Die Sprache des verletzten Kindes

Die Sprache des verletzten Kindes
Sunday 20 December 2009

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Danke, dass Sie meinen Brief beantwortet haben und Danke dafür, dass Sie ihn veröffentlicht haben, beides bedeutet mir unendlich viel. Ich habe so unendlich viel versucht um mich den Menschen um mich herum verständlich zu machen. Ich habe alles gelesen, was ein Mensch wohl nur lesen kann von Nietzsche über Sartre hin zu verschiedensten Schriftstellern und anderen sprachgewaltigen Autoren. Ich studiere jetzt seit drei Jahren Philosophie, ich habe im Deutschunterricht immer die schönsten Aufsätze geschrieben und ich kann mit Worten jonglieren, dass anderen schwindlig wird, aber Ich kann mich sicherlich besser ausdrücken, als die meisten Menschen, die ich kenne, aber dennoch versteht niemand, ausser Ihnen, was ich sage. Ich spreche Deutsch, aber es ist, als ob ich eine Sprache sprechen würde, die niemand verstehen will, nämlich die Sprache des verletzen Kindes, die einfach keine Übersetzung in die Sprache der meisten Menschen findet. Ich bin so froh, dass Sie meine Sprache verstanden haben, dass Sie mir nicht erzählt haben, wie dankbar ich doch sein kann für meine tolle Erziehung, dass Sie nicht mein inneres Kind erwürgt haben, wie all die anderen Menschen es mein ganzes Leben lang getan haben. Ich bin Ihnen unendlich dankbar, dass Sie mir so verständnisvoll geantwortet haben und, dass Sie meinen Brief veröffentlicht haben, denn damit haben Sie mir gezeigt, dass ich sehr wohl verstanden werden kann und, dass meine Erlebnisse sehr zerstörerisch waren und nicht etwas, über das man einmal lacht und damit ist es bagatellisiert und aus dem Gehirn der Anwesenden für immer verschwunden.

Mit erleichterter Seele und der Möglichkeit endlich darüber zu trauern was war, lebt es sich wesentlich leichter und Sie haben (wieder mal) sehr viel dazu beigetragen, mir das zu ermöglichen.

AM: Sie schreiben: “Es war mir in keiner Sprache … möglich, meiner Mutter zu vermitteln, dass sie mich verletzt. Ich spreche Deutsch, aber es ist, als ob ich eine Sprache sprechen würde, die niemand verstehen will, nämlich die Sprache des verletzen Kindes, die einfach keine Übersetzung in die Sprache der meisten Menschen findet. Ich bin so froh, dass Sie meine Sprache verstanden haben, …. dass Sie nicht mein inneres Kind erwürgt haben, wie all die anderen Menschen es mein ganzes Leben lang getan haben”. Nicht verstanden werden ist für das Kind eine Wunde. Das Kind hofft, dass die Eltern ihm diese Wunde erklären können, damit sie heilen kann, aber es steht vor einer Mauer, was auch immer es versucht, mit Schreien, Symptomen oder Worten. Die Eltern, die ihre eigene Wunden niemals wahrgenommen haben, sind taub, sie können das Leiden des Kindes nicht begreifen, weil sie nicht fühlen können. Statt des Herzens haben sie einen Hohlraum. Ohne helfende Zeugen übernimmt das Kind den Hohlraum. Es ist ein Glück, dass Sie so viel erkennen, bevor Sie Kinder haben, weil Sie ihnen Ihr Schicksal ersparen werden, zweifellos.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet