Die Mauer ist durchbrochen

Die Mauer ist durchbrochen
Wednesday 21 October 2009

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Liebe Frau Miller!

Nach einer eher abstrakten Danksagung an Sie vor Jahren und einem kurzen Statement zum Tode von Michael Jackson möchte ich Ihnen heute etwas Persönlicheres mitteilen. DIe Überschrift könnte lauten: die Mauer ist durchbrochen!

Ich meine damit jene Mauer, die mich bis jetzt, als 45jährigen Mann, im steten Wiederholungszwang dazu trieb, immer wieder Verständnis und Mitfühlen bei dazu unfähigen Menschen zu suchen. Dabei eine immense Energie für Überzeugungsarbeit verschwendend, die mir für anderes dann fehlte.
Die Gesamtheit der mir heute einsichtigen Schädigungen, die ich mein ganzes Lebens lang von meinen Eltern erfuhr, auch als Erwachsener noch, habe ich auf meiner Homepage “endlichleben.de.vu” dokumentiert. Ich meine, es ist ein Dokument einer damals durchaus “normalen”, nichtsdestoweniger seelenzerstörenden Kindheit. Wer es liest, wird schnell merken, dass all das für mich nur durch eine Panzerglaswand aus Intellektualisierung anzuschauen war. Man stelle sich einen Atomtechniker vor, wie er mit diesen dicken, schwarzen Schutzhandschuhen in einer vor der Strahlung schützenden Bleiglasbox mit dem hochgiftigen Plutonium hantiert.
Über diese Homepage haben mich nun 2 Menschen angesprochen und einen Kontakt aufgebaut, die wie ich auch schon lange danach suchten, einmal schlicht Akzeptanz zu finden statt Abwehr und Unverständnis. Und urplötzlich merken wir, wie ungeheuer wohltuend es ist, uns endlich nicht mehr unablässig rechtfertigen zu müssen, sondern die Gedanken und Gefühle frei äußern zu können, wahrhaftig und offen sein zu können!
Vor dieser Begegnung, die ich wie ein ungeheures Geschenk empfinde, habe ich mich in letzter Zeit oft gefragt, wie lange mich der Wiederholungszwang noch dazu verdammen würde, mich immer wieder an die Falschen zu wenden in meiner Suche nach Beistand und Begleitung.
Nun sieht es so aus, als sei ich endlich, endlich dabei, mich aus seinen Klauen zu befreien. Ich scheine jetzt reif zu sein, die Schmerzen zu ertragen, die es mir bringen wird, das Angenommensein zu erleben, das ich als Kind niemals gespürt habe, von keinem.
Ich widme diese Mail all denen, die wie ich jahrelang schon kämpfen und den Glauben schon fast verloren haben, dem Widerholungszwang jemals entkommen zu können. Und ich möchte mit einer fernöstlichen Weisheit schließen, die mir zu meinem derzeiten Erlebnis zu passen scheint: “Wenn ihre Zeit gekommen ist, platzen die Kirschen im Schatten.”

Mit herzlichen Grüßen
RH

PS: einer Veröffentlichung stimme ich zu!

AM: Ihr Brief an Ihre Eltern zeigt, dass Sie einen langen Weg zurückgelegt haben, um diese Klarheit zu gewinnen.. Die Zeit allein schafft es nicht, da liegt offenbar viel Arbeit dahinter. Kein Wunder, dass Sie sich erleichtert fühlen, nachdem Sie sich zur emotionalen Aufrichtigkeit durchgerungen haben.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet