Ist Psychopathie nicht doch angeboren?

Ist Psychopathie nicht doch angeboren?
Friday 09 October 2009

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Sehr geehrte Frau Miller!

Ich lese Ihre Bücher seit Jahren und arbeite in Brasilien an einem sozialen Projekt, das auf den Ursprung von Gewalt hinweist, und sich mit dem Verkauf von Schmuck und besonderen Mineralien in Ouro Preto finanziert. In fast 30 Jahre Leben in Brasilien konnte ich auch bemerken, dass einige Ihrer Bücher bereits hier auf Portugiesisch übersetzt erhältlich sind.

Jüngst bemühte sich eine Telenovela, die großen Publikumserfolg hatte und monatelang jeden Abend zur gleichen Zeit in Fortsetzungen erschien, in der vorgebrachten Geschichte die Problematik aufzuweisen, wie unbeobachtet Psychopaten in unserer Gesellschaft ihre emotionale Unanteilnahme an der Gefühlswelt anderer, durch Bösartigkeiten und kriminelle Akte stören und zerstören.

Die Autorin hatte beim Schreiben die Hilfe einer brasilianischen Psychiaterin, die gleichzeitig, während der Ausstrahlung der Sendung ihr Buch über das Thema vorstellte.

Was mich nach dem Lesen Ihrer Bücher und all dem erlangten Aufspüren der kindlichen Unschuld am meisten störte, war die Beständigkeit, mit der die Autorin des Buches über die Telenovela immer wieder und besätigend darauf hinwies, dass Psychopaten “so geboren” werden, dass also ihre Unfähigkeit zur Empathie, nicht von einer, durch Erziehung unbemerkten Zerstörung in der Kindheit her rührt, sondern von Genen oder andere aufs Kind übertragene Einflüsse her stammt.

Ich würde mich über Ihre Stellungsnahme freuen und lassen Sie mich wissen, wann Sie endlich nach Brasilien kommen, weil ich hier als Reiseleiter auch tätig bin.

Mit freundlichen Grüßen, HW

AM: Es ist heute Mode, alles auf Gene zurückzuführen. Das ist sehr bequem, weil die dem Kind zugefügten Qualen gar nicht angeschaut werden müssen. Ich glaube nicht, dass Psychopathen so geboren wurden, neige eher dazu, diese Störung der Entwicklung und den Mangel an Empathie den Misshandlungen und Verwahrlosungen zuzuschreiben, die meistens ungesehen bleiben, weil sogar das Opfer selbst diese Behandlung leugnet und oft in Dissoziazionen lebt.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet