dank dafür.

Mit freundlichen Grüßen, C. H.

AM: Niemandem hat es je geholfen, in Boxbälle zu schlagen. Solches wird von Menschen empfohlen, die die Eltern schonen wollen und die Stimme des Kindes nicht unterstützen, weil ihnen dessen Geschichte Angst macht. Es ist kein Wunder, dass Sie an Selbstmord denken. An Ihrer Stelle würde es mir auch so gehen. Sie müssen und dürfen WISSEN, dass Ihre Wut Ihren Eltern gilt, die diese Ihre Wut VERDIENTEN, dann spüren Sie auch Ihre Lebendigkeit, die Sie jetzt blockieren, um Ihre Eltern zu schonen. Vermutlich wird das von Ihrer Therapeutin unterstützt, die Sie so schnell wie möglich verlassen sollten. Um eine andere zu finden, benutzen Sie meine FAQ Liste.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet