Suicid

Suicid
Wednesday 18 October 2006

Liebe Frau Miller,
ich habe den leserbrief von M.H. vom 03.10.2006 gelesen und bin zutiefst erschüttert über den selbstmord von R.H. ich habe geweint darüber, daß ein mensch, der so einen verzweifelten brief („mein leben“ 06. juli 2006) geschrieben hat, der von so einer ehrlichkeit und menschlichkeit geprägt ist, sein leben als so unerträglich und vor allem aussichtslos empfunden hat, daß er sich das leben nehmen mußte. dieser brief von R.H. ist mir sehr in erinnerung geblieben und hat mich damals schon sehr berührt. ich bin gestern mit der u-bahn nachhause gefahren und hab die ganze fahrt über diesen menschen nachgedacht. auch damals schon im juli hab ich mir gedanken über diesen menschen gemacht udn wie man ihm helfen könnte, wie man ihm zeigen könnte, daß es einen ausweg gibt. denn den gibt es ja. man bräuchte doch nur so dringend menschen, die einem den weg zeigen. so wie Sie als antwort geschrieben haben auf seinen brief: menschen, die einem zeigen, daß es dort in einer ecke wo es dunkel ist, diesen ausweg gibt. daß man den bis jetzt nur nicht sehen konnte, weil man nicht auf die idee gekommen ist, daß dort ein weg ist. und es auch einem noch keiner bis jetzt gezeigt hat. ich bin traurig und erschüttert darüber, daß R.H. anscheinend keinen solchen menschen getroffen hat. der analytiker bei dem er war hat ihn weiterhin in die irre geführt und hat sein leiden nur fortgesetzt und nicht gemildert. schade, daß er nicht auf ourchildhood.de in dem forum war. dort hätte er viele menschen getroffen, die sich seiner angenommen hätten. dort sidn menschen, die über ihre gefühle und erfahrungen sprechen. die sich eines menschen annehmen, der in not ist. das aufgefangen werden in diesem forum hätte ihm mut gemacht. und er hätte es vielleicht geschafft, hätte die kraft aufgebracht, einen therapeuten zu suchen, der ihm ganz klar den weg zu seinen gefühlen zeigt. der ihn unterstützt und hält. auffängt und respektiert. der mit ihm ist, weil der therapeut selbst auch bei sich ist und deswegen den mut hat gefühle zu benennen und ernst zu nehmen. als wahr und echt zu erkennen. der ihn ermutigt hätte an sich zu glauben.
ich sitze hier und denke mir R.H. hätte sich sicher nie gedacht, daß es menschen gibt, sogar ihm ganz fremde menschen, so wie mich, die sich soviele gedanken über ihn machen und gemacht haben. wahrscheinlich hätte er sich nie gedacht, daß es menschen gibt, die seine gefühle ernst nehmen sie nicht abtun. er hat in seinem brief geschrieben, daß er an selbstmord denkt. alle fragen über sein leben hat er in diesem brief beantwortet.
er hat seine qualen beschrieben, sein leid, seine einsamkeit, seine ängste. er hat gelitten.
sein brief war sehr offen, sehr menschlich. er beschreibt, daß er sich häßlich findet, er beschreibt, daß er zwischen homo und heterosexualität hin und her gerissen war. er hatte soviele fragen. er war auf dem richtigen weg. es hat ihm ein wissender zeuge gefehlt.

Grüße von einer tief betroffenen V

AM : Ich verstehe so gut Ihre Erschütterung und teile sie, weil auch ich denke, dass dieser Mann alles hatte, um sich zu befreien, wenn er von jemandem begleitet worden wäre, der den Mut gehabt hätte, zu sehen, wie schrecklich dieser Junge gelitten hat. Und wenn er selber es als Erwachsener hätte fühlen können, wäre er noch am Leben, und lebendig.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet