Strafen im Kindergarten

Strafen im Kindergarten
Saturday 30 May 2009

Liebe Frau Miller,

leider weiß ich momentan nicht mehr weiter, deshalb wende ich mich an Sie. Meine älteste Tochter 5 1/2 Jahre geht noch in den Kindergarten. Bei einem Gespräch mit meiner Tochter kam heraus, dass Kinder im Kindergarten wenn sie bei dem gemeinsamen Mittagessen nicht hören“in die Ecke, an die Wand oder vor eine Tür gestellt “ werden. Meine Tochter hat diese Maßnahme auch schon selbst erleben müssen. Dann gab es eine Situation im Kindergarten wo meine Tochter sich weigerte ein Stück Fleisch zu essen, daraufhin wurde von der Erzieherin verlangt, dass sie das Fleisch doch essen solle.Meine Tochter hat dann aus Angst ,vor der oben beschriebenen Maßnahme, das Stück Fleisch gegessen. Ich habe dann das Gespräch mit den Erzieherinen und der Leitung gesucht. Leider ohne Erfolg. Daraufhin habe ich mich bei verschiedenen Eltern informiert, diese mir auch bestätigten, dass ihre Kinder diese Maßnahme auch schon selbst oder bei anderen Kinder mitbekommen haben.

Da ich im Elternbeirat bin, gab es dann eine außerordentliche Elternbeiratssitzung mit Erzieherinen und Leitung.

Leider war das einzige Problem des Kindergarten Teams, dass solche Äußerungen auf keinen Fall an die Öffentlichkeit gelangen sollte. Würde den Ruf des Kindergartens schaden.Ansonsten haben sie sich dagegen gewehrt dass die Kinder nicht in Ecke, Wand oder vor die Tür gestellt werden. Sondern die Kinder werden lediglich „hingestellt oder weggestellt“. Was für mich aber keinen Unterschied macht, da die Kinder automatisch durch die räumliche Enge vor einer Ecke, Wand oder Tür stehen. Ich bin auf totales Unverständnis gestoßen, als ich sagte, dass diese Maßnahme dem Kind gegenüber würdelos und demütigend sei. Die Antwort darauf war:Sie würden diese Maßnahme ja nur als letzte Möglichkeit einsetzen. Für mich ist das aber keine Möglichkeit auch nicht eine letzte.Zumal auch schon die Angst von einigen Kindern gegenüber dieser Maßnahme Bände spricht. Die Kinder die es häufig betrifft, die sogenannten „Rabauken“ stört die Maßnahme recht wenig, aber für die Kinder die sensibel sind ist das der absolute Horror. Was ich auch verstehen kann. Für mich ist es nach wie vor keine pädagogische und sinnvolle Maßnahme.

Leider sind wir in diesem Gespräch auf keine gemeinsame Lösung gekommen. Für den Kindergarten ist diese Maßnahme nach wie vor in Ordnung und wird auch weiterhin praktiziert.Ich habe mir für mein Kind diese Maßnahme verboten. Da ich aber im Elternbeirat bin,und auch einige Eltern an meiner Seite habe die meine Meinung teilen,kann ich diese Maßnahme aus Verantwortung auch den anderen Kindern gegenüber nicht ruhen lasse. Vielleicht könnten sie mir durch einen Bericht oder einer Stellungnahme Ihrerseits helfen, damit ich die Erzieherinnen und Leitung von dieser längst überholten Maßnahme/Strafe abbringen kann.

ich bedanke mich recht herzlich

Mit freundlichen Grüßen

N.M.

AM: Es tut mir leid, dass Sie mit den richtigen, logischen Argumenten nicht durchkommen, aber dies wundert mich nicht, das liegt nicht an Ihnen. In der Erziehung wird meistens das getan, was die Mutter der Erzieherin mit ihr als Kind getan hat, weil das Gehirn des gestraften Kindes sehr früh lernen musste, dass Strafen wirksam und harmlos seien. Doch in Wahrheit sind sie es nicht. Jede Strafe erzeugt Angst und häufig auch Zorn, der verboten bleibt. Im Zustand der Angst kann das Kind nicht das lernen, was wir von ihm erwarten, es lernt aber, dass Strafen notwendig seien, und wird später als Erwachsener darauf schwören, dass diese Mittel zum Zweck führen. Die Kindergärtnerinnen leisten daher den größten Widerstand gegen jede Logik, und aus Ihnen spricht die seit Jahrhunderten unveränderte Sprache ihrer Mütter, die niemals an ihren Methoden zweifelten.

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet