Mutter spuckte in mein Gesicht

Mutter spuckte in mein Gesicht
Wednesday 28 March 2007

Liebe Frau Alice Miller,

Bin weiblich, 40 jahre alt, melde mich aus der türkei. Habe zwei ihrer bücher auf türkisch übersetzt gefunden und sofort gelesen. Es hat mir sehr gefallen!
Habe auch ein problem mit meiner kindheit. Ich fühlte es immer, dass ich ein unerwünschtes kind war. Meine mutter hat es mir in meiner kindheit auch sehr oft gesagt, als sie mich geschlagen hatte. Mit 9 Monaten kam ich zu meiner tante in die türkei, weil meine eltern berufstatig waren und keine zeit für mich hatten. Meine Tante hatte keine kinder und wünschte sich gerne ein pflegekind, deshalb war sie immer sehr lieb zu mir, doch mit anfang 5 jahren holten meine eltern mich nach deutschland zurück, in dieser zeit hatte ich einen bruder bekommen der 3 jahre jünger und wichtiger war als ich. Bis zu meinem 18. lebensjahr wurde ich immer von meiner mutter sehr schwer geschlagen. Leider konnte ich es damals niemanden sagen. Sie hatte mich gebissen und so fest auf mein kopf geschlagen bis es blutete. Manchmal weinte sie hinterher selbst über das was sie mir angetan hatte. Die ohrfeigen, die ich damals auf der strasse von ihr bekommen hatte, kann ich heute immer noch auf meiner wange spüren, ich schaemte mich so sehr, weil mir dabei fremde menschen zugeschaut hatten, danach spuckte sie mir mitten in mein gesicht, mir wurde es übel dabei und ich hasste sie innerlich immer mehr. Einen selbstmord versuch habe ich auch schon hinter mir.
Als ich 19 jahre war haben wir die heimkehr in die türkei gemacht. Ich lebe leider immer noch mit meinen eltern zusammen, heute sind sie über 70 jahre. Obwohl ich sie nicht liebe habe ich sehr mitleid mit ihnen weil sie alt und krank geworden sind. Sie reden nichts über meine vergangenheit, heute sind sie nett zu mir. Aber ich habe keine freude am leben, ich hasse die sonne, ich habe mitleid mit kleinen kindern, ich finde keinen sinn in den dingen was ich mache, ich möchte niemals mutter werden, ich habe bis heute noch kein geschlechtsverkehr gehabt, ich habe angst vor beziehungen, ich fühle mich wertlos – obwohl ich eine schöne frau bin und einen guten beruf habe, ich habe immer eine innerliche tiefe unruhe in mir, dass ich nicht verstehen kann. Ich möchte mich von meinen eltern trennen aber schaffe es einfach nicht. Seid 3 jahren bin ich unter psychologischer behandlung mit emdr usw. doch es führt zu nichts.
Was empfehlen sie mir? Vielen herzlichen dank im voraus für ihre antwort. Alles gute für sie und ihr team.
Grüsse aus der türkei.

AM: Sie schreiben: „ich habe keine freude am leben, ich hasse die sonne, ich habe mitleid mit kleinen kindern, ich finde keinen sinn in den dingen was ich mache, ich möchte niemals mutter werden, ich habe bis heute noch kein geschlechtsverkehr gehabt, ich habe angst vor beziehungen, ich fühle mich wertlos – obwohl ich eine schöne frau bin und einen guten beruf habe, ich habe immer eine innerliche tiefe unruhe in mir, dass ich NICHT VERSTEHEN KANN.“ Wie ist es möglich, dass Sie das geschrieben haben, nachdem Sie uns doch sehr genau geschildert hatten, wie grauenvoll Sie unter Ihrer Mutter leiden mussten? Dazu haben Sie noch zwei meiner Bücher gelesen und sind seit drei Jahren in Therapie, die offenbar tatsächlich nichts genützt hat. Was muss noch geschehen, damit Sie eine Verbindung machen können zwischen Ihrem depressiven Zustand und der Abwehr Ihres Wissens über erlittene schwere Misshandlungen und Demütigungen? Versuchen Sie Artikel auf dieser Seite zu lesen, vor allem die FAQ_Liste und suchen Sie sich eine Therapeutin, die den Mut hat, Ihnen zu helfen, die Realität Ihres Kindheitsleidens ernst zu nehmen, das kleine Mädchen, das Sie waren, anzuhören und sich endlich von Ihren Eltern zu trennen, um Ihr Leben zu retten. Es ist das Mitleid für Ihre grausame Mutter, das Ihre Seele im inneren Gefängnis hält. Können Sie dieses Mitleid aufgeben und endlich Ihren berechtigten Zorn zulassen, der Ihr Leben vergiftet, solange Sie ihn nicht fühlen dürfen?

Ein neues Buch von Alice Miller, Jenseits der Tabus, 2009, exclusiv im Internet