Sich nicht mehr im Keis drehen

Sich nicht mehr im Keis drehen
Thursday 28 January 2010

Liebe Alice Miller,
Ihre klaren Worte tun so gut. Es tut so gut gesehen zu werden, wichtig genug zu sein, dass auch Sie mir antworten.
Seitdem ich Ihre Antwort gelesen habe, weine ich ganz viel. Es ist wie eine Erlösung, mich klein und zerbrechlich fühlen zu dürfen, mich nicht mehr dagegen zu wehren. Und nicht mehr zu denken, „aber bei meinem Partner war es schlimmer in der Kindheit“.
Von meinem Ich ist kaum etwas übrig, Und da ist noch so oft die spöttische Stimme meiner Mutter oder auch Großmutter in mir, die mein Leid wie ein Echo verhöhnt.
Niemand hat mich wirklich wahrgenommen, wie es mir ging. Nicht einmal wenn ich mich direkt neben meinen Eltern (meine Mutter und mein Stiefvater) im Wohnzimmer bis aufs Blut zerkratzt habe. Das war in der Zeit meiner Pubertät. Sie haben weggekuckt, zum Fernseher, oder es kamen hilflose was-sollen-wir-nur-mit-dir-machen-Blicke.

Danke, dass Sie mich wahrgenommen haben, danke, dass Sie mich durch meine Verwirrung hindurch gesehen haben. Das tut so gut! SS

AM: Ihre Reaktion auf meine Antwort zeigt deutlich, weshalb die Doktorarbeit in Archeologie eine Flucht vor IHRER Wahrheit gewesen wäre. Versuchen Sie DIESE auszugraben, Sie haben große Chancen, wichtige Entdeckungen zu machen. Es wäre schade, diese Chance zu verpassen. Behandeln Sie sich nocht so, wie Ihre Eltern Sie behandelt haben, mit Gleichgültigkeit, Ahnungslosigkeit und Wegschauen. Die Schwierigkeiten mit der Doktorarbeit verkündeten vielleicht das Erwachen des klugen Kindes, das sich nicht länger bis aufs Blut kratzen will, um die Eltern zu schonen.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet