Die Qualen
Saturday 20 February 2010
Liebe Frau Miller,
ziemlich regelmäßig lese ich auf Ihren Internetseiten und auch in Ihren Büchern. Ich arbeite ziemlich viel an mir und doch komme ich nicht weiter. Selbst wenn ich weiß, was meine Eltern (Mutter) mit mir getan haben (und oft fühle ich es schon), so komme ich doch nicht dahin, es bei meinen Kindern anders zu machen. Das treibt mich wirklich in den Wahnsinn. Jeden Tag mache ich diese tiefe miese Erfahrung und ich kann nicht raus aus meiner Haut. Ich habe das Gefühl, es einfach nicht zu schaffen. Ich bin zu meinen Kindern genauso wie ich nicht sein will und ich weiß nicht, überhaupt gar nicht, was ich machen kann.
Ich bin echt am Ende.
Wenn mich meine Kinder ansehen, dann sehe ich was sie denken und ich fühle mich so schuldig. Ich fühle mich so schlecht und dann bin ich so wütend. Dann schreie ich noch mehr. Und sie gucken so entsetzt und traurig und ich werde noch wütender, weil sie einfach nicht anders sind . . . . . so wie ich es brauche.
Ich fühle mich schlecht.
Ich fühle mich schlecht, weil ich meinen Kindern nicht das geben kann, was sie ganz einfach verdienen. Ich komm da nicht hin und ich glaube, ich schaffe das nie. Weil ich nicht weiß wie. Da ist eine Sackgasse.
Ende
Liebe Grüße, MR
AM: Was Sie so klar und ehrlich beschreiben, gilt für Millionen von Eltern: Sie erleben bei ihren Kindern erst die Wut, die bei ihren Eltern absolut berechtigt, aber verboten und gefürchtet war und deshalb unterdrückt wurde. Sie kann sich erst bei den eigenen Kindern melden. Diesen Vorgang nennt man Übertragung, und er liegt allen Formen von Kindesmisshandlungen zugrunde. Leider wird die Wut meistens unbewusst an den eigenen Kindern ausagiert, sich als „Erziehung“ tarnend, und so spielt sich diese Irreführung ab, seit Tausenden von Jahren. Im Unterschied zu der großen Mehrheit haben Sie den Mut, diesen Mechanismus zu durchschauen und zu beschreiben. Sie werden sich davon befreien, wenn Sie Ihre vermutlich grauenhafte Ängste vor Ihren Eltern und die DORT unterdrückte Wut zu erleben wagen. Dann wird Ihrer Liebe zu Ihren Kindern nichts mehr im Wege stehen.